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Landeshauptstadt: Demokratie im Schloss

Mit knapp 130 Wahlberechtigten ist Sacrow der kleinste Stimmbezirk. Hier liegen auch die ersten Wahlergebnisse vor.

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Das Schild zum Stimmbezirk 1401 führt direkt ins Adjutantenhaus des Sacrower Schlosses. Es ist wohl das idyllischste Wahllokal im ganzen Stadtgebiet, mitten im Schlosspark gelegen, gleich nebenan der Badesee. In dem kleinen Versammlungssaal mit den Geweihen an der Wand und Postern von Potsdamer Schlösserarchitektur sitzen die Wahlhelfer an einem länglichen Tisch. Es ist kurz vor 18 Uhr, Mathias Hamann rührt in seinem x-ten Milchkaffee. Seit 7.30 Uhr sitzen er und die anderen fünf Männer und Frauen hier an diesem strahlenden Wahlsonntag. Doch für Hamann ist es selbstverständlich, ehrenamtlich die Stimmen auszuzählen. „Wo soll Demokratie stattfinden, wenn nicht in einem Schloss?“, sagt er.

Kurz vor 18 Uhr kommen die letzten Wähler auf dem Weg zur Urne die Stufen zu dem barocken Gebäude heraufgeeilt. „Wir sind extra aus dem Wasser gestiegen“, sagt ein älterer Herr und kichert. Dabei meinen viele Sacrower es ernst mit der Politik. Die Wahlbeteiligung erreicht hier regelmäßig Potsdamer Spitzenwerte. Vielleicht liegt es daran, dass es nur 132 wahlberechtigte Einwohner gibt, man kennt sich und, wie augenzwinkernd Wahlhelfer Tom Hermann sagt, „man weiß auch, wer nicht kommt“. Es kann aber auch an dem Sacrow-eigenen Bewusstsein der Bürger liegen, diese Chance auf Mitgestaltung der lokalen und der Europa-Politik sich nicht entgehen zu lassen. Bei der vergangenen Europawahl 2009 wählten in Sacrow 53,7 Prozent, am Schlaatz waren es gerade mal 15,7 Prozent. Stadtweit wählten 37 Prozent der Potsdamer.

„Wir sprechen immer von Europa unddavon, dass Deutschland Demokratie exportiert, und dann liegt die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Da krieg ich so einen Hals“, sagt Helmut Reichardt. Er ist einer derjenigen, die noch kurz vor Schluss des Wahllokals ihre Stimme abgeben. Aber auch lokalpolitisch mitzubestimmen ist ihm ein Anliegen: „Wir müssen im Blick behalten, dass Potsdam nicht nur Glitzer und Glamour ist und nicht nur Politik gemacht wird, damit der Rubel rollt.“

Die Auszählung der Stimmen für Europa- und Stadtparlament ist in Sacrow binnen einer Stunde erledigt. Das Auseinanderfalten der langen, grauen und rosa Wahlzettel ist dabei noch am umständlichsten. Zügig erfassen die Helfer die Stimmen auf de grauen Wahlscheinen für die EU–Parlamentswahl. Die SPD gewinnt mit 21 Stimmen vor den Grünen (14) und der CDU (13), eine ungültige Stimme gibt es nicht. Ebenso wenig wie bei der Kommunalwahl. Auch diesmal liegt die Beteiligung bei rund 50 Prozent.

Im Vergleich zu den rosa Wahlscheinen war die EU–Wahl ein Kinderspiel, schließlich musste da nur ein Kreuz statt drei gemacht werden. Doch der 19-jährige Schriftführer Tom Hermann hat auch für die Kommunalwahl schnell ein System erdacht. Auf drei verschiedenen Haufen sollen die Wahlzettel verteilt werden, schlägt der Physikstudent vor: Die mit drei Stimmen für einen Kandidaten, jene mit drei Stimmen für eine Partei und der Rest. Dann werden Kandidaten, Parteien und Stimmenzahl angesagt, jeder Wahlhelfer muss für eine Partei die Stimmenzahl ankreuzen. Bis zum Schluss liefern sich SPD, Grüne, CDU und Bürgerbündnis ein Kopf- an Kopfrennen. Schließlich gewinnt die CDU mit 48 Stimmen, die Grünen mit 33 vor der SPD und dem Bürgerbündnis mit je 31. Die Linke erreicht 28 Stimmen, die AfD bekommt zehn Stimmen, die Potsdamer Demokraten fünf und Andreas Menzel von der Unabhängigen Wählergemeinschaft zwei Stimmen. Mit nur einer Stimme muss sich FDP-Politiker Baron Johannes von der Osten-Sacken begnügen.

Ob das Ergebnis der Sacrower Wahl repräsentativ ist, lässt sich noch nicht sagen. Doch für den allerletzen Wähler um 17.58 Uhr an diesem Sonntagnachmittag ist eines klar: Auch wenn es keinen Erdrutsch geben werde in Potsdam, sagt Achim Haid-Loh, die SPD werde im Hinblick auf die Landtagswahl die Kommunalwahl genau analysieren. „Dieses ,Wir machen einfach weiter so’ ist für mich unerträglich.“ Grit Weirauch

Grit Weirauch

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