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Schauspieler Wolfgang Bahro: Der ewige Bösewicht
Wolfgang Bahro steht seit 25 Jahren bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ als Schurke vom Dienst vor der Kamera in Babelsberg. Auch andere wollen ihn immer wieder als Schuft.
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Millionen Fernsehzuschauer kennen Wolfgang Bahro als Jo Gerner aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Doch als er 1993 zum ersten Mal das Set der RTL-Soap betrat, wollte er sofort wieder weg. Der Berliner, damals um die 30, hatte gerade für einen prominent besetzten ZDF-Mehrteiler vor der Kamera gestanden, als er zum Casting von „GZSZ“ eingeladen wurde. „Na ja, jetzt hatte ich die ersten Folgen von ,Gute Zeiten, schlechte Zeiten’ gesehen, wo die Wände wackelten“, erinnert er sich. Damals in der Anfangsphase habe „GZSZ“ keinen guten Leumund gehabt. Zwar hätten da sehr schöne Menschen mitgespielt, sagt Bahro. „Aber die konnten zum größten Teil keine drei Sätze geradeaus sagen. Ich dachte, das sah dann schon etwas dilettantisch aus.“ Der Produzent überredete ihn, zu bleiben. Bahro wollte es erst einmal für zwei Monate probieren. „Aus diesen zwei Monaten sind mittlerweile fast 25 Jahre geworden.“
Aus dem klapprigen Set der frühen 90er wurde die erfolgreichste Vorabendserie im Privatfernsehen, seit Langem entsteht sie in der Medienstadt Babelsberg. „Im Gegensatz zu damals, wo es wirklich 80 Prozent Models und 20 Prozent ausgebildete Schauspieler waren, hat sich das Verhältnis jetzt genau gedreht“, sagt Bahro. Es gebe in der Crew faktisch niemanden mehr ohne Schauspielausbildung, Bühnenerfahrung oder Vorgeschichte im Musical.
Dann hebt er das Sektglas zum Anstoßen
Winkeladvokat, Schlitzohr, Strippenzieher: Was hat Jo Gerner seit dem ersten Auftritt in Folge 185 nicht alles vom Zaun gebrochen? Er gab eine Entführung in Auftrag, schob Menschen Drogen unter. Manche brachte er ins Gefängnis, andere holte er heraus. „Ich finde das spannend, dass man über so lange Zeit die Möglichkeit hat, eine Figur zu spielen“, sagt Bahro dazu. „Ich bin ja mit dieser Figur älter geworden und konnte einige Höhen und Tiefen – eben ,die guten und die schlechten Zeiten’ von Dr. Gerner – miterleben. Es gibt doch keinen, der so viel über diese Figur weiß wie ich und auch weiß, wie diese Figur tickt.“ Wenn Fremde ihn im Alltag ansprechen, dann meist als „Herr Gerner“.
Am Abend steht Bahro wieder in Potsdam vor der Kamera. An einem Tisch des fiktiven Restaurants „Mauerwerk“ schmiedet Gerner mit Verbündeten neue Pläne. Auftritt Jo Gerner: „Am Anfang war ich ja nicht so angetan, aber ich muss sagen: (dramatische Pause) Ich bin begeistert.“ Dann hebt er das Sektglas zum Anstoßen. Wenn man Wolfgang Bahro vor und nach Drehschluss beobachtet, fällt auf: Er spricht wirklich so – auch wenn die Kamera aus ist. Druckreifer Satzbau, zuweilen gepflegtes Näseln, auch mal ein charmantes Lächeln, um eine Pointe zu unterstreichen.
Für einen Mann Mitte 50 sitzt ihm der schmal geschnittene Anzug perfekt. Seinen aufgeräumten Manieren haftet etwas Britisches an. Die sichere Einnahmequelle bei „GZSZ“ beruhige seine Nerven, sagt der Schauspieler und zeigt ein freundliches Roger-Moore-Grinsen.
Eine eiserne Regel
Außerdem hat er nebenbei Zeit für Kabarett, für Theater und Hörspiele. Er ist sich aber auch der Risiken bewusst, die drohen, wenn man so lange das Gesicht einer Serie ist. „Für Horst Tappert wäre nach ,Derrick’ nicht mehr viel gekommen“, sagt er. „Bei mir ist das eben auch so eine Sache: Ich weiß nicht, ob, wenn irgendwann mal ,Gute Zeiten, schlechte Zeiten’ vorbei sein wird, ob ich dann noch andere Fernseh- oder Filmangebote bekomme. Wobei es parallel immer Angebote gibt.“ Voriges Jahr sei er gefragt worden, ob er nicht in einem Kinofilm den Schuft geben wolle, erinnert er sich. „Da habe ich dann gesagt: Tut mir leid, Kinder. Aber ich spiele schon seit über 20 Jahren im deutschen Fernsehen den Bösewicht. Da muss ich ihn nicht auch noch im Kino spielen.“ Am Ende spielte er einen lustigen Bio-Lehrer.
Seine Traumrolle? „Ich würde gern so eine Figur spielen in einem Film wie Peter Sellers in ,Der Rosarote Panther’“, sagt Bahro. „So einen etwas bekloppten Kommissar, der etwas trottelig ist.“ Überhaupt liebe er komische Rollen, sagt der Schauspieler. „Aber seltsamerweise gab es dann immer wieder diese Bösewichter.“ Ist es Zufall, dass er gerade den US-Schauspielern Steve Buscemi und Tim Roth die Synchronstimme lieh, die in Hollywood gern als Psychopathen vom Dienst besetzt werden? Nun, es sei eher so, dass die Rollen ihn fänden als umgekehrt.
Außerdem habe er beim Darstellen von bösen Menschen eine eiserne Regel: „Ich versuche, mich in den Menschen hineinzuversetzen, und versuche, meiner Figur immer etwas Positives abzugewinnen. Ich möchte, dass die Menschen genau wie bei Gerner und anderen Figuren ihn irgendwie auch mögen. Ich möchte ihm etwas Menschliches geben.“ Das könne einen an Grenzen führen. „Ich habe im Jüdischen Theater den Adolf Hitler gespielt“, so der 55-Jährige. „Das war eine wirkliche Herausforderung. Sich in den hineinzuversetzen, war schwierig.“
Christof Bock
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