Pförtnerampeln: Der Feinstaub soll draußen bleiben
In einem Monat will Potsdams Rathaus die Pförtnerampeln einschalten. Sie sollen die Belastungen durch zu viel Verkehr verringern – in anderen Städten der Bundesrepublik hat das allerdings nicht geklappt.
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Vier Wochen bevor Potsdams Stadtverwaltung auf den Einfallstraßen in die Landeshauptstadt die neuen Pförtnerampeln einschalten will, mehren sich Zweifel am Erfolg der sogenannten „umweltorientierten Verkehrssteuerung“. Ähnliche Versuche anderer Städte, die Feinstaubbelastung per Ampelschaltung zu senken, brachten bisher nicht die gewünschten Ergebnisse. Oft waren zusätzliche Maßnahmen wie die Einführung einer Umweltzone nötig, in die nur umweltfreundliche Fahrzeuge einfahren dürfen. Langfristig können von Belastungen betroffene Anwohner solche Maßnahmen sogar vor Gericht einklagen.
Ab 17. April geht Potsdam mit seiner Verkehrssteuerung in den Praxistest. Ein System aus 30 Ampelanlagen in der Zeppelinstraße, der Breiten Straße und der Heinrich-Mann-Allee sowie in der Behlertstraße ist mit Verkehrszählern und Schadstoffmessanlagen vernetzt. Der Computer in der Verkehrszentrale soll dafür sorgen, dass nur die Anzahl von Fahrzeugen in die Innenstadt gelangt, die auch flüssig weiterfahren kann. Damit soll sich die Feinstaubbelastung auf ein zulässiges Maß verringern.
In Tübingen hat das nicht funktioniert. „Pförtnerampeln allein reichen nicht“, sagt Michael Rak, Ortsvorsteher des Tübinger Stadtteils Unterjesingen (Baden-Württemberg). Die Kommune brachte es im Jahr 2006 auf 84 Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte. Damit rückte Unterjesingen bundesweit auf den sechsten Platz in der Liste der Orte mit den häufigsten Überschreitungen vor. Ein Jahr später wurden die ersten Pförtnerampeln eingeschaltet, sagt Rak. „Die Feinstaubbelastung ist seit diesem Zeitpunkt gesunken.“ Aber zu wenig. Noch immer werden die Grenzwerte im Ort überschritten. Künftig soll deshalb Tempo 30 gelten. Auch ein Durchfahrtsverbot für Lkw war geplant, wurde aber abgelehnt. Um die Belastung im Ort dauerhaft zu senken, dürfe man nicht nur den Verkehr im Blick haben, sagt Rak. Noch immer würden zahlreiche Häuser mit alten Holzöfen befeuert, die jede Menge Feinstaub in die Atmosphäre blasen. Dennoch hätten die Pförtnerampeln einen ganz anderen positiven Effekt im Ort erzielt: „Alle meine Leute sagen mir, wir haben eine ganz andere Lebensqualität erhalten.“ Plötzlich gebe es auch in Berufsverkehrszeiten ruhige Momente auf der Hauptstraße. Man könne vor dem Metzger ein- und ausparken, sicher vom Grundstück auf die Straße auffahren oder die Straßenseite wechseln.
Auch größere Städte haben Erfahrungen mit Pförtnerampeln: Frankfurt am Main versuchte im Jahr 2006 so, den Stau auf der stark befahrenen Friedberger Landstraße aufzulösen. Tatsächlich gab es etwa fünf Prozent weniger Verkehr. Aber das reichte nicht aus: Zwei Jahre später musste doch eine Umweltzone eingerichtet werden. Auch die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf machte diese Erfahrung. Im Jahr 2009 musste dort eine Umweltzone eingerichtet werden, weil die Belastung durch Feinstaub trotz Pförtnerampeln flächendeckend zu hoch war. Das war auch der Grund, warum man in Leipzig ganz auf die Umweltzone setzt. Im Stadtgebiet seien die Grenzwerte auf Straßen mit insgesamt 15 Kilometern Länge überschritten gewesen, obwohl der Verkehr überwiegend flüssig gelaufen sei, so der Umweltbeigeordnete Heiko Rosenthal. Außerdem sei die Umweltzone vorzuziehen, weil dadurch die Emissionen tatsächlich gesenkt würden, anstatt sie nur vor die Städte zu verlagern.
„Pförtnerampeln sind nur ein Instrument von vielen“, sagt Werner Reh, Verkehrsexperte vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Erfolg verspreche jedoch nur die Kombination mit anderen Mitteln. Er nennt ein Tempolimit und die Senkung des Schadstoffausstoßes als Beispiele. Letzteres gelte auch für Heizanlagen und Baumaschinen.
Kritik an den Ampelplänen der Stadt kam auch von Potsdams CDU-Vorsitzender Katherina Reiche. Sie stellte den Nutzen der 2,3 Millionen Euro teuren „Ampelmauer“ – bezahlt hat sie das Land – infrage. Die Belastung mit Feinstaub sei weniger auf den Autoverkehr zurückzuführen als auf Ofenheizungen und den „grenzüberschreitenden Schadstofftransport“ bei Ostwind, so Reiche. Häuser mit Ofenheizung haben nach Angaben der Stadtverwaltung und der Schornsteinfegerinnung einen niedrigen Anteil. Die Stadt geht von gut fünf Prozent der Wohnungen aus. Allerdings befindet sich in der stark mit Feinstaub belasteten Behlertstraße ein unsanierter Häuserblock mit Ofenheizungen.
Zuversichtlich ist hingegen das Landesumweltamt: Das hat kürzlich den Entwurf für Potsdams neuen Luftreinhalteplan vorgelegt – inklusive Pförtnerampeln – und geht davon aus, dass es gelingt, die Grenzwerte künftig einzuhalten. Mit im Plan steht auf Bürgervorschlag die Einrichtung einer Tempo-30-Zone in der Großbeerenstraße. Hier wurde im vergangen Jahr der Grenzwert an 37 Tagen überschritten. Erlaubt sind 35 Überschreitungen. In der Zeppelinstraße waren es sogar 55 Tage. Von einer Umweltzone hält die Landesbehörde wenig. Die Potsdamer Autoflotte sei ohnehin modern. Viele Autobesitzer hätten sich die Plakette schon geholt, um in die Berliner Umweltzone fahren zu dürfen, so Hartmut Jonas vom brandenburgischen Landesumweltamt.
In Unterjesingen gibt es hingegen eine ganz andere Idee: Ein Tunnelbauverein fordert, die Bundesstraße in der gesamten Ortslage unter die Erde zu verlegen und den Feinstaub abzusaugen.
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