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Tarek Aboabdallah lebt seit fünf Monaten in Potsdam.

© Andreas Klaer

PNN-Serie: Angekommen in Potsdam: Der Mann mit der Zuckerwatte

Tarek Aboabdallah ist vor fünf Monaten nach Potsdam gekommen. Mittlerweile engagiert sich der junge Syrer hier selbst für Flüchtlinge.

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Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea oder Kamerun und hoffen auf ein besseres Leben in Deutschland. Doch in der Realität haben es die Flüchtlinge hier oft schwer – es gibt Probleme mit der Sprache, der Arbeitserlaubnis oder den neuen Nachbarn. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten: Jede Woche stellen die PNN eine Person vor, die zumindest ein Stück weit in Potsdam angekommen ist.

Potsdam - An die erste Begegnung mit Potsdam erinnert sich Tarek Aboabdallah noch gut. Der 21-Jährige, der mit seiner Mutter aus der syrischen Stadt Homs geflohen war, wurde aus der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt nach Potsdam überwiesen und kam mit dem Zug hier an. „In Eisenhüttenstadt sprach niemand Englisch – hier wurde uns gleich am Bahnhof auf Englisch Hilfe angeboten“, erzählt er. Fünf Monate ist das jetzt her. Tarek Aboabdallah nahm es als gutes Vorzeichen.

Hilfe im "Junior" in Drewitz

Heute hilft der junge Syrer mit dem freundlichen Lächeln dabei, neue Flüchtlinge in der Landeshauptstadt willkommen zu heißen und bei den ersten Schritten in der neuen Heimat zu begleiten. Er engagiert sich als Ehrenamtler im sportorientierten Kinderclub „Junior“ in Drewitz.

Ob er sich in Potsdam schon zuhause fühlt? Der junge Mann überlegt kurz und nickt dann: „Ein bisschen“, sagt er. Sein Asylverfahren ist abgeschlossen, mit seiner Mutter konnte er aus dem Asylbewerberheim am Schlaatz in der Alten Zauche bereits in eine Wohnung ziehen. Vor kurzem hat sein Deutschkurs an der Volkshochschule begonnen – und er versteht schon einiges. Sorgen macht er sich aber um seinen Vater und die jüngere Schwester, die – irgendwie – auch noch nach Potsdam folgen wollen. Über Internet steht er mit ihnen in Kontakt.

Weiterstudieren, wenn es mit dem Deutsch besser klappt

Das Internet hat Tarek Aboabdallah auch bei der Vernetzung in Potsdam geholfen. Über die Plattform „MeetUp“ fand er eine internationale Gruppe, die sich regelmäßig zum Austausch und für gemeinsame Ausflüge trifft. „Die meisten sind Doktoranden – aus Kroatien, Spanien, Indien oder den USA“, erzählt der junge Syrer. Dass es bei den Treffen im Café Elflein in der Charlottenstraße eben nicht um Flüchtlingsthemen ging, sondern um den normalen Alltag, um Computerprobleme, Fernsehserien oder die Bundesliga, das hat Tarek Aboabdallah gleich gefallen. Auch er hat in seiner Heimat studiert – er war im vierten Jahr seines Mechatronikstudiums, als er Homs verließ. Wenn es mit dem Deutsch besser klappt, will er hier weiterstudieren, erzählt er.

In der internationalen Gruppe lernte er auch Mathias Selbach kennen. Der Sozialarbeiter arbeitet im Kinderclub „Junior“ des Sportclubs Potsdam. Er half dem Neuankömmling nicht nur bei der Anmeldung im Fitnessstudio des Jugendclubs Offline. Als Tarek Aboabdallah nach Möglichkeiten für ein Ehrenamt fragte, lud er ihn in den Kinderclub ein. „Wir suchen immer Ehrenamtler für Ausflüge, Veranstaltungen und so weiter“, erzählt Mathias Selbach. Beim Spielplatzfest Ende August half Tarek Aboabdallah zum ersten Mal mit.

Die Zuckerwatte als Markenzeichen

Dass er kein Deutsch spricht, nahmen ihm die Kinder gar nicht krumm, erzählt er. „Die haben nur gesagt: Ach so, Du sprichst Englisch?“ Und Übungen oder Spiele erklären, das geht schließlich auch mit Händen und Füßen. „Kinder gehen da ganz unbefangen ran“, sagt der junge Syrer. Die ehrenamtliche Arbeit macht ihm Spaß, auch beim Vereinsfest wenig später half er mit und zaubert mit der klubeigenen Maschine Zuckerwatte.

Die Zuckerwatte ist so etwas wie sein Markenzeichen geworden. Wenn Tarek heute im Kinderclub auftaucht und die Maschine auf dem Tisch steht, fragen die Kids ungeduldig nach der luftigen Leckerei. Mit der Zuckerwatte-Maschine, Seifenblasen und einer Hüpfburg sind Tarek und die Kinderclub-Leute Anfang September auch in die neue Erstaufnahmeunterkunft in der Heinrich-Mann-Allee gefahren. Eine spontane Idee, erinnert sich Mathias Selbach. Tarek Aboabdallah kann mit seinen Sprachkenntnissen bei den Neuangekommenen schnell das Eis brechen.

Als Vermittler für neu angekommende Flüchtlinge

Mittlerweile hat Tarek Aboabdallah auch eine Art Vermittlerrolle. Als die Flüchtlinge aus der neuen Erstaufnahme zur Registrierung nach Eisenhüttenstadt sollen, ist er schon zweimal kurzentschlossen im Bus mitgefahren, hilft bei den Formalitäten und bei der Verständigung. Er kann erklären, wer in Potsdam wie helfen kann – und hat unter den Neuangekommenen auch schon Kinder für den Kinderclub gewinnen können. Zu ihm als Landsmann fassen die Eltern eher Vertrauen. Und der sportorientierte Klub wiederum will auch für Flüchtlingskinder da sein, sagt Mathias Selbach.

Für Tarek Aboabdallah hat die ehrenamtliche Hilfe etwas mit Dankbarkeit zu tun. Er habe in Potsdam von vielen Seiten Hilfe erfahren und wolle auch etwas zurückgeben, erklärt der 21-Jährige. Es tue aber auch einfach gut, eine Aufgabe zu haben, jetzt, wo noch unklar ist, wann, wie und wo er mit seinem Studium weitermachen kann, um irgendwann einmal einen Beruf aufnehmen zu können. Auch in Syrien habe er sich jahrelang beim Roten Halbmond, dem Pendant zum Roten Kreuz, engagiert – bis das wegen des Bürgerkrieges zu gefährlich wurde, berichtet Tarek Aboabdallah. In Potsdam möchte er sich am liebsten auch bei der Freiwilligen Feuerwehr engagieren: „Ich habe schon angefragt“, sagt er.

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