Landeshauptstadt: „Der Bundesregierung den Marsch blasen“
Erste Demonstration gegen Hartz IV mit 500 Teilnehmern auf dem Platz der Einheit
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Erste Demonstration gegen Hartz IV mit 500 Teilnehmern auf dem Platz der Einheit Von Dirk Becker Wut ist ein Pfund mit dem sich gut wuchern lässt. Das weiß auch Dieter Gohlke, Vorsitzender des Landesverbandes der Familienpartei. Mit Wut war er gestern Abend zum Platz der Einheit gekommen und hatte gehofft, nicht wenig Gleichgesinnte zu treffen. Dass 500 vorwiegend wütende Potsdamer zur ersten von der Familienpartei organisierten Demonstration gegen Hartz IV in der Landeshauptstadt kamen, überraschte und erfreute ihn zu gleich. Mit einem Millionenbetrag eröffnete Gohlke seinen Redebeitrag. „6,3 Millionen Euro! Das ist das Jahresbruttoeinkommen eines Herrn Ackermann von der Deutschen Bank.“ Mehr hätte Gohlke gar nicht sagen brauchen. Die brav auf den Steinreihen sitzenden Hartzgegner johlten und klatschten mit angemessener Lautstärke. Er sei kein Berufspolitiker und habe daher das Wohl seiner Mitmenschen und nicht sein Karriere im Auge, betonte Gohlke. Nun gelte es, die hier gezeigte Wut „zu artikulieren“ und zu beweisen, dass Potsdams Aufbegehren mehr ist als nur ein „kleines Feuer“. Frank Beyer von „Die Grauen - Graue Panther“ wusste auch gleich entsprechenden Rat und Weg, wie Deutschland schnell und erfolgreich aus der Hartzmisere zu führen sei. „Deutschland ist ein reiches Land.“ Es gebe keine Krise, die Auswirkungen der Globalisierung werden nur übertrieben. Es liege, so geißelte Beyer selbstbewusst, nur an der fehlenden Moral der Eliten, der „Nieten in Nadelstreifenanzügen“ und der Inkonsequenz der Politiker. Den „sozialreaktionären Bürgerparteien“ wie SPD, CDU und FDP müsse klar gemacht werden, dass sein Konzept zwar ein radikales aber dafür realistisches sei. Hans-Jürgen Scharfenberg, Stadt-Fraktionsvorsitzender und Landtagskandidat der PDS, forderte die Anwesenden auf, der Bundesregierung „den Marsch zu blasen“. Zwar zwinge die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt zu längst überfälligen Reformen. Doch was durch Hartz IV erreicht werden soll, sei nicht zu akzeptieren. Daher habe sich die PDS entschlossen, die Stadtverordnetenversammlung aufzufordern, die Bundesregierung dazu zu bewegen, Hartz IV um mindestens ein Jahr zu verschieben. Dietrich Fischer vom Arbeitslosenverband Brandenburg hat noch nie so viel Unsicherheit und Angst bei den Arbeitslosen erlebt. Über 140000 Langzeitarbeitslose gebe es in Brandenburg, so Fischer. Für die würde durch Hartz IV der ohnehin schwierige Weg zurück auf den Arbeitsmarkt fast schon unmöglich. Auch wies Fischer die Formulierung von der Zusammenlegung des Arbeitslosengeldes und der Sozialhilfe zurück. Für ihn sei das eine regelrechte Abschaffung und damit verbunden eine soziale Herabsetzung der Betroffenen. Mit der Übergabe des Mikrofons an einzelne Demonstranten, die wie Gohlke anfangs betonte sonst nie zu Wort kommen würden und hier nun endlich die Chance haben sollten, entlud sich dann kraftvoll der Volkszorn. Die „Blutsauger Schröder und Merkel“ sollen die Reichen endlich zwingen, ihr Geld auszugeben, denn dadurch, so die Argumentation, würde schließlich Arbeit entstehen.
Dirk Becker
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