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Landeshauptstadt: Den Krieg am Telefon

Der Potsdamer Fouad Abdallah kämpft um seine libanesische Familie

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Wenn der Potsdamer Fouad Abdallah mit seiner Mutter telefoniert, hört er den Krieg. Er hört die israelischen Flugzeuge, die in der Nacht zu gestern Bomben auf die Stadt Baalbek geworfen haben – sechs Kilometer von dem Dorf entfernt, in dem seine Familie wohnt, darunter auch die achtjährige Schwester des gebürtigen Libanesen.

Laut brandenburgischem Innenministerium leben im Land 294 Menschen aus dem Libanon, davon 42 in Potsdam. Sie arbeiten und wohnen in der Landeshauptstadt als ausländische Mitbürger. Libanesische Flüchtlinge gibt es in Potsdam bisher nicht.

Der 38-jährige Abdallah betreibt das Filmcafé in der Friedrich-Ebert-Straße. Wegen seiner deutschen Frau zog er vor sechs Jahren hierher. Wie jedes Jahr wollte das Ehepaar mit seinen beiden Kindern diese Woche in das kleine Dorf in der Bekaa-Ebene reisen, um Abdallahs Familie zu besuchen. Doch die sitze seit 21 Tagen, seit Beginn des Konflikts, fast pausenlos im Bunker, so Abdallah. Täglich versucht er nun dort anzurufen: „Wenn es geht und die Leitungen funktionieren, jede Stunde.“ Auch um zu trösten, wenn die Mutter wie gestern weint, weil die Luft immer stickiger wird, weil es nicht mehr genügend Essen gibt. Weder Gemüse noch Obst, und ein Kilogramm Reis koste mittlerweile so viel wie sonst 100. Hilfspakete mit Medikamenten und Nahrung würden das Krisengebiet gar nicht erst erreichen, so Abdallah, der beinah ununterbrochen fernsieht. Die Nachrichtensender berichten ständig aus seiner Heimat, zeigen die Bilder von Panzern, zerstörten Häusern und Leichen. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass 29 Menschen beim gestrigen Angriff auf die Nachbarstadt getötet wurden, so Abdallah. Die ganze Nacht habe sie die Flugzeuge gehört. Und auch die Hubschrauber, aus denen israelische Soldaten sprangen. Mindestens 50 seien in Häuser eingedrungen – „sogar das Krankenhaus haben sie gestürmt und Männer herausgeholt“, so Abdallah. Seine Mutter hat Angst um ihre Kinder. Fünf von ihnen sind unter 18 Jahre alt.

Jeden Tag ruft Abdallah darum beim Auswärtigen Amt und im deutschen Konsulat in Syrien an. Aber dort könne man sein Anliegen nicht mehr bearbeiten, habe es geheißen: „Wegen Personalmangels“. Dabei will er nur ein Visum für seine Mutter und die fünf jüngsten Geschwister, um sie nach Potsdam zu holen. Während Abdallah um seine Familie kämpft, hat der Berliner Innensenator Erhart Körting gestern angekündigt, dass die Bundeshauptstadt keine libanesischen Flüchtlinge aufnehmen wolle – wegen der Terrorgefahr: Denn unter ihnen wären „in großem Umfang Hisbollah-Sympathisanten“, sagte Körting dem Tagesspiegel.

In Brandenburg habe es in der Vergangenheit ohnehin bereits „einige Hinweise auf Kontakte zu Hisbollah-Mitgliedern“ gegeben, so Innenministeriums-Sprecher Wolfgang Brandt. Der Verfassungsschutz gehe ihnen derzeit nach. Bekennende Hisbollah-Anhänger gebe es unter den hier lebenden Libanesen allerdings nicht. Falls libanesische Asylbewerber nach Deutschland gelangen, sei „in Potsdam auf jeden Fall Platz“ für diese, sagte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller. Doch laut Abdallah ist es für Flüchtlinge unmöglich, auf dem Weg durch die Kampfgebiete ohne Hilfe lebendig zu einem Flugplatz zu gelangen. Juliane Wedemeyer

Juliane Wedemeyer

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