Sport: „Der DFB-Pokal hat Priorität“
Turbine Potsdams Kapitän Jennifer Zietz über die Entwicklung ihrer Mannschaft und Ziele in dieser Saison
Stand:
Am Mittwoch haben Sie mit Turbine Potsdam zu Hause gegen den FFC Frankfurt 2:2 gespielt und dabei einen 2:0-Vorsprung noch aus der Hand gegeben. Haben Sie in der Nacht danach gut geschlafen, Frau Zietz?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe noch so viel über den vergebenen Sieg nachdenken müssen. Das war sehr ärgerlich, unsere ganze Mannschaft war nach dem Abpfiff sehr enttäuscht.
Worin sehen Sie als Mannschaftskapitän mit einem Tag Abstand den Grund dafür, dass das 2:0 nicht gehalten wurde?
Wir waren zum Schluss einfach nicht clever genug. Nach dem Frankfurter Treffer zum 2:1 – der zugegebenermaßen ein schönes Tor war – hätten wir hinten dicht machen müssen. Aber wir sind immer weiter nach vorn marschiert, was normalerweise ja richtig ist, sich in diesem Fall aber nicht ausgezahlt hat. Am Ende ließ dann bei manchem von uns wohl auch ein bisschen die Kraft und damit die Konzentration nach.
Trotz des Remis führt Potsdam weiter die Tabelle vor dem punktgleichen FC Bayern München an, der bisher ein Spiel weniger bestritt. Was hat das Unentschieden Ihrer Mannschaft gebracht?
Die Punkteteilung nutzt uns mehr als Frankfurt. Bayern ist derzeit die einzige Mannschaft, die aus eigener Kraft noch an uns vorbeiziehen kann, muss aber auch nochmal gegen den FCR Duisburg spielen. Wer hätte am Anfang der Saison gedacht, dass wir uns so steigern, sowohl kürzlich beim 3:0 in Duisburg als auch jetzt gegen Frankfurt so gut verkaufen und in der Tabelle ganz oben stehen. Das spricht für unsere Mannschaft
die vor dem Erreichen ihres großen Saisonziels steht. Ostermontag kann Turbine mit einem Heimsieg gegen den Zweitligisten Wattenscheid 09 ins DFB-Pokalfinale einziehen.
Stimmt, aber das ist auch das Problem. Alle sehen uns schon im Endspiel, aber der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Wir haben diesbezüglich schon selbst unsere unschönen Erfahrungen gemacht und müssen auch gegen Wattenscheid erst einmal gewinnen. Natürlich haben wir uns in den letzten Bundesligaspielen die nötige Sicherheit geholt. Aber wir haben jetzt anderthalb Wochen Pause und müssen sehen, dass wir uns trotzdem voll auf das Pokalspiel konzentrieren, das alles andere als ein Selbstläufer werden wird.
Vor zwei Jahren schien Turbine weit zurückgeworfen, nachdem zahlreiche Nationalspielerinnen den Verein verlassen hatten. Nun klopfen Sie wieder vehement ganz oben an – woran machen Sie diesen erneuten Aufschwung fest?
Nach dem großen Aderlass kamen viele junge, talentierte Spielerinnen in die Mannschaft, die anfangs noch nervös waren. Sie mussten plötzlich vor großem Publikum spielen, jede zweite Woche weite Auswärtsfahrten bewältigen und regelmäßiges anstrengendes Training verkraften. Dadurch fehlte uns zunächst eine gewisse Konstanz, zu der wir inzwischen wieder gefunden haben. Außerdem rufen wir in dieser Saison nach einem schlechten Start unsere Leistungen recht gut ab. Jetzt zeigen wir, was wir können, wobei wir da noch längst nicht am Ende angekommen sind.
In der nächsten Saison winkt Potsdam wieder der internationale Fußball, denn der Meister und der Zweitplatzierte erreichen die UEFA Women''s Champions League.
Darüber machen wir uns noch keine Gedanken. Jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf den DFB-Pokal, der hat Priorität. Was am Ende der Saison für uns noch drin ist, werden wir sehen. Wieder international zu spielen wäre natürlich toll, denn wir könnten uns dadurch ja weiterentwickeln und in Europa präsentieren.
Deutschland wird 2011 Gastgeber der nächsten WM-Endrunde sein. Wie sehen Sie denn Ihre Chancen, nach bisher 12 Länderspielen – das letzte im Mai 2008 – wieder ins Nationalteam zurückzukehren?
Ich bin da sehr realistisch. Früher gab es Zeiten, in denen ich mich in dieser Hinsicht unter Druck setzte, aber das ging meist nach hinten los. Momentan konzentriere ich mich ganz auf Turbine. Ich habe hier in Potsdam eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ich so gut es geht erfüllen will. Über alles andere mache ich mir jetzt keine Gedanken.
Das Interview führte Michael Meyer.
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