zum Hauptinhalt

IM SCHATTEN STRADIVARIS: Der Klang ist das beste Argument

Für Markus Opitz ist das Besondere an seinem Beruf, überhaupt eine Lehrstelle bekommen zu haben

Stand:

Das Interesse an seinem Handwerk mag Markus Opitz nicht so recht einleuchten. So außergewöhnlich sei es nun auch wieder nicht, als Geigenbauer zu arbeiten. Dass es von der Prignitz bis Teltow-Fläming nur vier Streichinstrumentenbauer gibt und die alle in Potsdam arbeiten, lässt er nicht gelten. „Schauen Sie mal nach Berlin“, sagt Markus Opitz, da gebe es in fast jedem Stadtteil einen.

Wer in der Werkstatt von Markus Opitz in Babelsberg sitzt, dem erscheint Berlin sehr weit weg. Selbst den Verkehr vor dem Fenster auf der Schulstraße nimmt man an Opitz’ täglichem Arbeitsplatz kaum wahr. Dass seine typische Arbeitsatmosphäre von Außenstehenden schnell romantisiert wird, kostet Markus Opitz nur ein Schulterzucken. Ein langgezogener Arbeitstisch steht an der Wand mit den hohen Fenstern, Regale sind bis unter die hohe Decke gebaut, darin Werkzeug und Holz. Es riecht angenehm nach Lacken und Polituren, mit denen die Oberflächen der Instrumente versiegelt werden. In einem kleinen Nebenzimmer stehen größere Maschinen. Gelegentlich schleichen Katzen durch die Werkstatt und greinen um Aufmerksamkeit. In einem Schrank mit Glastür hängen Konzertgitarren. Doch dazu später.

Seit 1990 hat Opitz seine Werkstatt in Babelsberg. Fragt man ihn, was das Besondere an seinem Beruf sei, antwortet Opitz, überhaupt eine Lehrstelle bekommen zu haben. Opitz, in Potsdam geboren, Sohn eines Pfarrers, wollte ausgerechnet Ende der 1970er Jahre in der DDR Geigenbauer werden. „In der Schule wurde für Lehrstellen im sozialistischen Produktionsbetrieb geworben und ich kam mit meinem absurden Berufswunsch.“ Markus Opitz ließ sich nicht beirren, seine Familie schrieb Eingaben bis zur Staatsspitze und schließlich begann er 1978 in Markneukirchen im Vogtland, dem Zentrum des Instrumentenbaus, seine Ausbildung.

Er durchlief die Ausbildung und machte später den Meister, um seine eigene Werkstatt eröffnen zu können. Markus Opitz ging seinen Weg mit einer ihm eigenen Sturheit und seine Erfahrungen dabei haben ihn Skepsis gelehrt. Daraus resultiert eine gewisse Reserviertheit, mit der er fremde Menschen anfangs auf Distanz hält. Doch es dauert nicht lange, bis sich Opitz öffnet und seine leichte Grummeligkeit zu einem sympathischen Charakterzug wird. Dass mancher sich genau so einen Geigenbauer in seiner kleinen Werkstatt vorstellt, sagt man ihm lieber nicht, weil er über so viel Klischee nur die Augen verdrehen würde.

Etwas zehn hochwertige Instrumente baut Markus Opitz im Jahr, Violinen oder Celli, mit moderner Besaitung. Daneben repariert er Instrumente und verkauft Zubehör vom Bogen bis zur Saite. Bis zu 200 Arbeitsstunden braucht es, bis so ein Meisterinstrument, das mehrere tausend Euro kostet, fertig ist. Mit der Auswahl des richtigen Holzes beginnt diese Arbeit, Fichte für die Decke, Ahorn für den Boden und die als Zargen bezeichneten Seitenteile. Dann wird der Hals mit der Schnecke (Kopf) geschnitzt, der Zargenkranz gebaut und Decke und Boden hergestellt. Es folgt das Verleimen und Lackieren. Zum Schluss werden die Saiten aufgezogen und spielfertig gemacht. In dieser arg verkürzten Zusammenfassung stellt sich der Instrumentenbau als Prozess von grober bis hin zur abschließenden Feinarbeit dar. Und wie kommt es nun zu diesem besonderen Klang?

Schlichtes aber qualitativ hochwertiges Handwerk und die Erfahrung des jeweiligen Geigenbauers. Von irgendwelchen Geheimnissen, die es auch nicht gibt, will Markus Opitz nicht reden. Und, ganz ehrlich, solcherart Gerede würde man ihm auch nicht abkaufen. Das beste Argument für ein gutes Instrument sei der Klang. „Wer verkauft, hat recht“, sagt Opitz.

Seine Instrumente verkauft Opitz nach Süddeutschland und in die USA. Eines seiner Meisterinstrumente nach Potsdam oder nach Berlin zu verkaufen, komme nur selten vor. In Zeiten von Internetkaufhäusern und Billigangeboten im Supermarkt ist es oft schwer zu vermitteln, dass ein gutes Instrument nicht nur gut klingt, sondern auch einen guten Preis hat. Doch trotz Billiganbieter und günstiger Instrumente aus dem asiatischen Raum will Markus Opitz nicht vom „Untergang des Abendlandes“ sprechen wie manche seiner Kollegen. Er sieht das eher pragmatisch. „Wer sich bei Netto als Anfänger eine Billiggeige kauft und dann begeistert weitermacht, der wird sehr schnell merken, was ein gutes Instrument wert ist.“

Markus Opitz hat als Kind Geige gespielt. In der Pubertät packte ihn dann die große Unlust. Und obwohl ihm alle abrieten und sagten, dass er es später bereuen würde, hat er aufgehört . „Sie hatten recht, ich habe es schon oft bereut“, sagt Opitz. Aber er ist diesem Instrument trotzdem treu geblieben, auf eine andere Art. Und auch der Musik. „Ich habe ja schließlich noch ein Privatleben“, sagt er mit leicht knurrendem Ton, als bei der Verabschiedung noch einmal das Gespräch auf den Schrank mit den Gitarren kommt. Doch ganz so kategorisch ist die Trennung von Beruf und Freizeit nicht zu verstehen. Über zehn hochwertige spanische Konzertgitarren hängen in dem Schrank, von denen Opitz selbst eine spielt. Die übrigen bietet er zum Verkauf an.

Die PNN stellen in einer sechsteiligen Serie, die donnerstags und montags erscheint, Potsdamer Instrumentenbauer vor.

Instrumente des berühmten Italieners Antonio Stradivari (1644-1737) gelten bis heute als Maßstab im Geigenbau. Etwa 1000 Streichinstrumente soll Stradivari gebaut haben, von denen noch 600 existieren sollen. Neben den Instrumenten Stradivaris gehören die des Geigenbauers Guarneri del Gesus (1698-1744) heute zu den wertvollsten und begehrtesten der Welt, die oft zu Höchstpreisen gehandelt oder von Stiftungen an Musiker verliehen werden. Doch während Stradivari schon zu Lebzeiten bekannt war und sich entsprechend zu vermarkten wusste, blieb Guarneri stets im Schatten Stradivaris und soll als armer Mann gestorben sein. Berühmt wurde er erst durch einen anderen Mann, der eines seiner Instrumente spielte: Niccolò Paganini. D.B.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })