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Landeshauptstadt: Der Flächenkämpfer

Hans Jürgen Wendl geht in den Ruhestand und kritisiert Sanierungs- sowie Entwicklungsträger

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Sitzt man Hans Jürgen Wendl im Stadthaus an seinem Schreibtisch gegenüber, fällt der Blick auf ein Kärtchen mit chinesischen Schriftzeichen. Es ist der sichtbare, wenn auch für den normalen Mitteleuropäer unleserliche Beweis, dass Wendl einen erfolgreichen Schlusspunkt unter seine 17-jährige Wirtschaftsfördererlaufbahn setzen konnte. China wird in einem Teil der Roten Kasernen das Potsdam-Shanghai-Business-Center ansiedeln. Und dafür musste der Bereichsleiter Wirtschaftsförderung nicht einmal besonders werben, denn die Chinesen kamen auf ihn zu. Die Erteilung der Baugenehmigung stehe kurz bevor, meint Wendl und ist fest davon überzeugt, dass die Chinesen hier einen gut ausgestatteten Ausgangspunkt schaffen, um den Weg für Unternehmensansiedlungen und Knowhow in der Region zu ebnen.

Auf Wendls Überzeugungen kann man sich übrigens verlassen. Sie haben ein sicheres Fundament. „Ich habe in meiner Amtszeit nicht einen Flop gelandet“, sagt der Diplom-Wirtschaftler und Polygrafie-Ingenieur entspannt lächelnd. Dabei hat er das Risiko durchaus nicht gescheut. Bei der Technologie- und Gewerbecenter GmbH war er von 1995 bis 2001 Gründungsgeschäftsführer mit erheblichem persönlichen Einsatz ohne einen Pfennig Gehalt zu beziehen. Die Geschäftsführung übernahm er im Auftrag der Stadt sozusagen „nebenbei“.

Wendl wurde 1990 nach einer Stellenausschreibung Potsdams Amtsleiter Wirtschaftsförderung . Wenn er Ende des Monats mit 61 Jahren in den Ruhestand geht, hinterlässt er eine Wirtschaftslandschaft, die sich sehen lassen kann und die das Mitte der 90er Jahre erarbeitete Wirtschaftsförderkonzept erfolgreich bestätigt. Der Schwerpunkt sollte – so das Konzept – auf die Entwicklung der Medienindustrie, auf Potsdam als Wissenschaftsstandort mit dem dazugehörigen Gewerbe und auf Technologie- und Gewerbecenter überhaupt gelegt werden. Mit dem produzierenden Gewerbe tat sich Potsdam als Beamtenstadt schon immer schwer und dieses Defizit hinterlässt auch Wendl. Der Anteil dieser Branche an der Bruttowertschöpfung sank sogar noch um etwa die Hälfte von 17 auf 8,7 Prozent seit 1996. Schließlich brachen Großbetriebe wie das einstige Karl- Marx-Werk und die Brotfabrik weg, einziger neuer Lichtblick ist das Katjes-Werk. Doch das nimmt Wendl inzwischen gelassen. Potsdam habe einen hohen Ausbildungsstandard und einen wachsenden Dienstleistungssektor, resümiert er. Der Rechtsstreit mit den Gebrüdern Breuer – die Stadt wollte einen Teil von deren Karl-Marx-Werk-Fläche enteignen, um Gewerbe anzusiedeln – ist durch einen Vergleich beendet. Inzwischen haben Baustoffhandel und ähnliches ihre Angebote ausgebaut. Auch die Vermietung von zwei Breuer-Hallen an die Filmproduktion begrüßt Wendl.

Potsdams engagierter Wirtschaftsförderer sieht dagegen ein erhebliches Defizit in der vorausschauenden Bereitstellung von kommunalen Gewerbeflächen generell. Daran habe es von Anfang an gemangelt und die gewinnorientierte Treuhand habe auch nicht gerade zu einer sinnvollen Entwicklung beigetragen, meint Wendl im Rückblick. Ansiedlungswillige Firmen wollten sich schnell entscheiden und wanderten zu Konkurrenzstädten ab, müsse man sie doch wegen Planungs- und Erschließungsarbeiten auf Jahre vertrösten. Solche Vorhalteflächen seien kein verschenktes Areal, sondern als Entwicklungspotenzial ein Pfund mit dem man wuchern müsse. Leider seien in diesem Punkt auch die Sanierungs- und Entwicklungsträger, die ja im Auftrage der Stadt agieren sollten, keine Hilfe. Bei ihnen habe die Flächenvermarktung eine Eigendynamik entwickelt, bei der nur noch das Geld und weniger gesamtstädtische Belange eine Rolle spielten. Eine Ausnahme bilde allerdings Stadtkontor in Babelsberg. Selbst am Wissenschaftsstandort Golm würden die Ansiedlungsflächen in den nächsten Jahren knapp, so Wendl.

Die Entwicklung des Handelskonzeptes begrüßt er dagegen und steht dazu, dass der Bau des Sterncenters nötig war, um Kaufkraft in der Stadt zu behalten. Nun müsse sich Potsdam auf seine Stärken in der Innenstadt besinnen.

Hans Jürgen Wendl wird sich selbst ab September auf andere Stärken besinnen, auf gesünder und weniger hektisch leben, auf mehr Sport treiben und endlich einige Verbesserungen am Häuschen in Michendorf vornehmen. Einen Nachfolger für ihn gibt es noch nicht, die Ausschreibung läuft und ein Resultat ist gegen Ende des Monats zu erwarten.

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