Landeshauptstadt: Der Feind im Blumenbeet
Ein Vortrag über Telefonbespitzelung in der DDR sorgte am Mittwoch für volle Sitzreihen in Drewitz
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„Es ist kein Geheimnis mehr, dass in der DDR massenhaft Menschen abgehört wurden, aber wie das genau abgelaufen ist, wissen die wenigsten.“ Genau diese Frage versuchte Jakob König jüngst in seinem Vortrag zur Telefonbespitzelung in der DDR zu beantworten. Der ehemalige Mitarbeiter der Telekom hat in den frühen neunziger Jahren mitgeholfen, das Netzwerk an getarnten Abhörstationen und Sonderleitungen der Staatssicherheit aufzudecken und abzubauen: „Es ging uns vor allem darum, das Vertrauen der DDR-Bürger in das Telefongeheimnis zurückzugewinnen,“ erklärte König. Es sei gelungen, fast das gesamte Netzwerk der Bespitzelung erfassen zu können. Dieses wäre erstaunlich ausgeklügelt gewesen. „In jeder Kreisdienststelle und in jeder Bezirksverwaltung der Stasi gab es eine Abhörstation und dann standen noch einmal so viele getarnt im öffentlichen Raum,“ sagte König. „Besonders abenteuerlich waren diese getarnten Abhörstationen. Es gab zum Beispiel einen Fall, wo der Eingang zur Abhörstation unter einem verschiebbaren Beet im Gewächshaus zu finden war. Auf solche Gedanken muss man erstmal kommen.“ Jakob König nennt wenig Zahlen: „Das genaue Ausmaß der Abhörung zu berechnen hat wenig Sinn. Letztlich ist klar, dass es sehr viele waren. Klar ist auch, wer es gewesen ist: die Auffälligen, diejenigen die in der Friedensbewegung waren, die die Ausreiseanträge gestellt hatten oder sich systemkritisch geäußert hatten. Ganz oft waren es auch Menschen mit starken Verbindungen in die BRD, das galt natürlich als suspekt.“ Als Techniker hat sich König vor allem mit den technischen Abläufen der Bespitzelung beschäftigt. Er erzählte von den verschiedenen Überwachungsmethoden: „Nicht nur Telefongespräche, sondern auch Funkverkehr wurde regelmäßig in den Abhörstationen aufgenommen und mit erstaunlicher Akribie protokolliert. In Privathaushalten wurde auch das Abhören von Gesprächen oft mit dem Einsatz von Wanzen ergänzt.“ Dass diese in der Bundesrepublik eingekauft wurden, darüber kann König nur den Kopf schütteln: „Ohne die wäre ein solches Ausmaß an Überwachung nicht möglich gewesen. Gerade die Wanzen waren auch schwierig zu finden, weil sie meist in Türrahmen oder in den Gemäuern privater Häuser versteckt waren.“ Die Telefonabhörer hätten ein ähnlich integriertes Netzwerk gehabt: „Wenn die einen Haushalt abhören wollten, haben sie eigens dafür gedachte so genannte Sondertelefonlinien freigeschaltet, um die Gespräche direkt in die Abhörstationen weiterzuleiten.“
Das Interesse am Vortrag war groß, knapp 60 Menschen sind am Mittwoch in der ehemaligen Stasi-Außenstelle in der Großbeerenstraße erschienen, um den damaligen Abhorchprozeß nachzuvollziehen. Unter ihnen waren nicht nur Opfer und andere Zeitzeugen, sondern auch Jugendliche, die sich über das Staatssystem der DDR genauer informieren wollten. Gisela Rüdiger, Leiterin der Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde, freut sich über das Interesse; genau hierin bestünde die Aufgabe der Behörde: „Bürger, die abgehört und verfolgt worden sind, wollen oft genauer wissen, wie das abgelaufen ist. Deshalb wollen wir möglichst bürgernah über die Tätigkeiten des Staatssicherheitsdienstes informieren.“ Miriam Muth
Miriam Muth
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