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Landeshauptstadt: „Das Quartier weist die Richtung“

Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft 1956 ist 50 Jahre alt / Gespräch mit Vorstand Wolfram Gay

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Die PWG wird 50 Jahre alt, morgen findet dazu die Festveranstaltung statt. Gibt es genügend Grund zum Feiern?

50 Jahre als drittgrößtes Wohnungsunternehmen in dieser Stadt und mit diesen Erfolgen, das ist mehr als ein Grund zum Feiern. Wir haben aus dem Nichts angefangen mit den ersten Objekten in Potsdam-West wie Fichte- und Kantstraße. Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften waren damals schon etwas Besonderes gegenüber den kommunalen Unternehmen. Der Genossenschaftsgedanke mit seinem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ hatte in der DDR ja die gleichen Wurzeln und Intentionen wie in ganz Deutschland. Unsere treuesten Bewohner sind diejenigen, die selbst am Anfang aktiv mitgearbeitet haben. Heute haben wir knapp unter 3700 Wohnungen. Die baulichen Maßnahmen, die zur DDR-Zeit zugeteilt wurden, mussten bewältigt werden. Und nach der Wende mussten wir die Verwaltung nach bundesdeutschen Gesetzen von heute auf morgen umkrempeln, angefangen von der Eröffnungsbilanz über Grundmietenverordnung bis zum Altschuldenhilfegesetz. Und das hat wunderbar geklappt, heute sind 90 Prozent unserer Bauten modernisiert und das bei moderaten Mieten. Mein Vorgänger Wilhelm Willgeroth und Matthias Pludra, der heute noch Vorstand ist, haben sich damals bei der Privatisierung und Altschuldenhilfe für den richtigen Weg entschieden und haben durch Abspaltung und Verschmelzung mit einem Schlag 22 Millionen Euro erlassen bekommen. Vorreiter waren wir beim Dachgeschossausbau, bei der Anwendung der Solarenergie in der Breiten Straße und in der Zeppelinstraße, beim Neubau für behinderte Menschen im Behlerthof und im innerstädtischen Bauen im Französischen Quartier.

Alle diese Investitionen sind ja immer eine Zitterpartie, weil Sie sich finanziell nicht übernehmen dürfen. Wie ist die wirtschaftliche Lage der Genossenschaft?

Wir sind von der Struktur her gut aufgestellt, da besteht keine Gefahr. Der Vermietungsstand ist aufgrund der Lage der Stadt Potsdam optimistisch zu sehen und so dürfte es auch zukünftig sein. Mit dem Französischen Quartier haben wir unseren damaligen Wohnungsbestand mit einem Schlage um fünf Prozent erhöht, mit einem Volumen von zwanzig Millionen Euro – das ist für uns eine Menge Geld. Das Vorhaben hat sich für uns gelohnt. Künftig werden wir sehen, wie wir uns auch mit Mitteln unserer Spareinrichtung an der weiteren Entwicklung in der Stadt beteiligen können. Der Bedarf ist da, für einige Wohnquartiere haben wir sogar Wartelisten.

Wo sehen Sie Möglichkeiten für neue Vorhaben?

Nach dem Französischen Quartier sei uns eine kleine Verschnaufpause gegönnt. Das Französische Quartier mit seinem betreuten, altersgerechten und generationsübergreifenden Wohnen weist schon die Richtung, in die wir künftig gehen wollen. Hier haben besonders die Genossenschaften eine Zukunft, um bezahlbare Leistungen im betreuten Wohnen unter dem Aspekt der Gemeinsamkeit anzubieten. Die demographische Entwicklung fordert ja gerade solche Lösungen. Ein konkretes Projekt haben wir aber noch nicht in der Schublade.

Potsdam hat mit der Arbeitsgemeinschaft „Stadtspuren“ der großen Wohnungsunternehmen eine Besonderheit. Gegründet wurde sie für die Bundesgartenschau 2001. Ist sie heute noch zeitgemäß?

Die Unternehmen und wir als Gründungsunternehmen haben ja nach der Bundesgartenschau neue Inhalte für die Stadtspuren gesucht. Gemeinsame Vorhaben gibt es zum Beispiel zum Jahr der Architektur. Nicht immer gehen wir mit den Vorhaben der Stadt konform. So haben wir gegen die kommunalen Abgaben opponiert. Probleme gibt es auch bei der Zuordnung der Splitterflächen. Und wenn Potsdam eine neue Umgehungsstraße baut, berührt das unter Umständen die Wohnungsbestände der betroffenen Unternehmen. Nach Beratung im Arbeitskreis bringen wir hier unseren gemeinsamen Standpunkt ein.

Haben die Genossenschaften auf dem Wohnungsmarkt eine Zukunft? Die Probleme der Genossenschaft „Vaterland“, die Sie ja mit verwalten, zeigen, dass es offenbar nicht einfach ist, auf Dauer zu bestehen.

Kleine Genossenschaften werden es künftig schwerer haben, weil die Anforderungen weiter zunehmen. Wir sind dabei, das Modell PWG-Vaterland weiterzuentwickeln. Die Frage bleibt, ob eine sinnvolle Lösung und die Chance zum Überleben für die „Vaterland“ im Zusammengehen mit der PWG liegt. Aber die Zukunft der Wohnungsgenossenschaften als solche ist unbestreitbar gegeben. Das Wohnen hier ist die Zwischenform zwischen echtem Wohneigentum und Miete. Das ist das Optimale aufgrund der Mitbestimmungsrechte. Nur unter diesen Bedingungen kann der Gedanke „Hilfe zur Selbsthilfe“ zum Tragen kommen. Unser Bestreben ist es, die Mitglieder mitzunehmen und zu begeistern. Wir bieten unseren Mitgliedern mehr als nur ein Dach überm Kopf.

Das Interview führte Günter Schenke

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