
© Manfred Thomas
Von Henri Kramer: Das Waschhaus als Job-Basar
Die „Jobinale“ in Potsdam – eine Messe, die sich um ein Zeichen gegen sinkende Azubi-Zahlen bemüht
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Berliner Vorstadt - Obwohl Marlene Nadler noch in der Ausbildung ist, dauert ihr Arbeitstag manchmal 13 Stunden – und sie fühlt sich nicht einmal unglücklich damit. „Das ist egal, wenn man etwas gern macht.“ Die 20-Jährige sagt diesen Satz in ein Mikrofon, so dass ihn jeder in der Waschhaus-Arena hören kann. Sie lernt den Beruf der Mediengestalterin für Bild und Ton in Babelsberg, gestern am frühen Nachmittag hat sie darüber vor anderen Jugendlichen gesprochen – als eine Art Vorbild für die Besucher der zweiten „Jobinale“ in Potsdam, einer der größten Jobmessen in der Region.
Sechs Stunden dauert der Markt für Ausbildungsstellen und Jobs, bei dem rund 50 Stände potenzielle Bewerber anziehen sollen. Dazu kommen Sonderaktionen wie Preisrätsel oder ein kostenloser Haarschnitt von angehenden Frisörinnen. Oder das Angebot, welches Marlene Nadler betreut: Sie fotografiert jeden Besucher vor einer blauen Wand, Bilder für die nächste Bewerbungsmappe. „Ich mache alles gern“, sagt sie über ihren Beruf, in dem sie sonst Filme dreht, schneidet und produziert. „Spannend und abwechslungsreich“ findet die junge Frau diese Tätigkeiten. Eloquent gibt sie sich dazu. „Marlene, so wie die Dietrich“, lautet prompt die Antwort auf die Frage nach dem Namen.
Diese Art des locker-souveränen Umgangs mit Menschen erhofft sich Holger Lippisch öfter. Er steht im Waschhaus für den Verein Dachdeckerhandwerk e.V. und kennt die Lage am Ausbildungsmarkt. „Es gibt zwar noch reichlich Bewerber, aber nicht jeder bringt die nötigen Voraussetzungen für eine Lehrstelle mit“, sagt Lippisch. So müsse ein Handwerker auch rechnen und lesen können, statt nur praktische Handgriffe zu beherrschen – und Menschen in diesem Beruf sollten zumindest so gewandt und annehmbar im Umgang mit Kunden sein, dass „die Leute sie auch auf ihr Grundstück lassen.“
Doch Misstöne wie diese sind bei der „Jobinale“ nur selten zu hören, positives Denken ist die Nachricht des Tages. Und wenn dabei auch manches Diskussions-Angebot allzu bemüht jugendlich wirkt („Ausbildung: uncool oder krass?) – es ist zumindest zu spüren, dass hier Jugendliche motiviert werden sollen. Und sei es mit einem Check, was an der Bewerbungsmappe noch besser werden kann.
Das Engagement um junge Azubis kommt nicht von ungefähr. Denn gerade in Potsdam und Umgebung bricht in diesem Jahr die Zahl der Bewerber spürbar ein, der Geburtenknick nach 1990 herum ist schuld. In der Region Potsdam sind laut Arbeitsagentur noch 721 Stellen frei bei 565 Bewerbern. Im vergangenen Jahr waren zu dieser Zeit noch 640 Plätze zu vergeben – bei 718 Bewerbern. „Potsdam sticht da besonders heraus“, sagt Isabell Wolling von der Agentur für Arbeit.
Insofern ist sie denn auch zufrieden mit der Resonanz auf das Treffen: 1500 gezählte Besucher, 1660 Gespräche an Ständen – und knapp 200 vereinbarte Vorgespräche für Ausbildungsplätze und Jobs sowie 12 unterschriftsreife Arbeitsverträge. Gerade diese jungen Arbeitnehmer in spe dürften das Waschhaus demnächst nicht mehr nur als Partyschuppen sehen.
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