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Landeshauptstadt: Debatte um den Landtagsneubau am Alten Markt

„Stadt kippt Landtagsneubau“,Das Besondere besteht darin, dass in einem Gemeinwesen bei Sach-Entscheidungen geheim abgestimmt wird. Wozu?

Stand:

„Stadt kippt Landtagsneubau“,

Das Besondere besteht darin, dass in einem Gemeinwesen bei Sach-Entscheidungen geheim abgestimmt wird. Wozu? Bei einem vergleichbaren Fall einer geheimen Wahl im Parlament – also einer Personal-Entscheidung – hatte ein deutsches Verfassungsgericht mit Kritik an den Fraktionen reagiert, weil die vorherige Verständigung bezüglich der durchgängig akzeptablen Kandidaten unzureichend gewesen sei. Vielleicht war es für manchen nur ein Fehlversuch? Lassen wir doch den unverdächtigen Märker Karl Friedrich Schinkel zu Wort kommen, der da meint: „Jede Hauptzeit hat ihren Stil hinterlassen in der Baukunst – warum wollen wir nicht versuchen, ob sich nicht auch für die unsrige ein Stil auffinden lässt? Warum sollen wir immer nur nach einem Stil einer anderen Zeit bauen?“ Dass dabei noch genügend Platz für die Achtung unserer Vorfahren bleibt, unterstreicht Professor Dorgerloh mit dem Hinweis auf die Authentizität der Gebäude um den Alten Markt: Das Alte Rathaus, die Nikolai-Kirche, der Marstall. Diese mussten alle zweckbedingte Veränderungen im Innern erfahren, ohne dass sie an kulturhistorischer Bedeutung verloren haben. Der Wechsel des Souveräns bedinge ebenso eine Änderung des Entscheidungshintergrundes, so dass auch heute zweckgebunden entschieden werden müsse. Deshalb gehöre auf den Alten Markt kein barockes Schloss, sondern ein funktionstüchtiges Gebäude für den Landtag. Die Stadt habe wohl die letzte Chance zur Gestaltung ihrer Mitte. Dazu sei weder eine Deckungsgleichheit des neuen Grundrisses mit dem ehemaligen nötig, noch müsse man auf die vorhandenen Stücke bei der Fassade verzichten, so der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Vielleicht kann dieses Zitat neben der Erinnerung an die unmissverständliche gemeinsamen Orientierung der Stadtvertreter in der Zeit unmittelbar nach dem Mauerfall dem einen oder der anderen Stadtverordneten helfen, die eigene argumentative Basis zu stabilisieren. Es würde Potsdam zu Vorteil gereichen.

Herbert Knoblich, ehemaliger Landtags-Präsident

Vorbereitung für Investorenwettbewerb?

Auf einen modernen Klotz, wie ihn der abgelehnte Bebauungsplan ermöglicht hätte, kann Potsdam gut verzichten. Was haben die Verantwortlichen getan, um die Stadtverordnetenversammlung für das Projekt zu gewinnen? Finanzminister Speer diffamierte den historischen Wiederaufbau als „Landtagsschloss“. So macht man Stimmung und bereitet das Feld für einen Neubau aufgrund eines "“Investorenwettbewerbs“ vor.

Anna Lechner, Potsdam

Aktionsbündnis begrüßt Beschluss

Das Potsdamer Aktionsbündnis gegen Hartz IV und Sozialraub spricht sich für den SVV-Beschluss aus. Wir erwarten und verlangen von den verantwortlichen Politikern, dass diese ab sofort den sozial benachteiligten Bürgern mehr Aufmerksamkeit widmen, besonders den 10 000 Arbeitslosen. Für uns ist es unverständlich und nicht hinnehmbar, dass sich die SPD-geführte Landesregierung in SPD-regierter Stadt ein Schloss zum Regieren bauen wollte – mit den Steuergeldern des Volkes. Wir sind nicht gegen eine kulturvolle Stadtmitte. Aber wir verlangen, dass in dieser Stadt die Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, nicht aber ein Verwaltungsgebäude, das an Wochenende und Feiertagen leer steht.

Donald Gärtner, Horst Jäkel, PAB gegen Hartz IV

Ein dritter Anlauf muss möglich sein

Das Nein ist ein Eklat für die Stadt und ein Armutszeugnis für die Volksvertreter selber – hatten sie doch in der Vergangenheit den Wiederaufbau beschlossen. Für mich sind die umstrittenen baulichen Details sowie die persönlichen Befindlichkeiten einzelner Abgeordneten von SPD, CDU und Grünen nicht nachvollziehbar. Ich kann nicht verstehen, dass deshalb das Gesamtvorhaben scheitern soll. Dass Genosse Scharfenberg und seine PDS-Fraktion mit „Nein“ stimmen würden, war bekannt. Ihrer Verantwortung für die Identität und Zukunft der Stadt sind sie damit nicht gerecht geworden. Aber viel schlimmer ist, dass einige Abgeordnete der anderen Parteien das „Nein“ ermöglichten. Bei einem dritten Anlauf, der möglich sein muss, sollten vorher alle Einwände und Widersprüche geklärt werden, auch die Übereinstimmung mit dem Landtag und der Landesregierung. Das Schweigen unseres Ministerpräsidenten in dieser kritischen Zeit war für mich sehr enttäuschend.

