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Drei hier, zwei dort. Martina Berger, Paulo Ruhrländer und Tobias Lohse (v.l.) arbeiten in ihrem „Startbüro“ in der Marlene-Dietrich-Halle auf dem Gelände von Studio Babelsberg, die Kollegen Jean David Herld und Jannis Funk sitzen in London beziehungsweise Los Angeles.

© Andreas Klaer

Start-up aus Babelsberg: Das Wesen des Kinobesuchers

Das Babelsberger Start-up „Greenlight Analytics“ sammelt und vermarktet Daten für die Filmbranche.

Stand:

Wer schaut sich diesen Film an? Welche Schauspieler sind besonders beliebt? Sind Komödien erfolgreicher als Tragödien? Und wovon hängt es ab, ob ich heute vor dem Fernseher auf der Couch bleibe oder doch lieber ins Kino gehe?

Martina Berger weiß: Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen sind ein wertvolles Gut. Sie sind die Grundlage dafür, ob ein Film wirtschaftlich erfolgreich ist, ob er die Produktionskosten einspielt, von den Filmverleihern ins Sortiment genommen und von den Kinobetreibern ins Kino gebracht wird. Und ob er letztlich auf der Leinwand vor den Kinobesuchern erscheint. Mit vier weiteren Partnern gründete Martina Berger deshalb das Start-up „Greenlight Analytics“, um diese Daten jenen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen: den Kinobetreibern und Filmverleihern.

„Streamingdienste wie Netflix oder Amazon wissen genau, wer sich welchen Film anschaut, wo er ihn unterbricht, wann er ihn fortsetzt und welche Vorlieben er hat“, erklärt die Jungunternehmerin und Absolventin der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“. Die Unmengen an Daten, die hierbei entstehen – sogenannte Big Data – werten die Anbieter aus, um sie etwa für personalisierte Werbung oder die Produktion eigener Serien und Filme zu nutzen. „Damit haben die Video-on-Demand-Anbieter einen Vorteil gegenüber klassischen Filmproduzenten“, so Berger. Sie weiß, wovon sie redet: Schließlich hat sie Filmproduktion und Filmmarketing studiert.

Die Entwicklung bereitet der Kinobranche große Probleme: Die jüngeren Kinobesucher bleiben weg, die Unsicherheit auf dem Markt ist groß, die Branche ist im Umbruch. „Es sind neue Angebote notwendig, um diesen Trend zu stoppen“, so Berger. „Langfristig wird sich etwas ändern müssen.“

Seit mehr als einem Jahr tüfteln die Unternehmer von „Greenlight Analytics“ nun an Ideen, um mithilfe von Data Science marktrelevante Daten zu sammeln, aufzubereiten und für die Filmbranche verfügbar zu machen. Die erforderlichen Daten erhält das junge Unternehmen hauptsächlich über Umfragen und einer Onlineanwendung für Filmliebhaber. „Wir gehen direkt in die Kinos und befragen die Besucher“, erklärt Martina Berger. Derzeit sei man noch in der Konzeptphase, betont sie. In Gesprächen mit Verleihern und Kinobetreibern ermitteln die Gründer, welche Probleme es vorrangig gibt und welche man mit Daten lösen kann. Die Absicht sei ein gezielteres Marketing, auch für kleinere Filme, so Berger.

Für ein Jahr hat „Greenlight Analytics“ nun seinen Sitz in einem Büro in der Marlene-Dietrich-Halle auf dem Gelände von Studio Babelsberg. Möglich machte dies das „Startbüro Babelsberg“ – eine Initiative der Filmuni, des Medienboards Berlin-Brandenburg, der ILB und des Studios Babelsberg, die seit 2015 erfolgversprechende Projekte von Absolventen der Filmuni unterstützt. „Greenlight Analytics“ erhält speziell für den Aufbau einer deutschen Filmdatenbank, die umfangreiche Daten über Filme zentral speichern und für die Forschung zugänglich machen soll, eine finanzielle Förderung von 10 000 Euro, den Büroplatz inklusive der laufenden Kosten und Beratungen durch erfahrene Mentoren. Außerdem wird das Start-up vom Exist-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert.

„Bevor wir dieses Büro hatten, haben wir uns zum Arbeiten in unseren Wohnzimmern, in Seminarräumen der Uni oder in verschiedenen Coworking Spaces in Berlin zusammengefunden“, erzählt Martina Berger. „Jeden Abend haben wir telefoniert: Wo treffen wir uns morgen?“ Nun treffe man sich morgens natürlich in Babelsberg – eine gewisse Routine entstehe dadurch, was die Arbeit enorm erleichtere.

Das Team von „Greenlight Analytics“ ist breit aufgestellt. Neben der Marketingexpertin Martina Berger sorgen die Informatiker Paulo Ruhrländer und Tobias Lohse für die Entwicklung und Umsetzung der Produkte und Modelle, mit denen die Daten analysiert und aufbereitet werden. Von London aus hat Jean David Herld die Buchhaltung und die Finanzen im Blick, der Initiator und Ideengeber Jannis Funk – ebenfalls Absolvent der Filmuni – arbeitet von Los Angeles aus, wo er derzeit zum Thema „Big Data“ promoviert. „Wir arbeiten im Prinzip in einer Tag- und einer Nachtschicht“, sagt Martina Berger lachend.

So unterschiedlich die beruflichen Hintergründe der fünf Partner von „Greenlight Analytics“ sind, eines eint sie: „Wir sind alle Kinoliebhaber“, sagt Berger. „Das verbindet uns und gleicht unsere unterschiedlichen Hintergründe aus.“ Und auch ein großes gemeinsames Ziel haben die fünf Jungunternehmer: In einigen Jahren wollen sie in einem „ähnlich schönen Büro“ sitzen, in einem größeren Team arbeiten und die Anlaufstelle für Data Science in der Filmbranche sein.

Heike Kampe

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