
© Nestor Bachmann/dpa
Aus für Sonntagsöffnung in Potsdam: Den Schaden haben die Händler
Die Stadt Potsdam und die Händler üben scharfe Kritik an dem gerichtlich beschlossenen Aus für die Sonntagsöffnung am 29. März. So gaben allein die Bahnhofspassagen 27.000 Euro für Werbung aus. Gibt es bald gar keine verkaufsoffenen Sonntage in Potsdam mehr?
- Peer Straube
- Henri Kramer
Stand:
Potsdam - Groß ist der Frust bei den Potsdamer Händlern am Tag danach. Worte wie „unverhältnismäßig“, „schikanös“ und „willkürlich“ fallen, der Tenor ist einhellig. Am Mittwoch hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) wie berichtet einer Klage der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stattgegeben und die umstrittene Verordnung zur Sonntagsöffnung in Potsdam gekippt. Der erste verkaufsoffene Sonntag sollte bereits am kommenden Sonntag stattfinden. Er ist damit wohl hinfällig – es sei denn, das OVG genehmigt eine Ausnahme. Dass die Stadt darum ersucht hat, bestätigte OVG-Sprecherin Christiane Scheerhorn den PNN. Die Entscheidung werde am heutigen Freitag fallen, sagte sie.
Dass sich das Gericht noch einmal anders besinnt, wird von Rechtsexperten allerdings bezweifelt. „Die Erfolgsaussichten sind sehr gering“, sagte der Kommunalrechtsprofessor Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam auf Anfrage. Um das Gericht zu einer Änderung seiner Auffassung zu bewegen, müsste sich an den tatsächlichen Verhältnissen etwas geändert haben. Dies könne er aber nicht erkennen, so Schmidt.
Entscheidung war unverhältnismäßig kurzfristig
Den Schaden haben die Händler. Allein die Geschäfte in den Bahnhofspassagen hätten bereits 27.000 Euro ausgegeben, um den 29. März zu bewerben, sagte Centermanagerin Jana Strohbach. Die Entscheidung sei „unverhältnismäßig kurzfristig“ gefallen. Letzteres beklagt auch Wolfgang Cornelius, Chef der Händlergemeinschaft AG Innenstadt. Zwar habe man gewusst, dass eine Gerichtsentscheidung ausstehe, aber mit einem sofortigen Vollzug sei nicht zu rechnen gewesen, sagte Cornelius. „Das ist schikanös.“ Nicht nur die Händler seien empört, sondern auch viele Mitarbeiter, „die alle sonntags gern gearbeitet hätten, weil sie da gutes Geld verdienen“, so Cornelius.
Wie hoch der bereits entstandene wirtschaftliche Schaden für die Innenstadthändler sei, könne noch nicht beziffert werden. Die AG werde die Kosten aber zusammenrechnen, um die Stadt bei ihrer Argumentation zu unterstützen. Obwohl die Stadtverwaltung zum wiederholten Mal mit ihrer Auslegung des Ladenöffnungsgesetzes Schiffbruch erlitten hat, sehen weder Strohbach noch Cornelius die Schuld beim Rathaus. „Der Schwarze Peter liegt bei der Kommunalaufsicht und bei Verdi“, meint Cornelius.
Eingriff in den Wettbewerb
Scharfe Kritik kam auch von der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Angesichts der großen Vorleistungen der Händler sei die sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung „maßlos überzogen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Mario Tobias. Die Händler würden damit gegenüber dem Onlinehandel benachteiligt. Dies sei „ein klarer Eingriff in den fairen Wettbewerb“, so Tobias. Der Städte- und Gemeindebund äußerte ebenfalls Kritik.
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geißelte die Entscheidung am Mittwochabend im Hauptausschuss erneut, sprach von „einer deutlichen Schwächung des Einzelhandelsstandortes“. So werde in Berliner Einkaufscentern am kommenden Sonntag geöffnet sein – nur in Potsdam nicht.
Gibt es überhaupt noch verkaufsoffene Sonntage in Potsdam?
Offen ließ er die Frage, ob Potsdam nun eine neue Verordnung über Sonntagsöffnungen bekommt oder ob der Klageweg zu der jetzt gekippten Satzung beschritten wird. Für Letzteres gebe es auch im Hinblick auf künftige Entscheidungen gute Gründe, so Jakobs. Im Falle einer Klage sei aber ungewiss, ob es in diesem Jahr überhaupt noch verkaufsoffene Sonntage in der Landeshauptstadt geben könne, sagte Jakobs.
Am Donnerstag ruderte die Stadt indes zurück: Um den schlimmsten Fall – nämlich überhaupt keine verkaufsoffenen Sonntage in diesem Jahr – zu vermeiden, werde die Stadt eine neue Verordnung erarbeiten, die den Stadtverordneten als Dringlichkeitsantrag vorgelegt werden soll, kündigte Rathaussprecher Stefan Schulz am Donnerstag gegenüber den PNN an. Damit solle gewährleistet werden, dass die Geschäfte an sechs Sonntagen – wie laut Gesetz erlaubt – öffnen können. Potsdam wollte bekanntlich eine Sonntagsöffnung an zehn Sonntagen erlauben. Weil die Genehmigungen indes an diverse stadtteilbezogene Feste gekoppelt werden sollten, hätte man in keinem Geschäft in der Stadt an mehr als sechs Sonntagen einkaufen können.
Das Arbeitsministerium hatte diese Auslegung des Gesetzes seit Jahren für rechtswidrig erklärt und die entsprechenden Satzungen bereits mehrmals kassiert. „Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt“, sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse den PNN.
"Falsch und rückschrittliche" Entscheidung
Die Stadtverordneten bewerteten die Entscheidung des Gerichts differenziert. Peter Schüler von den Grünen sagte zwar, er halte die Ablehnung der Potsdamer Regelung durch das Landessozialministerium für „falsch und rückschrittlich“. Allerdings hätte Potsdam schon in den vergangenen Jahren seine Auffassung gerichtlich prüfen sollen – statt nun „in der ungünstigsten Situation“ mit der Entscheidung konfrontiert zu werden.
SPD-Chef Mike Schubert, der der von der Stadt geplanten Regelung als einer von wenigen Stadtverordneten nicht zugestimmt hatte, sagte den PNN, das Urteil sei zu erwarten gewesen. „Wir brauchen Gespräche mit dem Land zu dem Thema.“ Die pauschalen Ansätze der Stadt seien schon zu oft gescheitert.
Jakobs verwies hingegen erneut darauf, dass das Ladenschlussgesetz in anderen Kommunen Brandenburgs weitaus liberaler als in Potsdam ausgelegt werde: „Doch nur wir sind im Fokus.“ So erlaubt die Stadt Cottbus wie berichtet für 2015 elf Einzeltermine – wie in Potsdam mit einer stadtteilbezogenen Regelung.
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