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Landeshauptstadt: Das Theater am Rand der Republik
Seit 10 Jahren gibt es kurz vor Polen ein Mini-Theater – Ein Kleinod der brandenburgischen Kulturszene
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Zollbrücke - Diese „Randerscheinung“ erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit: An der östlichen Grenze der Republik, in dem aus nur einer Handvoll Häusern bestehenden Zollbrücke (Märkisch-Oderland), gelingt dem Musiker Tobias Morgenstern und dem Schauspieler Thomas Rühmann ein Kunststück. Sie wecken Begeisterung für ihr „Theater am Rand“, die Vorstellungen sind bestens besucht.
Drei Mal jährlich verschicken die Theatermacher je 3000 Programmhefte an ihre Fangemeinde. Die Theaterfreunde scheuen nicht einmal vor Vorstellungen zurück, die knapp vor Sonnenaufgang beginnen. So startete an einem Julimorgen um 3.14 Uhr das Stück „Vom Dunkel ins Helle“ mit musikalischen Improvisationen zum beginnenden Tag. „Es gehörte neben einer Lesung und einem Liederfest zu einer Veranstaltungsreihe, mit der wir in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen des Theaters gefeiert haben“, sagt Tobias Morgenstern.
Die Anfänge des Theaters liegen im ehemaligen Wohnzimmer des Fachwerkhauses des Musikers, das er sich einst gekauft hatte, um in Ruhe proben zu können. 1998 adaptierte er gemeinsam mit Thomas Rühmann, den er am Berliner Maxim-Gorki-Theater kennengelernt hatte, den Roman „Das grüne Akkordeon“ von Annie Proulx für die Bühne. Doch für das Stück mit dem Namen „Accordion mystery“ erhielt das Duo keine Aufführungsrechte. „Wir wollten es nicht umsonst einstudiert haben“, erinnert sich Tobias Morgenstern. Kurzerhand wurde das Wohnzimmer in Zollbrücke in eine Bühne verwandelt und Freunde eingeladen, für die sie das Stück in aller Abgeschiedenheit spielten.
Die Aufführungsrechte erhielten sie doch noch und das Theater entwickelte sich zum Selbstläufer. Weitere Bearbeitungen folgten, so beispielsweise „Im Spinnhaus“ von Kerstin Hensel oder „Siddhartha“ von Hermann Hesse. Etwa alle zwei Wochen stehen die beiden Theatergründer selbst auf der Bühne. Während Rühmann sein Geld als TV-Darsteller in der Serie „In aller Freundschaft“ verdient, arbeitet Morgenstern als Musiker, Komponist und Produzent. Regelmäßig gastieren auch Künstlerkollegen in Zollbrücke. Spielpause ist nur im Januar.
Mit dem Repertoire wuchs auch die Bühne. Statt im Wohnzimmer wird heute in einem Theater gespielt, einer Holz-Stahlkonstruktion für 200 Zuschauer. Im Sommer bieten die neu errichtete Freilichtbühne und die natürliche Umgebung eine perfekte Kombination von Natur und Schauspiel. Feste Eintrittspreise gibt es nicht. Jeder zahlt das, was ihm die Aufführung wert war. „Eintritt bei Austritt“, lautet das Motto. „Der Erfolg liegt darin, dass wir das machen können, was wir für richtig halten und uns zu den wichtigen Fragen der heutigen Zeit äußern“, sagt Morgenstern.
In ihrer Reihe „Randthemen“ wurden bereits diverse Umweltfragen diskutiert. Ökologie wird in Zollbrücke auch gelebt. Kekse und Käsebrote für die Verköstigung der Zuschauer kommen aus der Region.
Ein langfristiges Ziel sei die eigenständige Energieversorgung des Ortes, sagt Morgenstern. Bis dahin übt man sich schon mal in Abwasservermeidung. Zunächst erhält das Theater Trockentoiletten. „Die Natur kennt keine Abfälle“ hieß die Veranstaltung dazu am 20. November. Weiter geht es mit einem Advents- und Weihnachtsprogramm. Gute Chancen auf Theaterkarten bestehen noch im November. Der Dezember ist so gut wie ausgebucht. Neuerdings kommen auch Kinofreunde auf ihre Kosten. Das „Kino am Rand“ ist allerdings noch eine Randerscheinung. Anja Sokolow
Anja SokolowD
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