Landeshauptstadt: Der lange Weg zum Theater
Vom Brockeschen Palais bis zum Übungsplatz der Grenztruppen gab es 42 unausgeführte Entwürfe
Stand:
Ein langer Weg war es bis zum Potsdamer Theaterneubau. Niemand weiß das besser als Günter Knop. 1950 war er als junger Elektriker an das Brandenburgische Landestheater gekommen, hatte sich zum Beleuchtungs- und dann Theatermeister weitergebildet, wurde Technischer Leiter und war bis 1992 als Investitionsbeauftragter des Intendanten tätig. In diesen mehr als vier Jahrzehnten hat er nicht weniger als 42 Entwürfe und Varianten gezählt, von denen nur der letzte bis zum 1991 wieder abgerissenen Rohbau auf dem Alten Markt gedieh.
Als der aus Swinemünde (Swinoujscie) gekommene Günter Knop seine Arbeit am Theater begann, lag bereits ein Neubauplan vor. Als Standort sah er den Platz des Stadtschlosses vor. Der von der Landesregierung beauftragte Architekt Karl Friedrich Demmer schrieb zu seinem Entwurf: „Das neue Projekt geht zunächst von der völligen Umgestaltung des Alten Marktes aus. Es nimmt die Beseitigung der Reste des Stadtschlosses als gegeben an und setzt das Theater auf den neuen Platz.“ Dieser Vorschlag, urteilt Günter Knop rückblickend, war nicht ernst zu nehmen. Der mit 1679 Sitzplätzen überdimensionierte Theaterbau wäre weit über den Schlossgrundriss hinaus gegangen und hätte die städtebauliche Situation völlig verändert. Hinzu kam, dass dafür weder die Baumaterialien noch die Finanzierung gesichert werden konnten. Ergrimmt kommentierte Ministerialbaudirektor Dr.-Ing Erbs, man hätte die Ruine des Schauspielhauses am Kanal wieder ausbauen sollen, dann wäre „das Landestheater längst fertig gestellt und ein Millionenbetrag erspart worden“. Auch das sieht Günter Knop anders: „Die Kanaloper hätte nicht den Anforderungen genügt, die an einen modernen Theaterbau gestellt werden.“
Diese frühe Planung lagen allerdings vor seiner Zeit als Investbeauftragter. Knop hatte sich 1960/61 mit Planungen Ernst Pfrogners für die Potsdamer Mitte auseinanderzusetzen, der neben Kino und Hotel eine Stadthalle fast mittig auf dem Alten Markt und ein Theater am Platz der Einheit Süd vorsah. Auch diese Pläne wurden verworfen. 1968/69 schien es dann aber doch ernst zu werden mit dem Theaterneubau. Die Stadtverordnetenversammlung fasste einen Beschluss zum Wiederaufbau des Stadtzentrums, der vom SED-Politbüro bestätigt wurde. Aus einem städtebaulichen Wettbewerb ging der noch heute in Potsdam tätige Architekt Günther Vandenhertz als Sieger hervor. Sein Entwurf sah am Alten Markt eine Kombination von Stadthalle und Theater vor. Schon wurde für den 7. Oktober 1974, den 25. Jahrestag der DDR, die Eröffnung angekündigt. Doch auch dieser Entwurf blieb ein Luftschloss. Günter Knop erinnert sich, dass der Bau mit zirka 80 Millionen Mark zu teuer war. Sparvarianten, die nur noch ein Theater vorsahen, gingen dann bis zu dem unrealistischen Vorschlag, das Foyer gleichzeitig als Orchesterprobesaal zu nutzen. Mit der Arbeitsgruppe Bau – deren Sekretärin übrigens die Schriftstellerin Maxie Wander war – musste Knop immer wieder darum kämpfen, dass in den oft kühnen Entwürfen der Architekten die technologischen Voraussetzungen für einen Theaterbetrieb berücksichtigt wurden. „Man hätte das Vandenhertzsche Theater bauen können“, meint er, „doch das Gebäude hätte dann ganz anders ausgesehen als der Entwurf.“
Anfang 1971 war mit den Planungen ohnehin Schluss. Das SED-Politbüro favorisierte nun den Wohnungsbau. Jahrelang wurde mit einem Aufwand von schließlich drei Millionen Mark am Gebäude Zimmerstraße herumgebastelt, das seit 1949 als Theater diente. Doch trotz eines Heizhausbaus und eines neuen Garderobentrakts konnte die frühere Tanzgaststätte „Zum Alten Fritz“ kein richtiges Theater werden. Als Ende der 70er Jahre dann auch noch eine hohe Summe in den Zuschauersaal gesteckt werden sollte, zog Günter Knop die Notbremse. Mit Hilfe eines Gutachtens des DDR-Instituts für Kulturbauten verhinderte er den weiteren Ausbau. Das Institut empfahl, keine Mark mehr in das ungeeignete Provisorium zu stecken.
