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Stadtentwicklung Potsdam: Der große Krampnitz-Plan
Im Norden Potsdam entsteht ein neues Stadtviertel. In einer sechsteiligen Serie spannen die PNN den Bogen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft HEUTE TEIL 1: Wie Krampnitz als Entwicklungsgebiet funktionieren soll
Stand:
Kaum eine deutsche Großstadt wächst so rasant wie Potsdam. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2010 stieg die Bevölkerungszahl um 11,5 Prozent – bis zum Jahr 2020 erwarten Experten 182 000 Einwohner. Damit wächst auch der Druck auf den Wohnungsmarkt, der schon jetzt enorm ist. Zumindest einen Teil des großen Bedarfs will die Stadt decken, indem sie auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Krampnitz Wohnungen bauen lässt.
WAS SOLL IN KRAMPNITZ PASSIEREN?
Auf dem 120 Hektar großen Gelände sollen innerhalb der kommenden zehn Jahre 1630 Wohnungen gebaut werden. Rund 3800 Menschen könnten in dem neuen Viertel unterkommen. Die denkmalgeschützten Kasernen und Wohnhäuser sollen saniert und neue Gebäude errichtet werden. Zudem sollen Gewerbe, Dienstleistung und drei Kindertagesstätten angesiedelt werden.
WIE WIRD KRAMPNITZ ZUM WOHNGEBIET?
Schon 2007/2008 hat die Brandenburgische Bodengesellschaft (BBG) das zum größten Teil landeseigene Gelände für 4,1 Millionen Euro an das Unternehmen TG Potsdam verkauft. Ob es dabei mit rechten Dingen zuging oder das Areal möglicherweise verscherbelt wurde, ist bis heute nicht geklärt: Seit rund zweieinhalb Jahren beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags damit. Mittlerweile halten die Behörden den Investor für unseriös, offenbar sollte mit dem Firmengeflecht um den Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx nur ein Teil der Flächen entwickelt und gewinnbringend wieder verkauft werden. Jetzt will die Stadt das Gelände selbst zum Wohngebiet machen und es dafür als sogenanntes Entwicklungsgebiet ausweisen. Im Januar wurde die dafür nötige vorbereitende Untersuchung vorgestellt, die eine Eignung des Geländes bescheinigt. Die Ausweisung als Entwicklungsgebiet gilt als härtestes Instrument im Städtebaurecht und muss etwa durch großen Druck auf dem Wohnungsmarkt begründet sein. Sollte es dazu kommen, wären Spekulationen ausgeschlossen und die Immobilienpreise auf dem Stand von 2010 eingefroren. Die Stadt würde die Flächen vom Land kaufen und dann die einzelnen Grundstücke wieder an private Investoren verkaufen. Diese können die Gebäude – nach Vorgaben der Stadt – bauen beziehungsweise schon bestehende sanieren und anschließend verkaufen oder vermieten. Läuft alles so, wie sich die Verantwortlichen das vorstellen, könnten die ersten Grundstücke Ende 2014 oder Anfang 2015 verkauft werden. Vorher müssen aber noch einige rechtliche Dinge geklärt werden.
WIE IST DIE RECHTLICHE SITUATION?
Zum einen läuft derzeit ein Rechtsstreit zwischen der TG Potsdam und dem Land. 2011 hat Brandenburg von seinem Wiederkaufsrecht Gebrauch gemacht, um das Gelände zurückzubekommen. Doch die TG Potsdam legte Klage ein, nun muss das Landgericht Potsdam entscheiden, wer der rechtmäßige Eigentümer ist. Hinzu kommen noch weitere Verfahren, die den Verkauf an das Firmengeflecht betreffen. Doch auch wenn die TG Potsdam den Rechtsstreit gewinnt, kann sie ihre Pläne nicht verwirklichen – zumindest falls Krampnitz tatsächlich Entwicklungsgebiet wird. Dafür müssen noch zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Einmal muss das Stadtparlament den Plänen zustimmen – am 8. Mai wird ein entsprechendes Papier erstmals in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Außerdem muss die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg zustimmen. Denn nach bisheriger Rechtslage ist eine Wohnbebauung im großen Stil nicht vorgesehen. Die Stadt strebt deshalb ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren an.
WAS KOSTET DAS ALLES?
In der vorbereitenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Stadt aus dem Verkauf der einzelnen Flächen und Gebäude 61,05 Millionen Euro einnimmt. Dem stehen Ausgaben von 65,75 Millionen Euro entgegen, etwa für Planung, Infrastruktur und Vermarktung. Hinzu kommen Kredite in Höhe von 20,41 Millionen, die aber teils wieder getilgt werden. Am Ende der Entwicklung soll Potsdam den Berechnungen zufolge mit einem Minus von 10,72 Millionen Euro dastehen.
WELCHE RISIKEN GIBT ES?
Eine Gefahr könnte die mangelnde Nachfrage nach Wohnungen sein. Dies scheint angesichts der Statistiken allerdings unwahrscheinlich. Noch eher zum Problem könnte möglicherweise die relativ große Entfernung zur Innenstadt sein, die mögliche Interessenten abschreckt. Etwa fünf bis sieben Kilometer sind es je nach Referenzpunkt bis zum Kasernengelände, ob eine Straßenbahn gebaut wird, ist noch fraglich. Eine weitere Gefahr lauert im Boden: In den 1980er-Jahren sind bei einer Wäscherei 500 Kilogramm Reinigungsmittel Trichlorethen – ein damals übliches Entfettungsmittel – in den Boden versickert. An dieser Stelle ist der Boden verseucht, die Gefahr für das Potsdamer Gewässernetz wird unterschiedlich bewertet.
WER IST GEGEN DIE PLÄNE DER STADT?
Gegen die Ausweisung des Geländes als Entwicklungsgebiet ist selbstverständlich die TG Potsdam, die dann ihre Pläne nicht verwirklichen könnte. Aber auch unter den Potsdamer Grünen gibt es einen Gegner: Den Stadtverordneten Andreas Menzel. Im Gegensatz zu seinem Parteifreund, dem Baubeigeordneten Matthias Klipp, hält er das Projekt für nicht mit dem Umweltschutz vereinbar. Er kritisiert vor allem, dass Teile des Landschaftsschutzgebiets Königswald überbaut werden sollen. Zudem befürchtet er deutlich mehr Verkehr durch das neue Viertel. Dass tatsächlich eine Trambahn nach Krampnitz führen wird, wie es von der Stadt erwogen wird, hält Menzel für illusorisch. Und noch jemanden gibt es, dem die Pläne der Stadt missfallen: Den Bauern Ernst Ruden. Nach den Plänen der Vorbereitenden Untersuchung müsste er einen Teil seiner Ackerflächen entweder verkaufen oder selbst bebauen lassen – beides lehnt er ab. Sollten seine Flächen aber Teil des Entwicklungsgebietes werden, hat er laut Stadt keine Möglichkeit, sich dem zu entziehen. Ein Widerspruch gegen den entsprechenden Vermerk im Grundbuch ist nicht möglich.
Die große PNN-Krampnitz-Serie: Kommenden Freitag lesen Sie, welche Häuser, Grundstücke und Infrastrukturprojekte in Krampnitz genau geplant sind.
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