Dr. Helmut Ritschel, Potsdam

Das „Loch der Mitte“

Bravo, Herr Scharfenberg und Genossen, Sie werden in die Geschichte eingehen! Sie haben es durch ihre Stimmen-Blockade wirklich geschafft, den Parlamentsneubau im Gewand des Stadtschlosses zu verhindern! Eine Katastrophe für die Kulturstadt Potsdam. Abgesehen vom nicht mehr gutzumachenden Imageschaden für Potsdam. Aber welch eine provinzielle, kleinkarierte und zudem kurzsichtige Denkweise steckt dahinter? Damit ist die Chance vertan worden, die historische Mitte als barockes Kleinod zurückzugewinnen. Finanzielle Mittel waren abrufbereit, Investoren sowie namhafte Persönlichkeiten setzten sich für das Projekt ein. Die PDS weiß wohl nicht, was sie dadurch alles kaputt gemacht hat. Ich empfinde es als Unverfrorenheit, in diesem Zusammenhangden Rücktritt des Oberbürgermeisters zu fordern, der mit seiner ganzen Persönlichkeit hinter dem Projekt stand. In meinen Augen hat die PDS die Weiterentwicklung Potsdams in vielerlei Hinsicht verhindert. So begräbt man übrigens auch Arbeitsplätze. Ich bin gebürtiger Potsdamer und habe noch negative Erinnerungen an die Sprengung der Garnisonkirche und das sinnlose Zuschütten des Stadtkanals. Die PDS hätte sich, aufgrund ihrer Parteigeschichte, an dieser Stelle einfach anders positionieren müssen.

A. Lüdtke, parteilos, Potsdam

„Potsdam blockiert Landtagsneubau“

2. November 2006

Langsam wächst der Unmut über die Gegner. Was sind das für Potsdamer und Abgeordnete, die sich dagegen aussprechen? Haben sie kein Interesse an einem attraktiven Potsdam? Wozu brauchen wireinen B-Plan oder einen Architektenwettbewerb? Wir bauen ein durch SED-Willkür abgerissenes kunsthistorisches Gebäude wieder auf; Dank Günther Jauch wurde mit dem Fortunaportal der Anfang gemacht; Außerdem gibt es Stadtverordneten-Beschlüsse für den Wiederaufbau. Man muss nur noch einen Architekten beauftragen. Was soll eine Volksbefragung bringen? Viele Bürger denken dabei nur an ihre Steuergelder oder an Veruntreuung durch Prestigebauten. In diesem Fall ist es jedoch eine Möglichkeit, den notwendigen Landtagneubau mit der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte zu ermöglichen. Insgesamt wird ein barockes Ensemble wieder gewonnen, welches die Stadt Potsdam als Weltkulturerbe auch für Besucher bereichert. Bei einer Bebauung mit neuzeitlicher Architektur, wie zum Beispiel in der Breiten Straße, würde sich Potsdam national, international und vor unseren Nachkommen lächerlich machen. Dem Finanzminister sei geraten, den Aufbau bei Einhaltung der alten Baufluchtlinien und der äußeren Gestaltung zu akzeptieren. Wenn das Gebäude erstmal im Bau ist, finden sich bestimmt Investoren, die den teilweise noch vorhandenen Fassadenschmuck finanzieren. Herr Scharfenberg von der Linkspartei sollte sich in dieser Angelegenheit von seiner sozialistischen Denkweise befreien. Immerhin haben seine „Ziehväter“ den nicht verzeihbaren Abriss verbrochen und niemanden dazu befragt. Eine Wiedergutmachung wäre ein versöhnliches Zeichen.

Gottfried Wolf, Architekt

Es geht darum, ob der Landtag eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Vorgängerbauwerk sein kann

Der jetzt abgelehnte Bebauungsplanentwurf hätte dafür gesorgt, dass andere Baumaße als die des ehemaligen Stadtschlosses realisiert worden wären. In allen Gesprächen wurden als Begründungen gegen unsere Änderungsanträge, mit denen wir die Kubatur des Schlosses sichern wollten, von Vertretern des Landes die zwingende Befolgung der Machbarkeitsstudie von Waechter&Waechter angeführt. Die aufgenommene Beschlussänderung der CDU implizierte diese Studie sogar noch und hätte ihr erstmals politische Legitimation verliehen. Mein Antrag, dies zu streichen, scheiterte. Das ist nicht kleinlich. Architektur wird durch Maße bestimmt. Es geht darum, ob der Landtag eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem bedeutenden Vorgängerbauwerk sein kann oder nicht. Ich gebe unser Anliegen nicht verloren. Es gilt, die Gespräche zwischen Stadt und Land wiederaufzunehmen und anstelle der starren Verfolgung der Waechterstudie nach einer echten Lösung zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses vom 20. Mai 2005 zu suchen.

