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Potsdam feiert: Denkmaltag, Kunstgenuss, Jazz - und eine Rockerrente

Schafgraben, Persiusspeicher und Elektrizitätswerk als Beispiele von Potsdamer Industriearchitektur.

Von Sarah Kugler

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Das Wasser plätschert leise und lange Weidenzweige hängen über dem Weg: Der Potsdamer Schafgraben ist eine kleine romantische Oase der Ruhe und dazu noch eine Abkürzung, über die man die Geschwister-Scholl-Straße schnell von der Zeppelinstraße aus erreichen kann. Der Graben an sich ist allerdings viel länger als dieses kurze Verbindungsstück. Über die Zeppelinstraße hinweg fließt er bis in die Havel hinein, zur anderen Seite fließt er über den Maschinenteich am Schloss Charlottenhof und dann als Parkgraben bis hin zum Friedensteich an der Friedenskirche. Wie Helmut Krüger vom Verein Brandenburger Vorstadt, der am gestrigen Sonntag zum Tag des Offenen Denkmals gemeinsam mit Adolf Kaschube vom Wildpark-Verein und Horst Prager von der Studiengemeinschaft Sanssouci eine Führung zur Industrieachitektur an der Havel gestaltete, erklärte, habe es den Wassergraben schon vor dem Bau des Neuen Palais gegeben.

„Wahrscheinlich war es ein natürlicher Wassergraben, der dann 1764 auf drei preußische Routen erweitert wurde“, so Krüger. Denn in diesem Jahr wurde der sogenannte Palaisgraben im Park Sanssouci angelegt, auf dem Material für den Bau des Neuen Palais transportiert wurde. Zu dieser Zeit sei der heute relativ schmale Schafgraben, der zur Entwässerung des Parks gedient hatte, auch wesentlich breiter gewesen, wie Krüger erklärte: Bis zu elf Meter soll er damals gemessen haben. „Er wurde im Volksmund auch Bosporus genannt, was natürlich brandenburgischer Humor war, der sich ein wenig selbst auf die Schippe nahm“, sagte er.

1827, als die erste Dampfmaschine mit einer Kraft von einer Pferdestärke erbaut wurde, schoss dann auch zum ersten Mal die Sanssouci-Fontäne in die Höhe – dank der vernetzten Wasserwege. Ab 1881 wurde dann allerdings der Palaisgraben nicht mehr gebraucht und zugeschüttet. Im Zuge dessen sei auch der Schafgraben nach und nach verschmälert worden. Heute, so Krüger, diene er lediglich dazu, die Grenze zwischen den beiden Stadtteilen Potsdam West und der Brandenburger Vorstadt kenntlich zu machen.

Die zahlreichen Teilnehmer der Führung folgten am Sonntag trotzdem dem Lauf des Grabens bis hin zur Havel, von deren Ufer sie einen wunderbaren Blick auf die Wasserseite des Persius-Speichers werfen konnten. Der ehemalige preußische Proviantspeicher beherbergte ab 1843 die Königlich-Preußische Dampfmahlmühle, die durch ihre enorme Kraft insgesamt 30 Windmühlen in der Stadt ersetzte. Das zu mahlene Getreide, wie etwa Roggen oder Weizen, wurde in den dazugehörigen Magazinen gelagert, deren Einfahrten sich heute noch durch das handgefertigte Holzgebälk auszeichnen. Im linken Torbogen sind sogar noch originale Türläden und Schlösser erhalten, wie Adolf Kaschube erklärte. Allerdings nur noch zur Zierde: Die Eingänge zum heute dort ansässigen Landesamt für Forstwirtschaft sind längst modernisiert worden. Wie Kaschube sagte, seien in den vergangenen Jahren bereits 80 Prozent des Gebäudes saniert worden. Die letzten 20 Prozent sollen nächstes Jahr als Wohnungen und Ateliers für Künstler hergerichtet werden. Während der Führung wies er auch auf den Vorhof des Gebäudekomplexes hin, der ursprünglich mal rondellförmig aufgebaut gewesen war. „Hier sieht man auch schön die Bauweise mit Flachdächern im normannischen Burgenstil“, erläuterte Kaschube und deutete auf das zinnenförmige Dach, an dessen Unterseite sich gelbe Klinkersteine abzeichnen. Ursprünglich sollte das gesamte Gebäude so verklinkert werden, da es aber nicht möglich war, während der Bauzeit von 1841 bis 1843 so viele Klinker herzustellen, wurde die restliche Wand einfach verputzt.

Gleich neben dem Persiusspeicher wurde 1902 das Elektrizitätswerk gebaut, das damals mit zwei Dampfmaschinen – jede produzierte 0,5 Megawatt – nicht nur den ganzen Hof versorgte, sondern ab 1906 auch das Straßenbahnnetz sowie ab 1907 die gesamte Potsdamer Straßenbeleuchtung. Wie Horst Prager erklärte, war es so modern, dass es später sogar 30 umliegende Gemeinden bis hin nach Wannsee mitversorgte. Architektonisch war das Werk, das heute eine Wohnanlage ist, mit Giebeln, Türmchen und Mosaik-Verzierungen auf dem Fußboden wie ein kleines Schloss angelegt. Heute ist davon allerdings nur noch wenig zu sehen, allein die Rundbögen und einzelne Zierelemente weisen noch auf die alte Form hin.

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