zum Hauptinhalt

Homepage: Den Traum aufrecht erhalten

Gedanken über Nachkriegsordnungen zum 60. Jahrestag des Potsdamer Abkommens in Cecilienhof

Stand:

Gedanken über Nachkriegsordnungen zum 60. Jahrestag des Potsdamer Abkommens in Cecilienhof Von Jan Kixmüller Tatsächlich eignet sich kaum ein anderer Ort besser für den Abschluss dieser Tagung als das Schloss Cecilienhof. Wenn man über die Potsdamer Protokolle spricht, die hier vor 60 Jahren unterzeichnet wurden, über die Demokratisierung, die daraus für den Westen erwuchs und über die neuen Grenzen, die in der Folge des Treffens von Truman, Stalin und Churchill im Osten entstanden, dann ist man hier am richtigen Ort. Hier wurden nicht nur die Unterschriften unter die Protokolle gesetzt, hier verbarg sich auch nur einige hundert Meter weiter jahrzehntelang ein Teil des Eisernen Vorhangs. Vor diesem Hintergrund sprach Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) am Montagabend zur Festveranstaltung des Einstein Forums und der Schlösserstiftung anlässlich 60 Jahre Potsdamer Abkommen dann auch von „ästhetischen Effekten“, die durch die Überwindung der Teilung Deutschlands entstanden seien. Immerhin sind dadurch 36 Hektar Parkanlage zum Schlosspark hinzu gekommen. Ästhetisch hatte man den Festakt an dem lauen Sommerabend auch arrangiert: Im Halbrund die Sitze für das Publikum vor der sonnenbeschienenen Fassade des Cecilienhofs, davor ein kleines Podest für die Redner. Schnell wurde noch ein Sonnenschirm installiert, das Publikum scharte sich derweil auf den Schattenplätzen, die wenige Minuten später wieder in der Sonne lagen. Die Frage, die man seit Sonnabend im Einstein Forum mit internationalen Wissenschaftlern diskutiert hatte, wurde auch an diesem Abend noch einmal gestellt: Taugt die Demokratisierung Westdeutschlands nach dem Krieg als Beispiel für heutige Demokratisierungen etwa im Irak oder Afghanistan? Als Schriftsteller wollte Hans Magnus Enzensberger nur ein paar Gedanken zu Gehör bringen, während der US-Soziologe Michael Walzer – beide sind Mitglieder im Beirat des Einstein Forums – eine ausführliche Lecture hielt. Beim Vergleich von 1945 mit der aktuellen Situation im Irak müsse man feststellen, dass die Akteure damals gewusst haben, dass es mit einem militärischen Sieg nicht getan sei, so Enzensberger. Das könne man vom Hauptakteur des Irak-Krieges nicht behaupten. „Der Sieger ist nun mit der Situation überfordert“, stellte Enzensberger fest. „Heute fehlt es an Intelligenz und vorausschauender Politik.“ Michael Walzer näherte sich dem Thema theoretisch. Die Frage nach dem „gerechten Krieg“ trieb ihn um. Der Kampf der Alliierten gegen NS-Deutschland sei der klassische Fall eines „gerechten Krieges“ gewesen. Geführt, um eine militärische Aggression oder einen Genozid zu beenden. Das Ziel eines Regime-Wechsels alleine, wie es die Bush-Regierung 2003 im Irak angestrebt habe, sanktioniere hingegen keinen Krieg. Schließlich habe kein Grenzübertritt des Iraks wie im Jahre 1991 vorgelegen, Massenvernichtungswaffen konnten zudem keine gefunden werden. Einen Präventivkrieg in einem solchen Fall hält Walzer für unangemessen. Für eine Demokratisierung sei die Ausbildung von regierungsunabhängigen Verbänden und Organisationen in dem betroffenen Land wichtig. Eine solche Umwälzung von unten sei aber erst möglich, wenn das Regime, etwa durch ein Embargo, ausreichend geschwächt ist. Wenn nötig müsse eine solche „Eindämmung“ auch mit Gewalt durchgesetzt werden. Walzer spricht hier von „Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle“. Eine solche Embargo-Politik dürfe allerdings nicht von einem Staat alleine verfolgt werden, ein Zusammenschluss mehrerer Staaten sei nötig. Hätte sich Europa beim Irak-Embargo stärker engagiert, wäre der Alleingang der USA unmöglich geworden, so Walzers These. Nach zwei heißen, konzentrierten Stunden in der Abendsonne öffnete sich dann das große hölzerne Tor hinter dem Rednerpult. Wie eine Oase lud der Innenhof des Schlosses nun zum Verweilen bei kühlen Getränken ein. Und wer noch nicht genug vom Thema hatte, konnte sich in die heiligen Hallen begeben und durch den ehemaligen Konferenzraum und die umliegenden Arbeitszimmer der Staatsoberhäupter schlendern. Beim Füße vertreten wurden dann auch die Thesen des Abends noch einmal besprochen. So äußerte etwa Hussain Al-Mozany im Gespräch Zweifel an Michael Walzers Vorstellungen. Schließlich habe das Embargo gegen den Irak das Regime der Baath-Partei gestärkt und die Bevölkerung ins Elend gestürzt. Thema waren auch bei manchem die einleitenden Worte der Direktorin des Einstein Forums Susan Neiman. Sie hatte an Albert Einstein erinnert, der nach Krieg und Holocaust nie wieder nach Deutschland zurückgekehrt war. Er war sich sicher, dass sich die Deutschen nie ändern würden. Als Jüdin falle es ihr nicht leicht zu sagen, dass Einstein Unrecht habe, so Neiman. Im Großen und Ganzen sei die Demokratisierung Deutschlands nach 60 Jahren allerdings eine Leistung, die die Welt heute zu schätzen weiß. „Es liegt nun an uns allen, diesen Traum aufrecht zu erhalten“, hatte Neiman gesagt. Wofür sie energischen Applaus bekam.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })