Landeshauptstadt: Das Runde im Eckigen
Sonntagsvorlesung über Fußball und Medien / Nur wenig Resonanz bei „Potsdamer Köpfen“
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Sonntagsvorlesung über Fußball und Medien / Nur wenig Resonanz bei „Potsdamer Köpfen“ Von Marcel Kirf Sonntag Morgen ist nicht der schlechteste Zeitpunkt, um über Fußball zu reden. Andere, die um diese Zeit schon wach sind, besuchen möglicherweise einen Gottesdienst oder erweitern ihr popkulturelles Wissen mit der Sichtung alter Godzilla- oder Easternfilme auf einem privaten Fernsehkanal. Und irgendwie hat das alles ja miteinander zu tun. Wer sich aber von der Sonntagsvorlesung „Vom Rasenspiel zum Fernsehspiel – Fußball und Fernsehen“ im Alten Rathaus Erkenntnisgewinn erwartete, wurde enttäuscht. Scheinbar hatte der Referent nicht seinen besten Tag. Lothar Mikos, Professor für Fernsehwirtschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen HFF und Leiter des Studienganges Audiovisuelle Medienwissenschaft, gilt dem Vernehmen nach als beliebter und eloquenter Lehrer. Sein leider weitgehend abgelesenes Wochenendreferat hingegen krankte nicht nur an der Unhandlichkeit schriftsprachlicher Formulierungen, die einem Vortrag wenig zuträglich sind, sondern ließ vor allem eine dem Thema gebührende Leichtigkeit vermissen, welche einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen über Fußball und Welt zueigen ist. Nur fünfzehn Zuhörer waren gekommen, und wer von ihnen „Kicker“ oder Tageszeitung liest, erfuhr wenig Neues. Mikos, studierter Soziologe und lange Jahre freier Journalist, bot eine allgemeine Darstellung des Verhältnisses von modernem Fußballgeschäft und Medien. Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports allgemein führten demnach zu einem „Sport-Medien-Komplex“. Dazu beigetragen haben das Entstehen eines Berufsspielertums und als Wirtschaftsunternehmen agierende Vereine. Medien, vor allem das Fernsehen, brachten das Geld mit. Immer teurer erkaufte Übertragungsrechte wurden die finanzielle Stütze vieler Vereine, die geradezu in Abhängigkeit und so unter Erfolgsdruck gerieten. Wenig massenkompatible Sportarten wie Tischtennis hingegen finden in der medialen Realität kaum Raum. Hohe Zuseherquoten wie beim Fußball aber interessieren die Wirtschaft. Durch Lizenzierungen, ein breit gefächertes Sponsoring und strategische Partnerschaften gerät mehr Geld in den Umlauf. Die erfolgreichsten Vereine erhalten das meiste Geld, kaufen die besten Spieler, deren Gehälter inzwischen auch explodieren und die als Medienstars zunehmend für sportfremde Zwecke, etwa in der Werbung, eingesetzt werden. Die Entwicklung der Übertragungstechnik holte zudem das Fußballspiel aus dem Stadion, entriss es einer verschworenen Basis, und schuf eine neue Medienrealität, die dramaturgisch inszeniert ist. „Der Live-Bericht ist nicht authentisch“: Nahaufnahmen, Wiederholungen und Kommentar heben Spielausschnitte hervor, das Spiel als Ganzes wird nicht mehr wahrgenommen. Vergisst ein Stadionbesucher manch Einzelszene schnell wieder, ist der TV-Zuschauer Opfer von aufbereiteten „Höhepunkten“, ihm fehlt der Überblick. Jene launig vorgetragene Kennerschaft, die Konsumenten öffentlichen Fußballdiskurses so entflammt, geht Mikos leider ab. Bedauerlicher aber ist, dass sein Vortrag nicht den Stand wissenschaftlichen Befassens mit Fußball reflektierte, Zitate als Gags funktionieren sollten und kaum intellektuelle Vertiefung stattfand. Das gab der Veranstaltung den Anschein einiger Beliebigkeit, wie ohnehin Unterschiede zu den ersten Sonntagsvorlesungen auszumachen waren. Gestartet als Prestigeprojekt, bei dem die renommiertesten „Potsdamer Köpfe“ Einblick in hiesige Spitzenforschung geben sollten, und die Verantwortlichen der Hochschulen noch persönlich erschienen, finden heute nicht einmal mehr die eigenen Studenten ins Alte Rathaus, zumal die Semesterferien erst Ende der Woche beginnen. Was einst mit einer multimedialen Show im überfüllten großen Saal des Hauses begann, war an diesem Sonntag eine Randveranstaltung in einem Nebenraum.
Marcel Kirf
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