Danach ging es doch wieder um einen Neubau. Knop hatte zahlreiche Standorte zu prüfen. Dazu gehörten der Platz der Einheit und die Nuthemündung, wo sich wegen des sumpfigen Untergrundes enorme Gründungskosten ergeben hätten, der Hang des Brauhausbergs, die später als Veranstaltungsplatz genutzte Fläche am Babelsberger Park und ein Übungsgelände der Grenztruppen hinter den Tennisplätzen an der Sporthalle Heinrich-Mann-Allee.
1978 wurde das Hofgelände des Kutschstalls am Neuen Markt ins Auge gefasst, doch hätte das vom Institut für Kulturbauten groß dimensionierte Gebäude mit seinen Bühnenturm die historische Bebauung „regelrecht erdrückt“ und erhebliche Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz erfordert. Dann stand an der Yorckstraße das Gelände hinter dem Brockeschen Palais zur Debatte, das noch heute auf seine Sanierung wartet. Der Arbeitsgruppe mit Günter Knop gelang es, dafür vom Rat der Stadt eine Investitionssperre zu erwirken. Daran hielt sich das Kombinat „Max Reimann“, das auf dem Hof Kfz.-Werkstätten betrieb, jedoch nicht. Es erweiterte unter Berufung auf einen DDR-Ministerratsbeschluss zum beschleunigten Ausbau der Reparaturkapazitäten für Kraftfahrzeuge das Gelände um mehrere Neubauten und ließ sie vom Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Dr. Herbert Tzschoppe, feierlich einweihen. Der zeigte sich danach nicht mehr bereit, den illegalen Bau rückgängig zu machen. „Die haben uns regelrecht ausgetrickst“, ärgert sich Günter Knop noch heute.
Tzschoppe forderte den Bezirksarchitekten Karl Kohlschütter auf, einen Bauplatz zu suchen, der keinen „Verlagerungsaufwand“ erforderte. Den gab es aber nur auf dem Alten Markt. Der Arbeitsgruppe blieb nichts anderes übrig, als mit den bereits bis zur so genannten Aufstellungsreife gediehenen Planungen für den Theaterneubau auf diesen von ihr nicht favorisierten Standort auszuweichen. Dort wurde mit einem Aufwand von 25 Millionen Mark der Rohbau errichtet. 1991 fasste die Stadtverordnetenversammlung dann den Abrissbeschluss. „Wie schon der Beschluss über den Aufbau an dieser Stelle war er ausschließlich politisch motiviert, denn mit der noch ausstehenden Fassadengestaltung hätte sich der Bau gut in die Potsdamer Mitte eingepasst“, glaubt der erfahrene Theaterfachmann auch heute. „Für den 28 Meter hohen Bühnenturm hätten die mit Kreuz 75 Meter hohe Kuppel der Nikolaikirche und der in 35 Meter Höhe auf dem Rathaus stehende Atlas ein Äquivalent gebildet. Zudem besäße Potsdam heute ein komplettes Mehrspartentheater mit Musiktheater und Ballett.“
Das Wachsen des jüngsten Entwurfs, der nach 42 „Luftschlössern“ Potsdam an der Schiffbauergasse nun endlich den Theaterneubau brachte, hat Günter Knop nur noch als Beobachter verfolgen können. Nach dem Abriss des Rohbaus auf dem Alten Markt war er 1992 in den Vorruhestand geschickt worden.
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