Links und rechts der Langen Brücke: Demokratie ist nicht effizient
Henri Kramer freut sich über die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zur Kommunalverfassung
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Dieser Freitag war ein guter Tag für die Demokratie in Potsdam: Das brandenburgische Landesverfassungsgericht hat die Regelung der seit 2008 geltenden Kommunalverfassung gekippt, die für Fraktionen eine Mindestgröße von vier Abgeordneten vorschreibt. Nun sind wie zuvor auch Zwei-Mann-Fraktionen möglich: Dieser Status sichert für die sowieso ehrenamtlich arbeitenden Stadtverordneten zumindest eine Aufwandsentschädigung, Büros für die Arbeitsfähigkeit sowie Sitze und Stimmrechte in den Fachausschüssen.
Die Entscheidung des Gerichts, diese in einem Parlament selbstverständlichen Privilegien wieder kleineren Gruppierungen zukommen zu lassen, ist in mehrfacher Hinsicht erfreulich. Zunächst gibt das Gericht den Städten und Gemeinden das Heft des Handelns zurück – die vom Land aufgelegte Regelung zur Fraktionsstärke hatte das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen beschnitten. Nun kann wieder jedes Gemeindeparlament für sich entscheiden, welches Modell für seine politischen Verhältnisse am besten passt.
In Potsdams Stadtparlament, in dem mehrere kleinere Gruppen sitzen, hatte die neue Kommunalverfassung dazu geführt, dass diese „Grüppchen“ bei wichtigen Teilen des politischen Willensbildungsprozesses ausgeschlossen waren.
Für die Stadtpolitik bedeutet das Urteil ganz praktisch mehr Vielfalt – auch in den Fachausschüssen der Stadtverordneten, die wichtige Vorentscheidungen treffen. Da dort nun auch die kleineren Gruppen wieder mitreden können, besteht sogar die Chance, dass die quälend langen Sitzungen der Stadtverordneten sich etwas entzerren – weil die Kleineren ihre Meinung zu bestimmten Ideen schon in den jeweiligen Ausschüssen artikulieren können. Doch selbst wenn dem nicht so sein sollte: Demokratie, gerade in einer Kommune, bedeutet eben auch Sitzfleisch. Und sie lässt sich nicht, wie an der jetzt gekippten Landesregelung zu sehen, nach willkürlichen Effizienzkriterien bemessen.
Zuletzt: Eine Ironie der Geschichte ist es, dass Potsdams Stadtverwaltung die Klage gegen die Kommunalverfassung stets abgelehnt hat und erst von den Stadtverordneten dazu gezwungen werden musste. Unter anderem hatte die Stadtspitze mit erwarteten Kosten einer Klage argumentiert – mit Blick auf den jetzt kostenlos erstrittenen Erfolg wirkt dieses Agieren noch kleingeistiger, als es damals schon war. Dass die Rathausspitze selbst jetzt nicht sieht, dass sie ein wesentliches Recht der brandenburgischen Kommunen verteidigt hat, ist ein Trauerspiel am Rande.
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