Homepage: Der Babelsberg-Code
Hasso-Plattner-Institut: Was Soziale Netzwerke, Vampire und Computerspiele gemeinsam haben
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Der Name klingt erst einmal etwas kryptisch: „Babelsberg: Unifying Declarative Constraints and Object-orientated Execution“. Doch die Kurzform bringt es auf den Punkt: „Babelsberg“. Tim Felgentreff (26), Promotionsstudent an der Potsdamer Research School des Hasso-Plattner-Instituts (HPI), hat die von ihm entwickelte Programmiersprache nach dem Potsdamer Stadtteil benannt. Nicht nur weil das HPI in Babelsberg ansässig ist, sondern auch wegen des Wortspiels. Babel, das steht für den Turmbau zu Babel und somit für den Ursprung der Sprachen. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dass die neue Programmiersprache über herkömmliche Rechner-Syntax hinauswachse. „Allerdings ohne Einsturz des Turmes“, so Felgentreff schmunzelnd. Und die Amerikaner würden den Namen ohnehin lieben: „Bäbelsbörg“, spricht der Student die englische Aussprache lautmalerisch nach.
Felgentreffs neue Programmiersprache passt in den jüngsten Trend. Die Rechnersprachen sollen näher an die richtigen Sprachen heranrücken. „Das liegt gerade in der Luft“, sagt der Doktorand. Ziel sei es, die Programme und auch das Programmieren verständlicher zu machen. Letztlich soll auch der Babelsberg-Code Nutzern verschiedener verbreiteter Programmiersprachen als ein Werkzeug dienen, ihre Programme einfacher und insgesamt weniger fehleranfällig zu gestalten.
„Eigentlich funktionieren Programmiersprachen wie Kochrezepte“, erklärt Tim Felgentreff. Manchmal wolle man aber eben ohne Rezept kochen. „Babelsberg eröffnet Programmierern stattdessen die Möglichkeit, die Aufgabe selbst zu formulieren – wie diese zu lösen ist, versucht der Computer dann selbst herauszufinden“, erklärt der Doktorand. So wie ein guter Koch ohne Rezept ein Gericht nachkochen kann, so könne die Programmiersprache ohne explizite Anweisungen einen gewünschten Zielzustand erreichen. „So gelingt es beispielsweise, ein Sudoku zu lösen, ohne dass für den Computer die strategischen Einzelschritte echter Sudoko-Spieler im Detail programmiert werden müssen.“ Die Kenntnis der Regel genüge bereits. „Das verringert den Programmieraufwand, da viel weniger Code geschrieben werden muss.“ Einsetzen lasse sich die Programmiersprache beispielsweise in Geschäftsprozessen, Spielen und Simulationen.
Tim Felgentreff ist einer von rund 120 Informatikforschern aus aller Welt, die bis Samstag noch zum neunten Symposium der HPI Research School, der Graduiertenschule des Plattner-Instituts, zusammenkommen. Forscher von den vier HPI-Standorten Potsdam, Kapstadt, Haifa und Nanjing tauschen sich mit Kollegen aus aller Welt und mit Experten aus der IT-Industrie vor allem über neuste Trends in Theorie und Praxis aus. Im Mittelpunkt dabei: Programmiersprachen und Architekturmodelle für das Cloud Computing, also das Rechnen auf Ressourcen im Internet.
Das Potsdamer HPI unterhält neben dem Potsdamer Mutterhaus Außenstellen an der Universität Nanjing, dem Technion in Haifa und der Universität Kapstadt. „Damit wollen wir bei unseren Nachwuchsforschern eine globale Sicht fördern, es geht uns darum, Impulse aus den jeweils anderen Weltgegenden zu vermitteln und auszutauschen“, erklärt HPI-Sprecher Hans-Joachim Allgaier. Aus China kommt dabei vor allem Input zur Analyse von Massendaten, aus Israel Methoden, um die Leistungsfähigkeit von Rechnern zu erhöhen. Aus Südafrika kommen Ideen für Internet-Anwendungen auf einfachen mobilen Geräten, die auch mit wenig Netz-Bandbreite auskommen.
Die HPI-Dependance an der University of Cape Town in Südafrika besteht nunmehr sei fünf Jahren. Ihre Koordinatorin Anne Kayem befasst sich vor allem mit Informationssicherheit für das Internet. Neben Anwendungen für gesundheitsbezogene Mobilsysteme entwickeln ihre Doktoranden unter anderem auch Apps zur Verbrechensbekämpfung. Für die Polizei in Südafrika haben die Informatiker eine spezielle Interface-Software erdacht, die es ermöglicht, den Ermittlungsbehörden über das Smartphone ein Verbrechen direkt zu melden.
Ein anderes Feld von Anne Kayem ist die Datensicherheit in Sozialen Netzwerken. Dabei geht es vor allem um Daten, die unkontrolliert geteilt werden. Die HPI-Forscher am Kap arbeiten an Möglichkeiten, dies einzudämmen. Grundsätzlich aber könne es dafür kein kontrollierendes System geben, sagte Kayem im Gespräch mit den PNN. „Wir können nur die Menschen dabei unterstützen, ihre Daten abzusichern.“ Letztlich gehe es um Eigenverantwortung. Kayem hat ein anschauliches Bild: „Vampire können nur in ein Haus kommen, wenn man sie einlädt.“ Dass man die Vampire nicht im Haus haben will, müssten alle Bewohner wissen. „Wenn einer im Haus nicht mitmacht, bricht der Schutz zusammen.“ Dafür müsse man ein Bewusstsein schaffen.
Derzeit umfasst das Team der Potsdamer Research-School-Zentrale 24 Nachwuchswissenschaftler und weiter 31 Doktoranden in den Außenstellen. Service-orientiertes Systemmanagement steht im Mittelpunkt der Graduiertenschule. Die Stipendiaten untersuchen diese aktuelle, übergreifende Fragestellung aus den verschiedenen Blickwinkeln ihrer jeweiligen Fachgebiete. Gefolgt wird dabei dem 2005 am HPI eingeführten Modell, dass die Nachwuchswissenschaftler von den Professoren gemeinschaftlich und nicht nur einzeln betreut werden. „Jeder unserer Doktoranden lernt so auch die Fragestellungen, Denkmodelle und Herangehensweisen aus den beteiligten anderen Teildisziplinen kennen“, erläutert HPI-Direktor Christoph Meinel. Mit Erfolg: Viele Absolventen seien mittlerweile bei renommierten Forschungseinrichtungen und Unternehmen beschäftigt. Meinel nennt Facebook, Google, Microsoft Research, MIT, SAP und Yahoo als einige Beispiele.
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