Landeshauptstadt: Der Herbst des Künstlers
Fünf Kultureinrichtungen würdigen mit „Peter Weiss 100 – Potsdamer Positionen“ das umfangreiche uvre des in Potsdam geborenen Malers, Dramatikers, Autors und Filmemachers
Stand:
Es ist bei einem Künstler wie Peter Weiss eigentlich gar nicht anders möglich, als dass Häuser verschiedener Kunstrichtungen kooperieren, um sein Werk zu würdigen. Und einen Menschen, der als Dramatiker und Autor weltberühmt wurde, dessen filmisches und bildnerisches Werk heute aber mindestens ebenso spannend zu betrachten ist. Am 8. November wäre Weiss 100 Jahre alt geworden. Geboren wurde er in Nowawes, dem heutigen Babelsberg, in der Rudolf-Breitscheid- Straße 232. Bereits nach zwei Jahren ist er mit seiner Familie nach Bremen gezogen. Dennoch wollen Museen, Universität und Theater ihm in seiner Geburtsstadt eine besondere Präsenz verleihen – so umfassend, wie es kaum ein anderer Ort derzeit in Deutschland vollbringt. Es ist eine Art Gesamtschau mit „Ausnahmecharakter“, wie Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, bei der Vorstellung des Programms am Montag sagte. Gezeigt wird die eher unbekannte Seite von Weiss: seine Gemälde, Collagen, Illustrationen und seine Filme. Den gesamten Herbst über hat man damit in Potsdam Gelegenheit, den vielbegabten Künstler wiederzuentdecken.
DAS POTSDAM MUSEUM
An diesem Freitag eröffnet das Museum am Alten Markt seine Ausstellung „Inmitten meiner Bilder“. Wenn auch von weniger Weltruhm gekrönt, so war die Malerei für Weiss doch maßgeblich. Schließlich stand sie am Anfang seines künstlerischen Werdegangs. Das Museum zeichnet diesen Weg nach: Auf Vermittlung des Künstlerfreundes Hermann Hesse, der bei Weiss das „Durcheinander von Dichtung und Malen gern“ hat, beginnt er 1937 ein Kunststudium in Prag. Das Potsdam Museum zeigt etwa zwei seiner Selbstbildnisse und die ihn später zur Literatur führenden Collagen. Ein Kapitel der Ausstellung widmet sich der Zerstörung seiner Werke – zum einen durch die eigene Mutter, aus Angst vor den Nationalsozialisten, zum anderen durch einen spektakulären Kunstraub im Jahre 2008, als etwa 500 Werke, darunter sehr viele Gemälde der späten 1930er-Jahre, aus dem Werkdepot gestohlen wurden.
DAS FILMMUSEUM
Ein ambitioniertes und äußerst umfangreiches Programm hat das Filmmuseum Potsdam zusammengestellt. Der Film nimmt bei Weiss eine besondere Rolle ein: Die Foyerausstellung „Widerständige Bilder“ versucht, den Künstler Peter Weiss hinter den Kulissen zeigen – mit Briefen etwa von Samuel Beckett oder Regieskizzen. Zu sehen sind weiterhin Materialien zu seinen Filmen sowie ein TV-Mitschnitt einer Lesung seines Dokumentarstücks „Die Ermittlung“ von 1965 in der DDR-Volkskammer. Die Ausstellung wird am 30. September eröffnet. Eine begleitende Reihe präsentiert das gesamte kinematographische Werk des Künstlers seit 1986 – vom experimentellen surrealistisch anmutenden Kurzfilm bis zum Dokumentarfilm.
DAS HANS OTTO THEATER
An eine eigene Inszenierung eines Weissschen Stoffes hat sich das Theater nicht gewagt. Dabei war Potsdam am 19. Oktober 1965 einer der 16 Orte in der DDR und der BRD, die zeitgleich Weiss’ Stück „Die Ermittlung“ aufführten. Stattdessen hat sich das Haus, getreu seiner Fokussierung auf die Flüchtlingsthematik, den Roman „Fluchtpunkte“ von 1962 ausgewählt. Peter Weiss erinnert sich darin an seine Ankunft im Exil in Schweden zu Beginn der 1940er-Jahre und wie er das Fremdsein erlebt – auf der Suche nach einer eigenen künstlerischen Sprache und politischen Orientierung. Der Text sei „wie aus unserer Gegenwart heraus gesprochen“, sagt die Chefdramaturgin des Hauses, Ute Scharfenberg. Unter dem Titel „Mitteilung eines Fremden“ liest HOT-Schauspieler Michael Schrodt aus dem Roman, im Potsdam Museum am 13. Oktober und am 6. November im Neuen Theater.
UNIVERSITÄT POTSDAM
Auf einem literaturwissenschaftlichen Symposium unter dem Titel „Ermittlungen – 100 Jahre Peter Weiss“ werden vom 6. bis 8. September im Potsdam Museum die Texte in den Mittelpunkt gerückt. So soll unter der Leitung von Hans-Christian Stillmark vom Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam die damalige Rezeption des Stückes über den Auschwitzprozess, „Die Ermittlung“, in Ost und West rekonstruiert und zu seiner Aktualität befragt werden. Der damalige Regisseur Peter Kupke erinnert sich etwa an die Potsdamer Inszenierung. Zu Gast – neben Literaturwissenschaftlern aus Ungarn und Frankreich – ist auch Volker Braun, „ein Dramatiker, der ohne Weiss undenkbar ist“, so Stillmark. Braun wird einen Vortrag halten – „Ein Ort für Peter Weiss“. Das Symposium richtet sich ausdrücklich auch an die breite Öffentlichkeit.
POTSDAMER KUNSTVEREIN
Der Potsdamer Kunstverein ergänzt den Peter-Weiss-Herbst mit einer Ausstellung. Ab dem 19. September sind in der Charlottenstraße 121 Theaterplakate zu Inszenierungen seiner Stücke zu sehen – aus Städten wie Barcelona, Paris, Berlin und Stockholm. Darunter die Ankündigungen zu den legendärsten Aufführungen wie „Marat/Sade “ in der Regie von Peter Brook, das Stück, mit dem Weiss 1964 plötzlich Weltruhm erlangte, oder „Viet Nam Diskurs“ in der Inszenierung von Peter Stein.
Informationen zu diesen und weiteren Veranstaltungen: www.peterweiss.org/aktuelles.html
nbsp;Grit Weirauch
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: