Sport: „Der erste Schock war die 2:3-Pokalpleite“
Turbine-Cheftrainer Bernd Schröder über das Nachholspiel gegen Essen am Samstag, die neue isländische Torhüterin und Turbines Chancen bei den Hallenturnieren im Januar
Stand:
Herr Schröder, ist es nicht ärgerlich, kurz vor Weihnachten noch ein Bundesligaspiel bestreiten zu müssen? Turbine Potsdam empfängt am Samstag um 14 Uhr die SGS Essen zum Nachholspiel und kann dadurch erst spät in die Winterpause gehen.
Natürlich hätten wir gern früher gespielt. Das ist nicht so schön für unsere ausländischen Spielerinnen, die zum Weihnachtsfest zu ihren Familien beispielsweise in die USA und nach Japan fliegen werden. Ansonsten stört uns dieser Termin aber nicht wirklich, denn der Grund dafür ist ja ein erfreulicher: Wir müssen wegen der Champions League nachsitzen. Wegen des Rückspiels in Lyon fiel damals das für jenen Sonntag vorgesehene Spiel gegen Essen aus.
Der Tabellensechste wird Turbine das Leben kurz vorm Fest der Nächstenliebe noch mal schwermachen, oder?
Die SGS hat eine starke, abgeklärte Mannschaft und wird mit breiter Brust bei uns auflaufen. Zumal sie am Sonntag den Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale geschafft und die beiden letzten Spiele gegen uns gewonnen hat. Vor allem an unserer Niederlage in der zweiten Pokalrunde in Essen haben wir immer noch zu knabbern.
Mit einem Sieg am Samstag würde Potsdam in der Tabelle wieder auf Platz zwei klettern – vorbei am VfL Wolfsburg, der Mitte Februar noch ein Nachholspiel zu bestreiten hat. Wie wichtig wäre es, als Tabellenzweiter zu überwintern?
Wichtiger als die Platzierung wäre es, dann nicht mehr als drei Punkte Rückstand zum Spitzenreiter zu haben. Damit könnten wir hoffen, weiter um die Meisterschaft und die Qualifikation für die nächste Champions-League-Saison mitzuspielen.
Überrascht Sie die derzeit deutliche Tabellenführung des FFC Frankfurt, der Turbine die bislang einzige Saison-Niederlage bescherte?
Nein. Ich habe anders als viele Trainerkollegen von Anfang an nicht Wolfsburg, sondern Frankfurt als ersten Favoriten gesehen. Angesichts der Spielerinnen kann der FFC nur weit vorn stehen. Frankfurt stellt zwei Drittel der Nationalmannschaft, hat insgesamt 15 Nationalspielerinnen und könnte angesichts dieses Potenzials eigentlich auch ohne Trainer spielen.
Wie schätzen Sie die bisherige Bundesliga-Hinrunde, die erst am 23. Februar abgeschlossen wird, aus Potsdamer Sicht ein?
Wir wussten zu Saisonbeginn, was unsere neu formierte Mannschaft kann, mussten nach dem Weggang von sechs nicht gerade unwichtigen Spielerinnen im Sommer aber erst einmal unsere Grenzen ausloten und haben zwei Dinge erlebt, die uns zu denken gaben. Der erste Schock war die 2:3-Pokalniederlage in Essen nach einer 2:0-Führung, der nächste das ohne wirkliche Chance klar mit 0:3 verlorene Heimspiel gegen Frankfurt. Das hat uns gezeigt, wo wir noch Probleme haben.
Welche?
Wir schöpfen unsere Qualitäten im kämpferischen, läuferischen und teilweilse auch im spielerischen Bereich und in den Willensqualitäten noch nicht immer in erforderlichem Maße aus.
Wie groß sehen Sie Turbines Chancen, in dieser Saison zumindest wieder Vizemeister zu werden?
Wenn wir am Samstag gegen Essen gewinnen, stehen uns wieder alle Türen offen, dann haben wir noch gute Karten. In der zweiten Halbserie haben wir bislang immer noch ein bisschen konstanter gespielt als in der ersten.
Wie lange gönnen Sie Ihren Spielerinnen nach der Partie gegen Essen eine Trainingspause?
Wir fangen am 6. Januar wieder an und fahren dann gleich früh für drei Tage ins Trainingslager nach Lindow, weil schon am 12. Januar das DFB-Hallenmasters in Magdeburg ausgetragen wird. Wir haben also nicht viel Zeit zum Vorbereiten.
Potsdam tritt in Magdeburg als Pokalverteidiger an.
Natürlich würden wir den Pokal gern zum siebenten Mal gewinnen. Wir haben aber das Problem, dass gerade dann UEFA-Abstellungsperiode ist. Das heißt, dass uns dann unsere Spielerinnen aus Schweden, der Schweiz und Norwegen nicht zur Verfügung stehen werden, was uns schon Probleme bereiten wird. Angesichts des Potenzials der Mannschaft ist auch in der Halle Frankfurt der Favorit.
Anschließend wird Turbine am 25. und 26. Januar in der MBS-Arena Gastgeber des 2. Internationalen Frauenfußball-Hallencups sein. Was versprechen Sie sich davon?
Wie im vergangenen Jahr eine hohe Resonanz der Fans. Mit den Gästen aus sieben Ländern dokumentieren wir außerdem wieder unsere Verbundenheit mit vielen Mannschaften in Europa, mit denen wir ein gutes Verhältnis haben.
Sie werden im Januar mit Islands Nationalspielerin Guðbjörg Gunnarsdóttir als neuer Torfrau in die restliche Saison starten. Wird dafür Anna Felicitas Sarholz gehen müssen?
Wir haben Gunnarsdóttir verpflichtet, weil wir nach dem Weggang Alyssa Naehers keine Torhüterin von internationalem Format mehr hatten, weiterhin international spielen und damit rechnen müssen, dass eine Torhüterin Spiele auch mitentscheiden kann. Zu Ihrer Frage zu Anna Felicitas Sarholz werde ich jetzt nichts sagen.
Der Öffentlichkeit wäre die Trennung von der Champions-League-Heldin 2010 schwer zu vermitteln, oder?
Dazu habe ich eine andere Meinung. Anna Sarholz war eine der Spielerinnen, die 2010 die Champions League gewannen. Aber man muss seine Leistung jeden Tag im Training und im Spiel neu beweisen. Es gibt keinen Bestandsschutz für eine Spielerin von uns, hier geht es um den Verein. Und das muss jeder verstehen.
Wird Gunnarsdóttir Potsdams einzige Neuverpflichtung in der Winterpause sein?
Im Moment sieht es so aus, obwohl wir hier und da noch Handlungsbedarf hätten.
Werden Sie als Cheftrainer auch an den Weihnachtstagen über Turbine grübeln oder können Sie dann mal richtig abschalten?
Ganz abzuschalten ist nicht so einfach. Ich mache mir ständig Gedanken über die Entwicklung des Vereins, der gewissermaßen Kulturgut des Landes und unserer Stadt ist. Da ist man immer in der Verantwortung.
Was wünscht sich Bernd Schröder denn zu Weihnachten?
Dass wir jetzt gegen Essen drei Punkte holen.
Das Interview führte Michael Meyer.
Bernd Schröder (71) ist seit der Gründung 1971 – mit einer mehrjährigen Unterbrechung in den 90er Jahren – Cheftrainer des Frauenfußball-Bundesligisten 1. FFC Turbine Potsdam.
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