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Kein holländisches Blumenstillleben: Hans Blom, geboren im niederländischen Zandvoort, ist seit einem Jahr Gastprofessor für Kulturgeschichte an der Universität Potsdam. Er meint, seine Landsleute hätten ein positiveres Bild der Deutschen als vor 20 Jahren.

© A. Klaer

Niederlande - Deutschland: David und Goliath als gute Nachbarn

Hans Blom, holländischer Gastprofessor an der Uni Potsdam, vor EM-Spiel: „Das Bild von den Deutschen hat sich in den Niederlanden sehr gebessert“

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Vor dem EM-Spiel am heutigen Mittwochabend kursiert in den Niederlanden ein Witz über das Verhältnis zu den Deutschen: „Wir haben Angst, dass Oranje nicht aggressiv genug spielt – schließlich hat nur Mark van Bommel noch beim Krieg mitgemacht.“

Hans Blom, Gastprofessor für Kulturgeschichte an der Uni Potsdam und Niederländer, erklärt, in den letzten 20 Jahren habe sich das Bild vom Deutschen in seiner Heimat sehr zum positiven gewendet. So zeige der Scherz über den holländischen Kapitän van Bommel, aus der Bundesliga als Raubein bekannt und ältester Spieler der Mannschaft, dass heute nicht mit hässlichen Szenen wie der legendären Spuckattacke von Frank Rijkaard auf Rudi Völler 1990 zu rechnen ist. „Damals gab es neben der Rivalität, die zum Sport gehört, und dem Gefühl eines Duells von David gegen Goliath ein großes Problem – die Beziehungen beider Länder hatten sich in der Nachkriegszeit nie wirklich verbessert“, so Blom. Vor allem Jugendliche und ältere Leute hätten dem großen Nachbarn ablehnend gegenüber gestanden. Dank intensiver Aufklärungsarbeit und dem „sehr aktiven Deutschland-Institut in Amsterdam“, wie der Kulturgeschichtsprofessor bemerkt, dächten heute 80 Prozent der Niederländer über die Deutschen wie Landsleute.

Blom, der in seiner Kindheit selbst erlebte, wie deutsche Touristen während der Ferien die Urlaubsgegenden an der Nordsee bevölkerten und auf wenig Gegenliebe stießen, freut das: „Deutschland ist unser wichtigster ökonomischer Partner und Nachbar.“ Umgekehrt mangele es in Deutschland an Wissen über die Niederlande, prägten Ignoranz und Klischees das Bild. Das sei schade, denn als Nachbarn könnten beide Nationen viel voneinander lernen.

Doch Blom gibt zu, dass manche Klischees recht realitätsnah seien: Nach der Niederlage gegen Dänemark am Samstag hätten viele Landsleute gesagt, wenn wir schon verlieren, dann wenigstens mit dem schöneren Fußball. Die Vorliebe für das attraktive Spiel lasse im Tulpenland auch die Sympathie für die Deutschen wachsen. „Bei der Weltmeisterschaft 2006 unterstützten viele Holländer, nachdem wir ausgeschieden waren, das deutsche Team – sie fanden es besser als italienischen Catenaccio“, berichtet Blom. Aktuell könne Bondscoach – wie die Holländer ihren Trainer nennen – Bert van Marwijk in einem „Land mit zehn Millionen Nationaltrainern“ erstaunlich ruhig arbeiten. Nicht mal Johan Cruyff, die Fußballikone der Niederländer, habe vor der EM große Kritik geübt. Die Begeisterung sei grenzenlos: „Wie immer zu Turnieren fühlt es sich an, als ob drei Wochen Ferien sind – ganze Straßen sind orange geschmückt und mit Fahnen behängt“, so Blom. Er selbst kann den Trubel nicht verstehen: „Ballett ist auch schön, aber nicht so teuer.“ Ihn stören die riesigen Geldsummen im Profifußball: Die Spieler des Oranje-Teams hätten einen Marktwert von 280 Millionen Euro. Blom, der seit einem Jahr in Potsdam lehrt, hat andere Hobbys wie Musik, Rudern oder Spaziergänge mit der Familie. Einen Tipp für die heutige Partie wagt er nicht: „Das ist zu gefährlich: Beide Seiten können das Spiel in letzter Sekunde entscheiden.“ hma

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