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In großem Stil. Der Bauboom in China – hier ein 328 Meter hoher Wolkenkratzer im ostchinesischen Huaxi – kennt derzeit kaum Grenzen. Das hat Folgen.

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China hat die USA bei CO2-Emissionen eingeholt. Klimaforscher sehen den Bauboom als Ursache

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Potsdamer Klimaforscher haben in China eine Trendwende bei der Emission des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) ausgemacht. Wie sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Environmental Science and Technology“ schreiben, geht der derzeitige Anstieg an CO2-Emissionen in China auf Investitionen im Bausektor zurück. Bislang sei der Emissionsanstieg im bevölkerungsreichsten Land der Erde auf steigenden Konsum und Exporte zurückzuführen gewesen. Die Forscher sprechen daher von der Umkehr eines langfristigen Trends. „Der bisherige Emissionsanstieg kann heute durch Einsparungen aus Effizienzsteigerungen ausgeglichen werden“, erklärt Jan C. Minx, Leitautor der Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der TU Berlin. Durch Bauvorhaben im Infrastruktursektor würden diese Einsparungen nun allerdings wieder konterkariert. „Und was noch wichtiger ist: sie bestimmen die Emissionen von morgen“, heißt es in dem Bericht des internationalen Forscherteams um Jan C. Minx.

Grund für den rasanten Anstieg der chinesischen Treibhausgas-Emissionen sei nun der Bau von Gebäuden, Kraftwerken und Straßen. „Das schnell wachsende Investitionsvolumen im Infrastrukturbereich hat zu einer Ausweitung des Bausektors und seiner Energie- und CO2-intensiven Zuliefererkette geführt, etwa der Stahl- und Zementindustrie“, so die Analyse der Klimaforscher. Dies habe zur Folge, dass zunehmend mehr Kohlendioxid freigesetzt werde. „Bis 2002 gab es ein Wettrennen zwischen steigendem Konsum und Effizienzsteigerungen“, erklärt Jan C. Minx. Der jüngste Emissionsanstieg sei nun allerdings komplett auf einen massiven Strukturwandel innerhalb der chinesischen Wirtschaft zurückzuführen. Die Emissionen würden schneller und schneller steigen, weil CO2-intensive Sektoren, die mit dem Bau von Infrastrukturprojekten verbunden sind, an Bedeutung gewonnen hätten. „China hat sich zu einem ‚karbonisierenden Riesen’ entwickelt.“

Wichtig ist das Potsdamer Ergebnis in Hinblick auf die globale Erderwärmung in erster Linie vor dem Hintergrund, dass China vor kurzem die USA als weltgrößten Energieverbraucher und CO2-Verursacher überholt hat. Chinas Emissionen haben sich laut Studie zwischen 1992 und 2007 fast verdreifacht, während die der USA relativ stabil blieben. 2007 entfielen auf China rund 6,7 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß, auf die USA 5,8 Milliarden Tonnen. Damit lag der chinesische Anteil bei 22,7 Prozent des weltweiten Ausstoßes, der Anteil der USA bei 19,7 Prozent.

Mit Abstand der größte Teil des Anstiegs habe zwischen den Jahren 2002 und 2007 stattgefunden. „Allein der jahresdurchschnittliche Anstieg der CO2-Emissionen in diesem Zeitraum ist in seiner Größenordnung vergleichbar mit den jährlichen CO2-Emissionen von Großbritannien“, so die PIK-Forscher. Zwar würden die Exporte den größten Zuwachs an CO2-Emissionen aufweisen. In absoluten Zahlen würden jedoch die Kapitalinvestitionen des Bausektors vorne liegen.

Neben dem wachsenden Bausektor sehen die Wissenschaftler noch weitere wichtige Treiber für CO2-Emissionen in China. So sei auch die Urbanisierung ein bedeutender Faktor für den Anstieg der Emissionen vom Haushaltsverbrauch. Wenn Menschen vom Land in die Stadt ziehen, gehe das mit einem Lebensstilwandel einher, da städtische Bewohner in China verstärkt Gasheizungen und Elektrizität nutzen würden. Auch seien sie stärker abhängig von öffentlicher Infrastruktur, etwa um zur Arbeit zu gelangen. Die Urbanisierung spiele beim Anstieg der CO2-Emissionen eine größere Rolle als das Bevölkerungswachstum oder die Verkleinerung von Haushalten.

Bei der Suche nach Lösungen für das anwachsende Problem sehen die Klimaforscher die heutigen Infrastrukturmaßnahmen als ein Kernelement. „Der Energie- und kohlenstoffintensive Charakter von Großinvestitionen ist vermutlich schwer vermeidbar, da China als aufstrebendes Land seine Infrastruktur weiter ausbaut“, sagt Giovanni Baiocchi, Mitautor der Studie. Vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse betonen die Forscher nun, dass es wichtig sei, dass China in die richtige Infrastruktur investiere. „Die Art der Infrastruktur, die heute gebaut wird, bestimmt in großem Umfang die Emissionen und Vermeidungskosten der Zukunft“, sagt Baiocchi. Wenn heute in China die richtige Infrastruktur gebaut würde, könnte vermieden werden, dass es dort in Zukunft so hohe pro-Kopf Emissionen gibt wie in den USA. Ziel müsse daher eine Infrastruktur sein, die den Anstieg der CO2-Emissionen und somit die Erderwärmung begrenzt. Dabei schauen die Klimaforscher nicht nur nach China. Auch in anderen aufstrebenden Volkswirtschaften müsste auf CO2-arme Infrastruktur gesetzt werden. „Dies ist eine der zentralen globalen Herausforderungen auf dem Weg zu einer emissionsarmen Weltgesellschaft“, heißt es vom PIK.

In einer weiteren aktuellen Studie zu neuen Klima-Szenarien hatten die PIK-Forscher erst unlängst in der Fachzeitschrift „Climatic Change“ davor gewarnt, auf der Hälfte des Klimaschutz-Weges den Kurs zu ändern. „Wenn man in der Klimapolitik erst hohe Emissionen zulässt und dann gegen Ende des Jahrhunderts die Folgen als zu schwerwiegend bewertet, ist ein Umschwenken auf ein verträglicheres Klima-Szenario, das niedrigere Emissionen im 21. Jahrhundert bedingt hätte, technologisch kaum mehr machbar“, sagte Malte Meinshausen vom PIK. Die Menschheit müsse daher bereits vor 2020 mit der Absenkung ihres Ausstoßes von Treibhausgasen beginnen. Sonst sei eine Begrenzung der Erderwärmung auf weniger als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau nicht zu halten. Die Marke gilt als Grenze zur Bewältigung gefährlicher Auswirkungen des Klimawandels.

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