Flüchtlinge in Potsdam: Der größte Wunsch
Rrapo und Vjolla Oruci leben seit Juli in Potsdam. Im Februar soll ihr zweites Kind zur Welt kommen. Zum Weihnachtsfest sind sie bei zwei Potsdamer Familien eingeladen. Aber den Orucis droht die Abschiebung.
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Einen Weihnachtswunsch? Rrapo Oruci schaut seine Frau Vjolla an, die sich mit der Hand über den Babybauch streicht. Da wäre so vieles. Nur in Geschenkpapier verpacken kann man es nicht. „Wir wollen ein gutes Leben für unser Kind“, sagt der 33-jährige Albaner schließlich. Erst seit Juli wohnen die Orucis mit ihrem vierjährigen Sohn Bashkim in Potsdam. In Albanien hätten sie ihm nicht einmal Schokolade kaufen können, erzählt der Vater mit Tränen in den Augen. „Hier in Potsdam ist er glücklich.“
Aber die Uhr tickt. Im Februar soll das Schwesterchen zur Welt kommen. Im April läuft die Duldung für die Familie aus, dann droht die Abschiebung. Dass die Orucis eine Verlängerung oder Asyl bekommen, ist unwahrscheinlich. Denn Albanien gilt seit Kurzem als „sicheres Herkunftsland“. Die anderen albanischen Familien, die anfangs mit im Flüchtlingsheim im Bornstedter Feld lebten, sind alle schon wieder weg, erzählt Rrapo Oruci. Nur weil seine 24-jährige Frau hochschwanger ist, ist die Familie noch hier. Keine guten Voraussetzungen für fröhliche Weihnachten.
Dabei sind die Orucis zumindest ein Stück weit auch angekommen in Potsdam. Bashkim besucht eine Kita, die Eltern haben erste Kontakte und Freundschaften geknüpft. Zum Beispiel zu Silvana Uhlrich-Knoll. Die 36-jährige Gesangs- und Theaterpädagogin war im Juli kurzerhand mit einem Kuchen in der David-Gilly-Straße vorbeigekommen, als dort die neue Flüchtlingsunterkunft eröffnete, erzählt sie. Sie engagierte sich weiter für die Neuangekommenen in der Nachbarschaft, half wie viele andere zum Beispiel bei der Kleidersammlung. Der Kontakt zu den Orucis habe sich nach und nach entwickelt. „Wir haben uns immer wieder gesehen und die Sympathie war da“, erzählt Silvana Uhlrich-Knoll. Dass es menschlich passt, sei ihr wichtig, sagt die Mutter, die selbst eine Patchwork-Familie mit drei Kindern hat.
Ungefähr einmal pro Woche trifft sie sich mit den Orucis, begleitet sie bei Amtsgängen, unternimmt Ausflüge, hilft beim Deutschlernen. Das ist eine Herausforderung: Denn auch Englisch sprechen die beiden kaum. Mittlerweile können sie sich schon leidlich auf Deutsch verständigen. Vjolla Oruci hat beim PNN-Gespräch ihr rotes Wörterbuch und ein Vokabelheft dabei und schlägt immer mal wieder ein Wort nach.
Geholfen hat auch ein anderer Potsdamer: Michael Koßmann, ein pensionierter Musikschulleiter, der ebenfalls in der Nachbarschaft wohnt. Seine Frau habe schon vor Längerem eine Patenschaft für einen in Berlin lebenden jugendlichen Flüchtling übernommen, erzählt er den PNN. Als dann die Unterkunft in der Nachbarschaft eröffnete, meldete er sich als Helfer: „Ich habe ja die Zeit.“ Auch für ihn spielt Sympathie eine Rolle – mit den Orucis stimme es eben einfach.
Die Weihnachtsfeiertage wird die albanische Familie deshalb nicht nur in der Unterkunft verbringen müssen. Am Heiligabend sind sie mit weiteren Flüchtlingen bei Koßmanns zum Essen eingeladen, am ersten Weihnachtstag bei der Familie von Silvana Uhlrich-Knoll.
Dort wird es eine große Runde: Die Eltern und Schwiegereltern werden erwartet, auch die Schwester mit ihren Kindern kommt zum Festtag, außerdem sind zwei weitere Flüchtlinge eingeladen, wie die Potsdamerin erzählt. Etwa 20 Leute werden an der Weihnachtstafel sitzen, es soll ein Drei-Gänge-Menü geben und gesungen werden. Kirchlich feiert Silvana Uhlrich-Knoll das Fest ohnehin nicht. „Wir möchten einfach eine schöne Zeit zusammen verbringen.“ Sie öffne ihr Zuhause zwar das erste Mal zu Weihnachten für Flüchtlinge: „Wir sind es aber gewohnt, internationale Gäste zu haben.“ Als langjähriges Mitglied bei der Jugendorganisation Iheyo (International Humanist and Ethical Youth Organization) habe sie beispielsweise einen Austausch mit Indien organisiert. Für die Gesangspädagogin ist das Engagement für Flüchtlinge eine Selbstverständlichkeit. „Ich finde es wichtig, im Herzen diese Öffnung zu tragen“, sagt sie. Das will sie auch ihren Kindern vermitteln: „Man soll den Menschen sehen, nicht die Religion.“
Die Orucis sind wie die meisten Albaner Muslime. Weihnachten werde in Albanien aber trotzdem gefeiert, erzählen sie – als Familienfest, auch ein Weihnachtsbaum gehöre dazu. Die albanische Familie ist deshalb sehr glücklich über die Weihnachtseinladungen. Überhaupt zeigen sie sich beeindruckt von der Stadt und den Potsdamern. „Die Leute sind so freundlich“, sagt Vjolla Oruci.
Für die albanische Familie sind die neuen Freundschaften auch mit Hoffnung verbunden. Wenn sie die Sprache lernen und eine Arbeit finden, könnten sie vielleicht doch bleiben. Rrapo Oruci arbeitete zuletzt in einer Mine in Griechenland. Nach zehn Jahren habe er den Job verloren. Bei griechischen Restaurants in Potsdam hat er sich schon umgehört – bisher aber ohne Erfolg, auch weil die Anstellung von Einwanderern mit viel Bürokratie verbunden ist. Die Orucis sehen ihre Zukunft dennoch in Potsdam: „Wir möchten hierbleiben“, sagt Rrapo Oruci. Es ist ein großer Weihnachtswunsch.
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