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Landeshauptstadt: „Das Wahlvolk ist frei in seiner Entscheidung“

Brandenburgs Stasi-Beauftragte Ulrike Poppe zur Kandidatur des Ex-Stasi-IMs Hans-Jürgen Scharfenberg

Stand:

Ist die auf Landesebene gefundene Norm „Kein Ex-IM als Minister“ auch auf das Potsdamer Oberbürgermeisteramt anzuwenden?

Ein Oberbürgermeister wird gewählt, ein Minister nicht. Das heißt, es obliegt allein einer mehrheitlichen Entscheidung der Potsdamer Wählerinnen und Wähler, ob ihre Stadt von einem Oberbürgermeister mit Stasi-Vergangenheit regiert werden wird. Einem ehemaligen IM kann das passive Wahlrecht nicht abgesprochen werden und das Wahlvolk ist selbstverständlich frei in seiner Entscheidung.

Was könnte ein Ex-IM als OB für die Gedenkstätte Lindenstraße 54 bedeuten?

Die Besorgnis, welche aus dieser Frage herausklingt, kann ich nachvollziehen. Aus Berliner Erfahrung aber weiß ich, dass dort gerade die Linke darauf achtet, keinen Anlass zu bieten, als Aufarbeitungsverhinderer kritisiert zu werden. Ich hoffe auch für Potsdam, dass die Gedenkstätten durch die Politik ausreichend unterstützt werden, wie immer auch die Wahl ausgehen wird.

Werden sich Opfer der Stasi durch einen Ex-IM als Oberbürgermeister vom Lauf der Geschichte verhöhnt fühlen?

Auf jeden Fall! Viele Menschen, die zu DDR-Zeiten unter politischer Verfolgung gelitten haben, sind enttäuscht und verbittert, wenn die ehemaligen Stützen der SED-Diktatur erneut in Machtpositionen kommen. Das hat nichts mit einem Wunsch nach Rache oder Bestrafung zutun. Sondern da kommen alte Ängste wieder hoch, da werden Zweifel laut, ob die Alt-Kader oder IMs wirklich inzwischen ein demokratisches Grundverständnis erworben haben. Manche befürchten, dass die damaligen Funktionsträger ihre alten Seilschaften nachziehen.

Ist das überhaupt noch ein Thema, Stasi hin, Stasi her? Viele Leute sagen ja, sie können es nicht mehr hören  

Das kann ich gut verstehen. Bisher ist die Aufarbeitung auch zu sehr auf das Stasi-Thema focussiert worden. Dabei war das Ministerium für Staatssicherheit doch lediglich „Schild und Schwert“ der Partei. Ich möchte darauf hinwirken, dass das damalige System als Ganzes in Blick genommen wird und die Auseinandersetzung vor allem über Mechanismen von Herrschaft, Unterdrückung und Widerstand geführt wird, wie auch über die Bewertung von Verhaltensweisen im Lebensalltag in Bezug zu heutigen Herausforderungen für eine verantwortliche, demokratische Mitgestaltung der Politik.

Die Fragen stellte Guido Berg

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