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Landeshauptstadt: „DDR-Produktkultur wird unterschätzt“

Der Designexperte Günter Höhne, der am Freitag einen Vortrag bei den Designtagen hält, über die ostdeutschen Klassiker aus Potsdam und den bleibenden Wert mancher DDR-Produkte

Stand:

Herr Höhne, beim Thema DDR-Design denken die meisten wohl eher an schlichte oder gar hässliche Formen als an Schönheit.

In der Tat gab es deutliche Unterschiede zwischen dem DDR-Design und dem zeitgenössischen Design in anderen Ländern. Die Industrieproduktkultur – ich mag das Wort lieber als Design – der DDR war Beschränkungen unterworfen, vor allem was Rohstoffe und Technologien anging. Das hatte aber auch einen Vorteil: Die Designer überlegten sehr genau, wie ein Produkt beschaffen sein musste, damit es möglichst lange hielt. Die einfache Bauweise erleichterte außerdem auch Reparaturen in Heimarbeit – etwas, das wegen der komplizierten Elektronik in vielen Produkten kaum noch möglich ist.

Haben Sie ein Lieblingsobjekt?

Da gibt es mehrere. Ich lebe zu Hause mit vielen Sachen, die aus DDR-Zeiten stammen. Zum Beispiel benutzen wir „Superfest“-Gläser, die heute gar nicht mehr hergestellt werden. Hergestellt wurden sie im VEB Sachsenglas Schwepnitz und waren vor allem als stapelbare Gläser für die Gastronomie gedacht. Ein Klassiker ist auch das Küchenrührgerät RG 28, das praktisch in jedem Haushalt zu finden war. Wir verwenden es auch immer noch. Weil es so robust ist, wird es immer noch hoch gehandelt. Bei Internetauktionen müssen Sie für ein RG 28 genauso viel bezahlen wie für ein neues Rührgerät eines Markenherstellers.

Hat Potsdam etwas zum DDR-Design beigetragen?

Das Potsdamer Designstück schlechthin ist mit Sicherheit der freischwingende Club-Ledersessel auf Bandstahlgestell, den die Potsdamer Firma Röhl von Mitte der 60er- bis Mitte der 70er-Jahre hergestellt hat. Er ist eine Weiterentwicklung des Designklassikers „Barcelona-Chair“, den Ludwig Mies van der Rohe entworfen hatte. Allerdings wurde der Potsdamer Sessel fast ausschließlich für das westliche Ausland produziert, vor allem große Hotels in Skandinavien wurden damit ausgestattet. In der DDR standen solche Stühle lediglich beim ZK der SED – aus deren Beständen habe ich übrigens auch meinen eigenen ersteigert. Die Sessel sind auch heute noch heiß begehrt. Die Startangebote für einen Freischwingerstuhl von Röhl bei Auktionen beginnen alle mindestens bei 2000 Euro.

Gibt es weitere Potsdam-Klassiker?

Ja, ein weiterer Klassiker ist die Topfserie „Vom Herd zum Tisch“, die in den 60er-Jahren in Zusammenarbeit mit dem damaligen Zentralinstitut für Ernährung in Bergholz-Rehbrücke entwickelt wurde. Das Institut erforschte für die Designerin die optimalen Wärmeflüsse in Kochtöpfen. Die Serie war ein absoluter Verkaufshammer: Die Töpfe waren nämlich so schön, dass sie auch als Serviergefäße dienen konnten – daher auch der Name „Vom Herd zum Tisch“.

Gab es auch namhafte Designer, die aus Potsdam kamen?

Ein Beispiel gibt es: Jürgen Peters. Der hat zwar am Berliner Zentralinstitut für Gestaltung als Designer gearbeitet, war aber in Babelsberg quasi externer „Hausdesigner“ beim VEB Lokomotivbau „Karl Marx“. Dort entwarf Peters 1963/64 eine Streckendiesellokomotive für den mittleren Dienst, die Baureihe V 100 der Deutschen Reichsbahn, die im VEB Lokomotivbau – Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ in Hennigsdorf hergestellt wurde. Sie ist übrigens immer noch in Betrieb. Davon abgesehen: Eine Ausbildung zum Designer fand zu DDR-Zeiten in Potsdam nicht statt. Die wurde erst nach der Wende an der Fachhochschule etabliert. Ich habe dort übrigens selbst zahlreiche Vorlesungen gehalten.

Hat DDR-Design in der Bundesrepublik noch irgendwo überlebt?

Mein liebstes Beispiel ist der Multicar, die viele noch unter der Bezeichnung Dieselameise kennen. Der kleine Spezialtransporter wird immer noch in vielen Kommunen eingesetzt, auch in Brandenburg. Die Firma in Waltershausen existiert immer noch. Auch Spielzeugfirmen und die Omega-Staubsauger haben die Wende überlebt. Davon abgesehen gibt es nur noch wenig.

Schmerzt Sie das?

Das wäre zu viel gesagt. Doch wird die Produktkultur der DDR noch häufig unterschätzt. Experten sprechen hingegen oft mit Hochachtung von dem, was DDR-Designer aus dem bescheidenen Material gemacht haben. Es wird Zeit für einen unverkrampfteren Umgang mit dem Thema. In Übersee hat man das Potenzial früher erkannt. In San Francisco etwa gibt es ein Wendemuseum, das auch genau so heißt. Dort sind Zehntausende Objekte nicht nur der DDR-Alltagskultur ausgestellt, sondern auch aus anderen Ländern Osteuropas – und zwar völlig ideologiefrei. In Deutschland hat man oft das Gefühl, man muss sich entschuldigen, wenn man sich mit einem solchen Thema beschäftigt.

Die Fragen stellte Peer Straube.

Günter Höhne hält am Freitag um 20.30 Uhr im T-Werk in der Schiffbauergasse einen Vortrag mit dem Titel „Langlebigkeit contra Wegwerfkultur - Ostdeutsches Design und heutige Produkte im Vergleich“. Der Eintritt kostet 4 Euro.

Günter Höhne wurde 1943 in Zwickau geboren und ist Experte für ostdeutsches Design. Seine Sammlung mit Tausenden Objekten hat er der Pinakothek der Moderne in München vermacht.

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