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Landeshauptstadt: Der Klang der Synagoge Oberkantor Samuel Guttmann war mit dem Garnisonkirchenorganisten Becker befreundet

Samuel Guttmann war der Oberkantor der Potsdamer Synagoge. Er wurde am 25.

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Samuel Guttmann war der Oberkantor der Potsdamer Synagoge. Er wurde am 25. Juni 1879 im ostpreußischen Königsberg geboren und war ein Schüler des Komponisten Eduard Birnbaum. Als er die Kantorenstelle in Potsdam antrat, war er bereits verheiratet mit der zwei Jahre älteren Rebecka.

Guttmann war nicht der einzige Kantor der Synagoge am Wilhelmplatz 1 – wie der Platz der Einheit damals hieß. Die Potsdamer Gemeinde konnte sich mit Josef Apriasky einen zweiten Kantor leisten, wie der Rechtshistoriker Wolfgang Weißleder, einer der Initiatoren des Stolperstein-Projektes, recherchiert hat. Welche Werke Guttmann in der Synagoge gespielt oder vielleicht sogar komponiert hat, darüber hat Wolfgang Weißleder bislang jedoch nichts herausfinden können. Er hoffe auf die wissenschaftliche Arbeit des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, das gerade mit der Kantorenausbildung begonnen hat, sagt er.

Verbürgt ist dagegen das Engagement Guttmanns im Allgemeinen Deutschen Kantorenverband, dessen zweiter Vorsitzender der Potsdamer Oberkantor wird. 1931 meldet er sich in der in Berlin erscheinenden Jüdisch-Liberalen Zeitung zu Wort: In einem Grundsatzartikel wendet er sich gegen die „Aschenbrödelstellung“ seiner Berufskollegen in der Alltagspraxis und beklagt die selbstherrliche und kleinliche Bevormundung der Kantoren durch zumeist unkundige Gemeindeprominenz.

Vielleicht hat Guttmann über diese Themen auch mit Professor Otto Becker diskutiert: Mit dem Organisten und Glockenspieler der Garnisonkirche pflegte der Kantor jedenfalls berufliche und private Kontakte. Von 1915 bis 1934 spielte Becker sowohl am Samstag in der Synagoge als auch am Sonntag in der Garnisonkirche die Orgel.

Gewohnt haben die Guttmanns direkt neben der Synagoge, am Wilhelmplatz 2. Bis 1939 ist die Familie laut den Adressbüchern der Stadt dort noch gemeldet. Was erst durch die Stolperstein-Recherchen bekannt wurde: Das Grundstück gehörte der jüdischen Gemeinde, neben den Wohnungen im Vorderhaus war im Hinterhaus ein Versammlungsraum sowie eine koschere Küche für die Synagogengemeinde untergebracht.

Im Frühjahr 1939 geht die kurz vor der Jahrhundertwende gebaute Synagoge zusammen mit dem Nachbarhaus durch Zwangsverkauf an die Reichspost. Im Kaufvertrag wird sogar festgelegt, dass die Gemeinde noch die Instandsetzung der in der Pogromnacht 1938 eingeworfenen Fenster bezahlen muss.

Wie alle Juden müssen jetzt auch die Guttmanns ein Viertel ihres Besitzes als „Judenvermögensabgabe“ entrichten. Am Wilhelmplatz 2 entsteht ein „Sammelhaus“ für Potsdamer Juden. Als Samuel Guttmann im Oktober 1942 den „Heimeinkaufsvertrag“ für die „Gemeinschaftsunterkunft“ in Theresienstadt unterzeichnet, ist er bereits Witwer. Rebecka Guttmanns Spuren verlieren sich im jüdischen Altersheim in der Babelsberger Bergstraße.

Am 28. Oktober 1942 wird Samuel Guttmann deportiert, am 17. Mai 1943 stirbt er 63-jährig im Konzentrationslager Theresienstadt. Sein Körper wird verbrannt – eine letzte Erniedrigung für Juden, denn die Verbrennung ist gegen den jüdischen Brauch. Die Asche des ehemaligen Oberkantors wird in die Eger gestreut, wie der Potsdamer Religionslehrer Günter Herken aus den Akten der Gedenkstätte Theresienstadt erfuhr. Das Schicksal seiner Kinder Erich und Ilse liegt völlig im Dunkeln. Jana Haase

Am Donnerstag werden in Potsdam die ersten „Stolpersteine“ verlegt. Mit diesem Gedenk-Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig soll an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden - bundesweit bereits in mehr als 300 Orten. Die PNN stellen jeden Tag einen jüdischen Potsdamer vor, vor dessen letzter Wohnung bald ein „Stolperstein“ liegen wird.

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