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Innenstadt: „Der Branchenmix stimmt einfach nicht“
Der AG-Innenstadtchef Wolfgang Cornelius kritisiert die Händler im Holländischen Viertel und beklagt sich auch über den Widerwillen der Händler, Rat und Hilfe von außen anzunehmen.
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„Warum identifizieren sich die Potsdamer eigentlich nicht so mit dem Holländischen Viertel, wie man dies von einem historischen Stadtkern erwarten sollte?“, lautet die Frage aus dem Publikum, die die Beteiligten am zweiten „Kulturgespräch mit Bodo Kirchner“ zum Thema „Kulturtourismus und Handeln in der Innenstadt“ am Dienstagabend beschäftigte.
Darauf, so Wolfgang Cornelius, Vorsitzender der AG Innenstadt, gäbe es eine einfache Antwort: „Der Branchenmix im Holländerviertel, der zu einseitig auf Touristen ausgelegt ist, stimmt einfach nicht.“ Dies sei „lebensgefährlich“, da Tourismus nunmal nur an sechs Monaten im Jahr stattfinden würde. Die Lösung, so Cornelius, bestünde darin, Spezialitäten von hoher Qualität anzubieten, die auch für die Anwohner ein Grund sein könnten, das Holländerviertel öfter zu besuchen. „Wie das funktioniert, sieht man am Markt rund um das Nauener Tor; würde man dieses Konzept auf die Kreuzung Benkertstraße/Mittelstraße übertragen, wäre das Viertel zweimal pro Woche voll.“ Ulrich Zimmermann, Vorsitzender des Synagogen-Fördervereins Potsdam e.V., sah die Lage weniger pessimistisch. „Auch in der Gutenbergstaße setzt man auf Qualität“, entgegnete Ulrich Zimmermann. Aber auch eine Vertreterin des Bestattungsunternehmens Grieneisen, das bis vor Kurzem im Holländischen Viertel ansässig war, bestätigte, dass das Viertel „in zehn Jahren kaum von Potsdamern frequentiert wurde“.
Wolfgang Cornelius beklagte sich auch über den Widerwillen der Händler, Rat und Hilfe von außen anzunehmen, etwa von der AG Innenstadt, die unter anderem die wirtschaftliche Entwicklung der Brandenburger Straße fördert. „Die Stadt ist bestrebt zu helfen“, so Cornelius, aber die Händler im Holländischen Viertel sprächen oft nicht mit einer Stimme und seien uneins über ihre gemeinsamen Bedürfnisse. „Das Viertel hat sich in der Presse selbst zu Grunde geredet, anstatt Probleme intern zu klären“, kritisierte Cornelius.
Ein Bürger aus dem Publikum monierte, dass die Brandenburger Straße trotz allem immer noch eine „Ramsch-Straße“ mit großen Ketten sei: „Wenn man dem Holländerviertel das Konzept der Brandenburger überstülpt, dann geht das zu 100 Prozent daneben.“
Die besondere Situation im Holländischen Viertel führte Cornelius darauf zurück, dass dort weniger gelernte Einzelhändler, sondern mehr „Liebhaber, Amateure und Enthusiasten“ Geschäfte führen würden, was keineswegs abwertend gemeint sei, betonte der Unternehmer. Dass die „Entfremdung“ zwischen dem Holländischen Viertel und den Potsdamern darin bestehe, dass in dem Viertel kaum Ur-Potsdamer lebten und arbeiteten, wollte Cornelius aber nicht gelten lassen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es oft Außenstehende waren, die etwas in der Stadt bewirkt haben.“
Unter dem Aspekt Kulturtourismus äußerte sich Ulrich Zimmermann auch zum geplanten Synagogen-Neubau: „Für uns vom Förderverein ist klar: Der Haberland-Entwurf wird nicht gebaut. Es muss eine Neuausschreibung geben, da über den Haberland-Entwurf kein Kompromiss zwischen den jüdischen Gemeinden möglich ist.“ Zimmermann betonte, dass eine Synagoge an einer so repräsentativen Stelle wie dem Alten Markt neben Nikolaikirche und Stadtschloss keine „gesichtslose Architektur“ haben dürfe. Man müsse nicht nur das ästhetische Empfinden der jüdischen, sondern auch der nichtjüdischen Potsdamer und der Gäste berücksichtigen: „Der Haberland-Entwuf für die Synagoge ist die falsche Architektur am falschen Ort für das falsche Gebäude.“ Um zu einem Konsens zu gelangen, sprach Zimmermann sich daher für eine öffentliche Diskussion mit Einbeziehung der Anwohner aus. Kurt Winkler, Leiter des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, warnte jedoch vor einem „Plebiszit“: „Man darf die Architektur nicht irgendwelchen klischeehaften Vorstellungen von einer Synagoge überlassen.“
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