Landeshauptstadt: „Den Mangel mit Gewinn verwalten“
Petra Brückner, Sprecherin des Landeselternrates, über zu viel Unterrichtsausfall und zu wenig Vertretungsreserve
Stand:
Unter den Eltern schulpflichtiger Kinder regt sich landesweit Protest. Sie wollen den anhaltenden Unterrichtsausfall nicht länger hinnehmen. Mancherorts fallen bis zu zehn Prozent der Stunden aus. Bereits 2007 reagierte die Landesregierung auf das Problem mit dem Konzept für eine „Verlässliche Schule“. Ist es gescheitert?
Das würde ich nicht sagen. Es enthält viele gute Ideen, die Ausfallstunden zu verringern und für eine qualitätsvolle Vertretung zu sorgen. Der Weg ist richtig, nur fehlt es eben an der Umsetzung.
Der Landeselternrat und die Elterninitiative Brandenburg fordern die Aufstockung der sogenannten Vertretungsreserve von drei auf sechs Prozent des Stundensolls.
Das entspräche in etwa dem realen Krankenstand von Lehrern, der im Übrigen nicht höher ist als in der Bevölkerung allgemein. Bei sechs Prozent Stundenreserve hätten die Schulleiter mehr Spielraum, Vertretungslehrer einzusetzen.
Wie kommt es zu der bisherigen Fehleinschätzung des Vertretungsbedarfs, wo doch der Unterrichtsausfall halbjährlich statistisch erhoben wird. Was stimmt nicht an der Statistik?
Gemeldet werden nur jene Stunden, die tatsächlich ersatzlos ausfallen. Das sind durchschnittlich zweieinhalb Prozent. Werden im Krankheitsfall eines Lehrers Klassen zusammengelegt oder zur „Stillbeschäftigung“ angehalten, dann gilt dies als vertretene Stunde, was nicht akzeptabel ist. Zählt man diese Stunden hinzu, kommt man auf realistische fünf bis sechs Prozent Unterrichtsausfall.
Könnte die „Stillbeschäftigung“ nicht zum selbstständigen Lernen genutzt werden?
Das geht vielleicht bei den Abiturienten in der Sekundarstufe II, nicht aber bei den jüngeren Schülern. Wenn in der Grundschule ein Lehrer zwischen zwei Klassen hin- und herhetzen muss, um Aufgaben zu verteilen und zu kontrollieren, entsteht nur Unruhe. Für die Kinder kommt selten etwas dabei heraus.
Viele Eltern beklagen, dass ihre Kinder auch in Vertretungsstunden nur beschäftigt, aber nicht gefordert werden.
Das ist bei einer einzelnen Stunde, in der zum Beispiel ein Physiklehrer Deutsch unterrichten muss, nicht das Problem. Kritisch wird es immer dann, wenn ein Fachlehrer über einen längeren Zeitraum hinweg ausfällt oder sich ein Leistungskurs auf eine Prüfung vorbereiten muss. Für die Schulleiter ist es dann extrem schwer, eine längerfristige Vertretung zu organisieren.
Soll in diesem Fall nicht ein von den Schulämtern organisierter Vertretungspool, die sogenannte „Lehrerfeuerwehr“, zum Einsatz kommen?
Mir ist kein Fall bekannt, in dem das geklappt hat, was nicht heißt, dass es nicht funktionieren kann.
Was halten Sie von dem Vorschlag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, externe Fachleute ersatzweise in den Unterricht zu holen.
Ohne zusätzliche pädagogische Ausbildung halte ich davon gar nichts. Wer sollte denn kontrollieren, ob die Quereinsteiger diese Aufgabe auch bewältigen. Nicht jeder Physiker kann verständlich erklären, was er tut. Besser fände ich, zum Beispiel Lehrer im Ruhestand, die gern noch ein wenig unterrichten wollen, auf Honorarbasis zu beschäftigen. Möglich wäre auch, bei entsprechender finanzieller Ausstattung, die Überstunden von Vertretungslehrern zu bezahlen.
Oft fällt bei Lehrermangel zuerst der Förder- und Teilungsunterricht weg, der ja vor allem den schwächeren Schülern zugute kommen soll.
Solche zusätzlichen Fördermaßnahmen stehen unter Haushaltsvorbehalt, das heißt, sie können nur im Rahmen der Möglichkeiten einer Schule durchgeführt werden. In den meisten Fällen gibt es nur dann Förder- und Teilungsunterricht, wenn die Reserve an Vertretungsstunden gerade nicht benötigt wird, also niemand im Kollegium krank ist. Oft genug bleibt für den Förderunterricht nichts übrig. Der Landeselternrat fordert deshalb, Förder- und Teilungsstunden verpflichtend in die Stundentafel aufzunehmen. Es kann nicht sein, dass die schwächsten Schüler als erste unter der mangelhaften Ausstattung der Schulen leiden müssen.
Seit diesem Schuljahr arbeiten die Schulen mit internen Vertretungskonzepten, die den Unterricht bei Ausfall ab dem ersten Tag sicherstellen sollen. Tun sie das?
Mit diesen Konzepten legen die Schulleiter sachlich dar, wie sie die Vertretung organisieren. Zusätzliche Lehrkräfte aber kann sich niemand backen. Vielmehr geht es darum, den Mangel möglichst gewinnbringend zu verwalten.
Das Gespräch führte
Antje Horn-Conrad
Petra Brückner ist Sprecherin des Landeselternrates und Vorsitzende des Landesschulbeirates, Diplom-Soziologin sowie Fraktionsvorsitzende der SPD Gemeindevertretung Großbeeren.
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