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Das waren Zeiten: Eva Riks vom Pfingstberg-Verein gestern im Gespräch über die Ausstellung Zeitensprung mit Hans Göbel, Vorsitzender des Vereins zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam.

© Andreas Klaer

Von Guido Berg: „Den Flächenabriss kannste vergessen“

Vier Potsdamer Vereine informieren mit der Ausstellung „Zeitensprung“ über Bürgerengagement zur Rettung des Bauerbes

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Dass die DDR-Oberen das Potsdamer Bauerbe nicht achteten, bewiesen sie zuletzt im Sommer 1989. Noch kurz vor der Wende rissen Bagger eine ganze Häuserzeile ab, die Dortustraße 66 bis 73, einschließlich der Nr. 68, in der Theodor Storm von 1854 bis 1856 lebte. Auch ein Transparent mutiger Bürger, das auf Storm hinwies – mit seinem „Schimmelreiter“ immerhin DDR-Schulbuchautor – half nichts. Noch 1988 mussten ebenso zwei originale Holländer-Häuser einem Hubschrauberlandeplatz für das Klinikum weichen. Sie standen direkt neben der Französischen Kirche. „Ditt muss da weg“, soll DDR-Gesundheitsminister Ludwig Mecklinger gesagt haben, damit war es um die Häuser geschehen.

An die postfeudalen Entscheidungsstrukturen in der DDR erinnerte gestern Architekt Christian Wendland bei der Eröffnung der Ausstellung „Zeitensprung“, die von nun an für acht Wochen im Jan Bouman Haus, Mittelstraße 8, zu sehen ist. Vier Vereine, die sich in Potsdam um die Bewahrung des historischen Bauerbes bemühen, weisen 20 Jahre nach dem Mauerfall mit der Exposition auf die Metamorphose der Stadt und ihrer Architektur hin: der Förderverein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam, der Pfingstbergverein, die AG Umweltschutz und Stadtgestaltung (Argus) sowie der Förderverein für die Wiederherstellung des Potsdamer Stadtkanals. Sichttafeln, gestaltet durch die Werderanerin Anja Möller, zeigen Fotos aus verschiedenen zeitlichen Epochen. Augenscheinlich ist der Verfall vieler Bauten zu Ende der DDR. Ein Foto zeigt das Belvedere auf dem Pfingstberg als Ruine, überwachsen wie ein alter Inka-Palast. Weitere Fotos zeigen Helfer bei ersten Rettungsversuchen mit provisorischen Mitteln. Durch Mund- zu-Mund-Propaganda informiert, kamen bereits zur ersten Pfingstberg-Fete im Sommer 1988 etwa 3000 Menschen, erinnerte sich gestern Eva Riks vom Pfingstberg-Verein. Grund des „Aufstandes“ Ende der 1980iger Jahre sei die Frage gewesen: „Wie geben wir unsere Umwelt und unser Erbe an die nächste Generation weiter?“

Christian Wendland zufolge hat auch die DDR-Führung in den 1980iger Jahren erkannt, dass die DDR gar nicht die Mittel hatte, die Altstädte komplett durch sozialistischen Neubau ersetzen zu können. Da die DDR zudem Unesco-Mitglied werden wollte, musste sie ein Denkmalschutzgesetz verabschieden.

Dennoch hatte der Potsdamer Stadtarchitekt Werner Berg nach Wendlands Auskunft den Abriss des gesamten Holländischen Viertels vorgesehen. Dies, obwohl die DDR-Führung bereits erkannt hatte, dass ein Flächenabriss auf dem internationalen diplomatischen Parkett nicht gut aussehen würde. Schließlich bedurfte es für die Rettung des Viertels dennoch eines Schlüsselmoments: Wendland, der maßgeblich am Pilotprojekt der Sanierung der Mittelstraße 42 und 43 beteiligt war, musste Stadtarchitekt Berg und Herbert Tzschoppe, Vorsitzender des Rates des Bezirkes Potsdam, durch die sanierten Holländerhäuser führen. Danach, Wendland wurde Ohrenzeuge, habe der sichtlich beeindruckte Tzschoppe zu Berg gesagt: „Den Flächenabriss kannste vergessen.“

Die Ausstellung „Zeitensprung - Potsdamer Bürger engagieren sich als Hüter des historischen Erbes“ ist bis 11. Oktober im Jan Bouman Haus, Mittelstraße 8, wochentags von 13 bis 18 Uhr und am Wochenende von 11 bis 18 zu sehen.

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