SERIE: „Das Schiff ist schwer zu bremsen“ Mein Szenario
Der Meteorologe Prof. Peter C. Werner vom PIK ist von der Intensität des Klimawandels überrascht
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In Potsdam beschäftigen sich zahlreiche Forscher mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Sie arbeiten am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), aber auch bei den Geoforschern, den Polarforschern, den Agrarforschern oder an den Hochschulen. Die PNN stellen die Forscher mit ihren aktuellen Erkenntnissen, ihren Prognosen und auch Ratschlägen vor. Heute: der Meteorologe Prof. Peter C. Werner vom PIK über die Veränderungen der Potsdamer Klimareihe und ihre Ursachen.
Herr Prof. Werner, das Wetter steht Kopf. Was zeigen Ihre Beobachtungen?
Bis auf geringe Unterbrechungen war es seit September 2006 in unserer Region fast durchgängig zu warm. Das wird vor allem deutlich, wenn man die Erdbodentemperaturen betrachtet, die an unserer Beobachtungsstation in Potsdam gemessen werden. Zwischen Januar und Mai 2007 haben wir in sechs Meter Tiefe immer die höchsten Monatsmitteltemperaturen seit Messbeginn 1893 gehabt.
Überrascht Sie das?
Eigentlich nicht. Wir beobachten bei uns in den vergangenen Jahren vor allem im Winter durch verstärkte Westwetterlagen und im Sommer durch mehr Hochdruckwetter einen Anstieg der Temperatur, der über dem der globalen Erwärmung liegt. Dass so viele überdurchschnittlich warme Monate nun aber so massiv hintereinander auftreten, ist schon überraschend.
Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem der UN-Weltklimabericht vorgelegt wurde.
Tatsächlich. Ein Zufall, aber es hatte den Vorteil, dass die Ergebnisse bei uns stärkere Aufmerksamkeit erregten. Der relativ strenge Winter 2005/2006 war schon vergessen. Solche Ausschläge passieren aber trotzdem weiterhin, das Klima bleibt variabel.
Dann der April 2007
der in Potsdam der trockenste Monat seit Aufzeichnungsbeginn war. Es folgte der Mai, der fast der feuchteste der Klimareihe wurde. Das heißt, die Extreme folgen dicht aufeinander. Das nimmt zu. Wir beobachten nun gerade im Sommer mehr kurze Schauerniederschläge als lang anhaltenden Landregen, der den Boden nachhaltig durchfeuchten würde. Die Schauer hingegen fließen rasch wieder ab, und kommen so den Pflanzen weniger zu Gute. In der Heftigkeit haben wir diese Extreme nicht erwartet, aber sie fallen in die Tendenz, die wir seit Mitte der 70er Jahre beobachten, als eine massive Klimaumstellung stattfand.
Mit welchen Auswirkungen für uns?
Weltweit ist nicht nur ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur sondern auch die Umstellung der großräumigen Zirkulationsverhältnisse zu beobachten. Das führt unter anderem in Mitteleuropa häufiger zu milden Wintern, weil öfters die Luftmassen vom Atlantik kommen, und zu trockenen Sommern, da in dieser Jahreszeit die regenarmen Hochs zugenommen haben. Die Ursache dafür ist die Erwärmung und damit ein Mehr an Energie in der Atmosphäre, wodurch sich die großräumigen Luftdruckverhältnisse verschieben. So kommt es regional zu einer Modifizierung der allgemeinen globalen Erwärmung. Bei einer verstärkten Strömung von niedrigen zu höheren Breiten erfolgt ein größerer Temperaturanstieg als im Mittel. Verstärkt sich die Strömung in umgekehrter Richtung kommt es sogar zu Abkühlungen.
Ist die Entwicklung alarmierend?
Bei der Temperatur und der Niederschlagsentwicklung gab es zum Teil sprunghafte Veränderungen. Das ist schon recht dramatisch. Die Temperatur ging in den 90er Jahren noch einmal stark nach oben. In Kombination mit dem Rückgang der Sommer-Niederschläge gerade hier im Osten ist die Entwicklung äußerst negativ. Denn durch die verstärkte Verdunstung haben die Böden nicht mehr viel von dem Regen. Das schlägt sich auf die Wasserverfügbarkeit nieder.
Skeptiker sagen, es gebe zwar einen Klimawandel, aber das Kohlendioxid sei nicht die Ursache dafür.
Diese Debatte verfolgen wir. Aber aus dem IPCC-Bericht der UN geht klar hervor, dass die Temperaturerhöhung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von den Modellen eigentlich nur nachvollziehbar ist, wenn man die Treibhausgase mit einberechnet. Allein mit natürlichen Einflüssen lässt sich der globale Temperaturanstieg nicht erklären. Der Treibhauseffekt des CO2 lässt sich zudem im Labor messen. Unklar sind allerdings noch, welche Rückkopplungseffekte eintreten. Das gilt beispielsweise auch für das Auftauen des Tundrabodens, wodurch massiv das noch stärker wirkende Treibhausgas Methan freigesetzt wird. Die Ausgasung ist je nach Bodenbeschaffenheit sehr unterschiedlich. So fällt eine Hochrechnung schwer. Aber auf Unsicherheiten muss man erst recht reagieren – es könnte ja noch schlimmer werden als angenommen.
Was erwarten Sie nun?
Das hängt von der Emission ab. Viele Forscher gehen vom A1B-Szenario aus, das besagt einen Emissionsanstieg über das jetzige Niveau bis Mitte des 21. Jahrhunderts und dann eine Stagnation beziehungsweise einen leichten Rückgang. Dabei geht man von einer Globalisierung bei technischem Fortschritt aus. Das setzen wir auch in unserer neuesten Berechnungen für die Elbe-Region an. Das bedeutet hier zwei Grad Anstieg der mittleren Temperatur bis 2050, Rückgang der Niederschläge im Sommer. Die Mittelelbe, also auch unser Raum, werden besonderes schön warm, aber auch zu trocken. Hinzu kommt die Zunahme der heftigen Niederschläge. Die so genannten schönen Tage über 25 Grad mit viel Sonne nehmen zu, was den Tourismus-Sektor freuen dürfte. Es gibt eben auch positive Entwicklungen.
Zumindest für unsere Region.
Deutschland insgesamt kommt, wenn man die Welt betrachtet noch relativ günstig weg. Erstens können wir die Folgen wirtschaftlich besser abfedern, zum anderen werden in Westdeutschland voraussichtlich die Niederschläge zunehmen. Es gibt bei der Erwärmung immer Vor- und Nachteile. Nehmen Sie etwa die Weinproduktion: durch die Erwärmung dürfte die Qualität des deutschen Rieslings, der für seine typische Säure auf kalte Nächte angewiesen ist, leiden. Andererseits wird es dann aber möglich, Weinsorten aus Südeuropa bei uns zu kultivieren. Wir werden im Norden Deutschlands, auch hier in Brandenburg, für Wein gute Bedingungen erhalten. Ein anderes Thema sind beispielsweise die Flüsse: die Frage ist, ob sich der Ausbau lohnt, wenn man oft Niedrigwasser hat. Das wird dann kontraproduktiv.
Wo steht das Klima, ist es schon fünf nach zwölf?
Zurzeit noch nicht. Aber jede Region hat sich auf ein bestimmtes Klimaregime eingerichtet. Wenn ein Afrikaner jeden Tag 25 Grad erlebt, ist das kein Problem, er ist daran gewöhnt. Für uns wäre das ohne Unterbrechung eine Katastrophe. Bestimmte Regionen haben sich auf Bewässerung eingestellt, andere auf Entwässerung. Wenn sich das nun alles ändert, ist das mit Unannehmlichkeiten und finanziellem Aufwand verbunden. In der Regel ist dadurch das Risiko beim Klimawandel größer als die Chancen. Es geht nun darum, die Risiken zu minimieren, Chancen herauszuarbeiten und eine Anpassung zu erreichen. Das andere wichtige Ziel ist der Klimaschutz.
Können wir den Klimawandel noch in den Griff bekommen?
Den Klimawandel sofort nicht, da die Treibhausgase mehrere Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleiben. Sie wirken noch lange nach. Die Meere, ein wichtiger klimabestimmender Faktor, haben sich schon erwärmt und die sind sehr träge in ihrer Reaktion. Das Schiff, das nun fährt, ist nicht mehr so schnell zu bremsen. Es geht nun darum, drastische Änderungen zu minimieren und die Geschwindigkeit des Wandels abzubremsen. Dann haben wir mehr Möglichkeiten für Anpassung und CO2-Reduktion.
Wird denn dafür genug getan?
Man müsste die CO2-Emissionen sofort einstellen, damit der Wandel glimpflich abläuft. Das ist aber nicht machbar. Die Zwei-Grad-Grenze ist eher eine politische Marke. Ob Natur und Gesellschaft bei 1,6 Grad oder 2,5 Grad nicht mehr beherrschbar sind, weiß keiner so genau. Die Grenze wurde festgelegt, damit man ein Ziel vor Augen hat, ähnlich wie bei der Verkehrsregulierung. Es ist schwer zu sagen, ob wir mit dieser Grenze auskommen werden.
Aber es ist nicht alles verloren?
Fatalismus würde uns nicht weiterhelfen. Man kann immer etwas tun.
Inwiefern ist der Einzelne gefordert?
Es gibt erst einmal die globalen Maßnahmen, damit die Großemittenten mit ins Boot geholt werden. Das hat der G8-Gipfel gebracht, auch wenn die Einigungen zum Klima nicht das Gelbe vom Ei waren. Aber auch jede kleine Maßnahme jedes Einzelnen bringt eine Verzögerung im Klimawandel.
Was machen Sie persönlich?
Ich bin schon immer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, aber nicht unbedingt aus Gründen des Klimaschutzes, sondern weil ich so besser durch den Verkehr komme. Auch habe ich schon immer versucht, nicht als Energieverschwender zu leben.
Verzichten Sie nun auf Steaks, weil Rinder das Treibhausgas Methan produzieren?
Ich finde, man sollte nun nicht in Aktionismus verfallen. Man sollte vernünftig leben und Energie sparen, wo es einem möglich ist. Mir geht es auch um eine Schonung der Ressourcen. Denn Kohle, Öl und Gas sind in der chemischen Industrie viel wertvoller einzusetzen, als sie einfach zur Energie-Erzeugung zu verschwenden.
Müssten wir nicht schon längst drei Liter-Autos fahren und hohe Steuern für Benzinfresser haben?
Hier könnte die Politik tatsächlich mehr machen, es in die richtige Spur lenken. Aber man sollte nicht den so genannten kleinen Mann zuerst abkassieren, denn die Wohlhabenden interessieren Steuererhöhungen kaum. Es wäre falsch, Regelungen allein mit dem Benzinpreis durchzusetzen. Wir brauchen vor allem bezahlbare Angebote für sparsame PKW. Dann regelt es der Markt von selbst.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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