Saskia Hüneke, Fraktion Grüne/Bündnis 90, Potsdam

Nein zum Stadtschloss

Potsdam hat es nicht verdient, heute wieder von Stadtverordneten regiert zu werden, die wohl ähnliches denken wie die SED, die Stadtschloss und Garnisonkirche sprengen ließ.

Hans-Heinrich Pusch, Essen

Wie Neuschwanstein

Gleiche Situation wie in Bayern zur Zeit König Ludwig II., die gleichen Denk-Fehler, die spießige, nicht vorausschauende Einschätzung. Ein solches Bauwerk, ein monumentales, historisches Denkmal, das zum Weltkulturerbe gehören würde, hat nun mal seine Kosten. Genau wie damals die Schlossbauten Ludwig II, die später zu Touristen-Attraktionen und damit zu „Geldgruben“ wurden.

Margot Schmit-Kroll, Potsdam

Speer soll zurücktreten

Der Verursacher für das negative Votum, Rainer Speer, soll von seinen Ämtern zurücktreten. Er war ein erklärter Gegner des Wiederaufbaus, schon als der frühere Oberbürgermeister Platzeck dieses Vorhaben in die Diskussion brachte. Versprochen wurde uns damals ein Wiederaufbau in den historischen Umrissen. Der Beschluss des Landtags zum Wiederaufbau hatte dieses Ziel festgelegt. Die Wiedergewinnung der Fassadenelemente sollte durch Sponsoren ermöglicht werden. Diese Ziele wurden nachträglich demontiert. Moderne, lang gestreckte Schlichtfassaden haben wir genug.

Peter Krajewski, Potsdam

Sind die Sachsen zukunftsorientierter?

Ich bin entsetzt über das Abstimmungsergebnis. Was habe ich da für Abgeordnete gewählt? In der SPD sind die feigen Umfaller, die CDU zerfleischt sich im Landtag selbst, und die PDS ist rückwärts gewandt. Die Perspektive scheint zu sein, auf dem Schlossgrundriss wieder den Mai-Aufmarschplatz einzurichten. Wenn ich nach Dresden sehe, bemerke ich Vorbildliches. Ich frage mich, ob die Sachsen zukunftsorientierter sind? Die Potsdamer scheinen unfähig, der Stadtmitte wieder ein Gesicht zu geben.

E. Helmschmied, Potsdam

Überlegen den Wegzug aus Potsdam

Günther Jauch fand die richtigen Worte, ebenso Wieland Niekisch (CDU). Mit grenzenloser Empörung, Unverständnis, auch Niedergeschlagenheit haben wir dieses verheerende Ergebnis zur Kenntnis nehmen müssen. Meine Frau und ich sind vor sechs Jahren mit Freuden in eine sich wieder auf die Tradition besinnende Stadt gezogen. Nun überlegen wir den Weggang. Wo gehen denn Touristen in Paris, Mailand, Salzburg hin? – wohl nicht in die Neubauviertel am Rande der Städte?

Prof. Klaus Trumpf, Potsdam

Im Stadtschloss wurde das Edikt von Potsdam verkündet

Geschichte braucht Orte, an denen man sie festmachen kann, damit sie nicht von rechts oder links verfälscht wird. Potsdam hat vier solcher Orte: 1. Im Stadtschloss wurde das Edikt von Potsdam 1685 verkündet, das Glaubensflüchtlingen aus ganz Europa eine neue Heimat bot. Ein Traditionsraum dafür könnte von den Abgeordneten genutzt werden, für den Empfang von Staatsgästen und allgemein für Touristen. Toleranz und Integration werden noch lange ein Thema für die europäische Einheit bleiben. Die Garnisonkirche war zuletzt das Symbol für Anfang und Ende des faschistischen Größenwahns. Der Turm mit dem Nagelkreuz wäre für mich ein Zeichen, dass Versöhnung zwischen Opfern und Tätern möglich ist. 3. Cäciliennhof ist eine Gedenkstätte dafür, dass Diktatoren gestoppt werden können, wenn sich die Weltgemeinschaft einig ist. 4. Der Stadtkanal ist ein historischer Beweis, dass Potsdam ohne die Holländer nicht aus dem Sumpf gekommen wäre. Es ist für mich schwer zu denken, dass eine demokratische Einrichtung auf Dauer in einem Gebäude arbeiten kann und soll, das als Kriegsschule gebaut und lange Zeit als "“Kreml“ gedient hat. Beim Landtagsbau geht es um eine nachhaltige politische Entscheidung und nicht nur um ein Rechenexempel.

Dietrich Gülzow, Potsdam

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