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Brandenburger Ladenöffnungsgesetz: Der Kampf um den Sonntag

Ist er zum Entspannen da? Oder zum Geldverdienen? Ein Überblick über die heftige Debatte über die Sonntagsöffnung.

Von Katharina Wiechers

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Im Potsdamer Rathaus dürfte man die erste Debatte um das Brandenburger Ladenöffnungsgesetz am Mittwoch im Brandenburger Landtag mit Spannung verfolgt haben. Nicht umsonst wird die von der rot-roten Landesregierung geplante Novelle auch Lex Potsdam genannt, schließlich zählte die Landeshauptstadt zu den vehementesten Befürwortern einer Ausweitung der Sonntagsöffnungszeiten – und genau diese soll nun in dem Gesetz verankert werden. Doch die Anhörung im Landtagssozialausschuss dürfte die Euphorie etwas gebremst haben. Sehr heftig wurden die Pläne dort kritisiert – bis hin zu einer Klagedrohung. Ein Überblick über die unterschiedlichen Sichtweisen.

Was sagen die Befürworter? 

Die Befürworter der Novelle argumentieren unter anderem damit, dass der Onlinehandel dem Einzelhandel große Konkurrenz macht und letztere durch eine Sonntagsöffnung stabilisiert werden könne. „Das ist Wirtschaftsförderung, die das Land nichts kostet“, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Karl-Ludwig Böttcher. Aus Sicht des Hauptgeschäftsführers der IHK Cottbus, Wolfgang Krüger, könnte eine Ausweitung der Sonntagsöffnung dabei helfen, Brandenburgs Innenstädte zu beleben und letztlich Leerstand in Städten wie Calau, Vetschau oder Lübben zu vermeiden. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg verwies darauf, dass jedes einzelne Geschäft ja weiterhin nicht mehr als sechs Mal pro Jahr öffnen dürfe. Tatsächlich ist vorgesehen, dass die Geschäfte in einzelnen Gemeindegebieten an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen, nicht aber an insgesamt mehr als sechs Sonntagen pro Stadtteil. Aus Sicht von Johannes Wagner vom Landkreistag würde eine erweiterte Sonntagsöffnung bei „regionalen Ereignissen“ sogar den Zusammenhalt von Gemeindeteilen stärken. Er könnte sich auch zum Beispiel Firmenjubiläen als ein solches Ereignis vorstellen.

Was sagen die Gegner? 

Nicht zuletzt hieran stießen sich bei der Debatte am Mittwoch die Kritiker der Gesetzesnovelle. Ein Herbstfest, ein Möbelfasching oder gar das Jubiläum eines einzelnen Unternehmens reichen aus ihrer Sicht nicht als Argument dafür aus, den Schutz des Sonntags aufzuhebeln. Dieser sei schließlich verfassungsmäßig geschützt – zuletzt bestätigt bei einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2009. Der Sonntag ohne Zeitdruck und Fremdbestimmung sei kein Tag wie jeder andere, so Matthias Milke von der Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände. Er sei reserviert für das Treffen mit Freunden und Familie, für Sport und Vereinstätigkeiten. Schon jetzt arbeiteten 30 Prozent der Erwerbstätigen an Sonn- und Feiertagen, die Novelle würde eine weitere Verschlechterung bedeuten. Auch die Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche hoben die Bedeutung des freien Sonntags hervor. „Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht andersherum“, so der Länderbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz, Martin Vogel. Auch das Argument, dass eine erweiterte Sonntagsöffnung dem Onlinehandel die Stirn bieten und die Umsätze steigern könnte, wollten die Kritiker nicht gelten lassen. So rechnete Verdi Fachbereichsleiterin Erika Ritter vor, dass der Einzelhandel in Bayern seinen Umsatz um 2,1 Prozent und in Sachsen um 2,9 Prozent gesteigert habe – obwohl dort schon jetzt eine strengere Regel zur Sonntagsöffnung gelte. In Brandenburg seien es im selben Zeitraum nur 1,7 Prozent gewesen. Ein Zusammenhang bestehe hier also offenbar nicht, so Ritter. Auch sie meldete wie die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher Zweifel daran an, dass die Neuregelung den ländlichen Bereich stärke. Schon jetzt werde an kaum einem ländlichen Ort die Möglichkeit von sechs verkaufsoffenen Sonntagen genutzt, so Ritter. Die Ausweitung der Sonntagsöffnung sei aus ihrer Sicht ein reines Wettbewerbsinstrument. Wie die übrigen Kritiker zweifelt sie außerdem an der Rechtssicherheit der Novelle. „Da bieten sich Einfallstore ohne Ende für die nächste Klagewelle.“

Was sagt die rot-rote Koalition? 

Mit Spannung war die Haltung der Linke-Regierungsfraktion erwartet worden, deren Mitglieder zwar eigentlich arbeitnehmer- und gewerkschaftsnah sind, deren Fraktion den Gesetzentwurf aber gemeinsam mit jener der SPD eingebracht hatte. Neben einigen vorsichtig kritischen Nachfragen fiel vor allem die Wortmeldung des Linke-Abgeordneten Matthias Loehr auf. Er betonte die Freiwilligkeit von Sonntagsarbeit, verwies auf die Vorteile durch Gehaltszuschläge und sagte, er kenne „niemanden, der zu Sonntagsarbeit verdonnert wird“.

Was sagt die Stadt Potsdam? 

Im Potsdamer Rathaus hofft man darauf, dass der Gesetzentwurf durchkommt – um die vielen stadtteilbezogenen Veranstaltungen zu unterstützen und den Erwartungen der Gäste zu entsprechen, so Wirtschaftsförderungschef Stefan Frerichs am Mittwoch. Von einer Lex Potsdam will er nicht sprechen. Auch andere Städte würden profitieren, betonte er.

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