Sport: „Das Telefonbuch bietet Chancen, aber es ruft mich nicht an“
Die Liga empört sich über Bernd Schröder, der den Boom im Frauenfußball nach dem WM-Titel vermisst. Das Pokalspiel gerät dabei ins Hintertreffen.
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Die Liga empört sich über Bernd Schröder, der den Boom im Frauenfußball nach dem WM-Titel vermisst. Das Pokalspiel gerät dabei ins Hintertreffen. „Wenn wir im DFB-Pokalwettbewerb beim Hamburger SV am Sonntag im Viertelfinale ausscheiden, fehlen uns wichtige Gelder. Dann können wir den Laden dicht machen.“ Die Worte von Bernd Schröder, Trainer und Manager des Vizemeisters und Bundesligaspitzenreiters FFC Turbine Potsdam hallen nach. Eine direkt drohende Pleite gebe es zwar nicht, aber: „Nur mit dem Pokalgeld können wir unsere Ziele und Visionen fortsetzen.“ Am Sonntag trifft Turbine in Hamburg in eben diesem Wettbewerb auf einen alten Bekannten im Pokal: an der Alster scheiterte Schröders Mannschaft im Halbfinale vor zwei Jahren und im Vorjahr in Runde Eins. Hintergrund der Aussagen, die mit den Rücktrittsgedanken vor einer Woche begannen ist: ab dem Viertelfinale zahlt der DFB minimale Erfolgsprämien. Gut 50 000 Euro werden stets bei Erreichen des Endspiels an TV-Geldern garantiert. Schröder setzt auf diese Weise seine Mannschaft und das Vereinsumfeld unter Druck. „Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe“, erklärt er am Donnerstag nochmals. Das der Potsdamer Vereinsboss das kaufmännische Manko in seinem Verein mit dem Weltmeistertitel der Nationalelf und den daraus entstehenden positiven Signalen verknüpft, ärgert die Liga-Konkurrenz. Insbesondere Siegfried Dietrich, Intimfeind von Schröder sowie Manager bei Meister 1. FFC Frankfurt und Ligasprecher für den DFB: „So etwas ist äußerst ungeschickt in einer Zeit, wo jeder nach Leibeskräften und Fähigkeiten vom momentanen Boom profitieren kann. Man nimmt sich doch nicht freiwillig den Wind aus den Segeln.“ Schröder hatte kritisiert, das die WM-Spielerinnen zwar seit dem Titelgewinn Everybody’s Darling seien. „Doch außer warmen Worten und Schulterklopfen hat das nichts gebracht.“ Potsdam stellt immerhin mit Ariane Hingst, Viola Odebrecht, Conny Pohlers und Nadine Angerer vier Weltmeisterinnen, die laut Schröder einen Termin nach dem anderen haben. Doch sagt Potsdams Manager und Trainer auch: „Es besteht eine Riesendiskrepanz zwischen dem was das Team leistet und dem, wie uns das regionale Umfeld unterstützt.“ Der Frankfurter Dietrich sieht hier die Hauptursache des Problems: „Ich habe in Frankfurt für den Verein und die Spielerinnen von der WM sehr wohl profitieren können.“ Das Potsdamer Problem sei offenbar eines mangelnder Professionalität. „Möglicherweise ist der Verein nicht in der Lage, seine und die Erfolge der Spielerinnen so aufzubereiten, das sie nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung gefragt sind. Es geht hierbei um marktgerechtes Verkaufen, nicht um unterstützen. Betteln gehen hat noch nie viel geholfen. Nur marktgerechtes Anbieten und Verkaufen von Leistung und Gegenleistung lässt sich längerfristig ein Nutzen erzielen. Das Telefonbuch bietet Chancen, aber es ruft mich nicht an.“ Möglicherweise sei der Verein Turbine Potsdam, der als professionellster hinter Marktführer 1. FFC Frankfurt gilt, auch in der Personalstruktur an der Spitze überfordert. Mit Trainer und Manager in Personalunion könne es laut Dietrich auf dem jetzigen Niveau mittlerweile leicht zeitliche und fachliche Probleme geben. Ein „Mann für alles“ an der Spitze sei da möglicherweise überfordert und der Sache nicht mehr angemessen, meint der Liga-Sprecher. Das dürfe jedoch nicht dazu führen, das die Kritik aus Potsdam die Chancen der Liga untergrabe und ihr Schaden zufüge. Bernd Schröder wollte am Donnerstag nicht auf die Echos seiner Aussagen reagieren. „Kein Kommentar“, lautete die Antwort. Mit einem kleinen Verweis: „Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.“ Der Sport gerät dabei beinahe zur Nebensache. In Hamburg erwartet die Potsdamerinnen laut Schröder eine schwere Aufgaben. Verzichten muss er wahrscheinlich auf Ariane Hingst (Zerrung). Und verzichten will wahrscheinlich er auf seine ehrenamtliche Tätigkeit, wenn sich nichts ändert. rah/jab
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