Landeshauptstadt: Der erste Seher
Potsdamer Kameramann drehte „Georg“ für arte
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Die Kamera müsse ausgemacht werden, befahl Caterinas Großmutter. Sie habe ihr, Caterina, etwas zu sagen, was niemand wissen solle. Die Frau mit dem schlohweißen Haar fuchtelte vor dem Okular herum. Kameramann Axel Schneppat stellte daraufhin das Handgerät auf den Boden, ließ aber den Ton unbemerkt weiterlaufen: „Deine Mutter hat mir etwas Schreckliches, etwas Grässliches angetan, als sie sich in einen Deutschen verliebte.“
Dieser Deutsche ist Georg Klusemann, Caterinas Vater. Er starb 1981, da war die heutige Filmregisseurin acht Jahre alt. Jetzt, wo sie selber Kinder habe, erforsche sie ihre Herkunft, sagt die 34-jährige Caterina Klusemann. Sie besuchte Freunde, Bekannte, Verleger ihres Vaters, der Maler, Grafiker, Kinderbuchautor und auch Weinbauer in der Toskana war. Sie sprach mit ihrer Mutter und mit ihrer Großmutter, die vor den Nationalsozialisten aus Polen nach Venezuela geflohen war – und das immer in Begleitung von Axel Schneppat und der Kamera. Herausgekommen ist dabei der persönliche Dokumentarfilm „Georg“, der am Sonntag um 23.25 Uhr auf arte zu sehen ist.
Die Dokumentarfilmerin wählte sich bewusst den HFF-Absolventen und Wahlpotsdamer aus. „Ich kannte ihn von anderen Produktionen, wusste um seine einfühlsame Art.“ Außerdem, so Caterina Klusemann, verstehe sich Axel gut mit ihrer Mutter, das sei wichtig für einen so persönlichen Film. Es sind die nahen Momente, an die sich der 37-jährige Schneppat besonders erinnert. Das Wiedersehen mit Freunden und Verwandten ihres Vaters seien sehr „spontane intime Begegnungen“ gewesen. Deshalb habe er die Minimalausstattung gewählt: Handkamera ohne zusätzliches Licht. „Da ich als direkter Beobachter ja gerade im Dokumentarfilm der erste Seher bin, bestimme ich die Ästhetik des Films“, sagt Schneppat. Besonders die Aufnahmen, in denen Caterina mit ihrer Mutter spricht, sind durch die zum Teil schwachen Lichtverhältnisse so nah, als säße der Zuschauer mit auf dem riesigen Ledersofa, wenn Elena Hochman-Klusemann von dem „wunderbaren Georg“ schwärmt.
Er müsse sich als Mensch hinter der Kamera erkennbar machen, sagt Axel Schneppat. Erst wenn die Technik in den Hindergrund rücke, seien vertraute Situation möglich. Als die Großmutter erzählt, wie die Deutschen in ihr Haus eindrangen und sie mit vorgehaltener Waffe zwangen, alles zurückzulassen: persönliche Papiere, Fotoalben, Andenken, ist die Kamera für einen Moment unsichtbar. Dann geht sie aus dem Zimmer, kommt wieder zurück und fordert: „Mach die Kamera aus.“
Kameramann Axel Schneppat lebt seit Studienbeginn 1992 in Potsdam, inzwischen zusammen mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Söhne. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Dokumentarfilm. Filme wie „Havanna mi amor“ oder „Heirate mich“ von Uli Gaulke waren auch in Potsdamer Kinos zu sehen. Aber auch szenische Filme gehören zur Arbeit, wie der Kinoerfolg „Schultze gets the Blues“.
Die Autorin ist nicht verwandt mit Caterina Klusemann
Nicola Klusemann
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