
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Das Umland kauft in Potsdam ein
Der Handelsstandort lockt immer mehr Kunden von auswärts an. Viele neue Läden eröffnen demnächst
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Für Wolfgang Cornelius ist er der „heißeste Einzelhandelsstandort Deutschlands“ – Berlin. Doch nun hat Potsdam beim Konsumverhalten sogar die stets übermächtig erscheinende Bundeshauptstadt hinter sich gelassen. Die Trendwende, sagt der Vorsitzende der Händlergemeinschaft AG Innenstadt erleichtert, sei nun geschafft.
Der Grund für Cornelius’ Jubel findet sich im Zwischenbericht des neuen Einzelhandelskonzepts der Landeshauptstadt. Dort steht eine Zahl, die die Herzen der Einzelhändler höher schlagen lässt: Die sogenannte Zentralitätskennziffer für Potsdam ist auf 108 Prozent gestiegen. In Berlin liegt sie knapp dahinter, bei 106. Die Kennziffer gibt das Verhältnis aus dem Umsatz des Einzelhandels und der vor Ort vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft an. Liegt sie über 100 Prozent, strömt Geld in die Stadt, sie zieht Kaufkraft aus dem Umland ab. Und das war zwei Jahrzehnte lang nicht der Fall. „Die Nähe zu Berlin hat uns lange zu schaffen gemacht“, sagte Cornelius. Deshalb sei dem Handel in Potsdam viel Umsatz entgangen. Mittlerweile hat sich das Missverhältnis ausgeglichen. Immer mehr Berliner kommen zum Einkaufen nach Potsdam. „Hier macht es mehr Spaß“, sagte Cornelius. Die historische Innenstadt habe eben auch Flair. Dazu trage auch die Werbesatzung bei, die den Geschäften in der Innenstadt keine riesigen Firmenschilder erlaube.
Ein weiterer Grund liegt in der gestiegenen Attraktivität der Geschäfte: War die Brandenburger Straße noch vor zehn Jahren von Ramschläden und Leerstand geprägt, finden sich dort nun hochwertige Läden und Handelsketten. Und der Potsdamer Wachstumsboom zieht weitere Handelshochkaräter an (siehe Kasten).
So ist man auch im Rathaus mit der Entwicklung des Einzelhandels zufrieden. „Der Trend ist da“, so Wirtschaftförderer Stefan Frerichs. Einen wesentlichen Beitrag zur positiven Entwicklung habe in den vergangenen Jahren auch der Tourismus geleistet. „Potsdam wird als Stadt selbst ein Reiseziel. Nicht mehr nur die Schlösser“, sagte Frerichs. Im vergangen Jahr hatte Potsdam Rekorde bei den Tagesbesuchern und erstmals mehr als ein Million Übernachtungen verzeichnet.
Neben dem Zustrom von außerhalb profitiert der Handel auch von der hohen Kaufkraft der Potsdamer. Von 2008 bis 2012 ist sie pro Einwohner um 2041 Euro gestiegen – und damit schneller als bundesweit. Zwar liegt die Kaufkraft in Potsdam immer noch unter dem bundesweiten Durchschnitt, aber der Abstand hat sich von 1200 auf 439 Euro verringert, wie aus dem statistischen Jahresbericht der Stadt hervorgeht.
Dennoch sieht Cornelius noch Potenzial nach oben: Im Lebensmittelhandel fließe nach wie vor Kaufkraft ab. „Discounter allein bringen uns nicht weiter“, so Cornelius. Außerdem fehle in der Stadt ein großes Schuhgeschäft mit einem breiten Sortiment. In der Innenstadt sei um den Bassinplatz noch einiges zu verbessern. „Dort sieht es etwas stiefmütterlich aus“, sagte er.
Schattenseiten gibt es auch: Die gute Geschäftsentwicklung treibt die Mieten nach oben. Ende September hat deshalb das Bekleidungsgeschäft „Block for Men“ in der Brandenburger Straße dichtgemacht. Um ein Drittel wollte der Vermieter die Miete erhöhen. „95 Euro pro Quadratmeter – das kann man nicht mehr erwirtschaften“, so Inhaber Hans-Joachim Block. Zuletzt sei auch der Umsatz zurückgegangen. Ursache ist nach Blocks Ansicht ein lang anhaltender Räumungsverkauf bei Karstadt und die Verkehrsprobleme. Viele Kunden von außerhalb seien wegen der vielen Staus nicht mehr gekommen.
Die Mietentwicklung betrachtet auch Frerichs mit Sorge. Man versuche bei den Vermietern darauf hinzuwirken, dass auf langfristige, solide Verträge gesetzt werde statt auf schnelle Steigerungen. Für Cornelius sind steigende Mieten indes die Folge der guten Entwicklung. „Wenn die Geschäfte schlecht laufen würden, wären auch die Mieten niedrig.“
NEUE GESCHÄFTE
Sichtbar wird die gute Entwicklung des Einzelhandels noch in diesem Jahr werden: Sowohl in der Innenstadt als auch in den Bahnhofspassagen stehen zahlreiche Geschäftseröffnungen bevor. In der Brandenburger Straße wird C&A, Europas größte Ladenkette für Bekleidung, eine Filiale eröffnen. Im Luisenforum zwischen Brandenburger-, Charlotten- und Hermann-Elflein- Straße entsteht damit nach Karstadt das zweitgrößte Potsdamer Kaufhaus. Sieben Millionen Euro investiert die Deutsche Gewerbehaus AG. C&A, das sich im Besitz der niederländischen Familie Brenninkmeijer befindet, wird 1400 Quadratmeter Verkaufsfläche mieten. Bereits eröffnet hat das Modegeschäft Le Chic in der Friedrich-Ebert-Straße. Noch vor dem Weihnachtsgeschäft soll die Niederlassung des Elektronikmarkts Saturn in den Bahnhofspassagen eröffnen. Einen offiziellen Termin gibt es noch nicht. Schon am kommenden Donnerstag hingegen öffnen Filialen des Schuhmarktes Deichmann und der Bekleidungskette Tom Tailor ihre Türen im Bahnhof. Dekorationsartikel und Wohnraumaccessoires soll es ab November bei Depot geben. Am 7. November eröffnet Douglas seine Filiale. Zuletzt hatten hier Nanu Nana, Vero Moda, Hussel und Claire’s Filialen eröffnet. (mar)
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