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Landeshauptstadt: Der mit dem Bauch entscheidet

Der 28-jährige Leipziger Thomas Linke ist neuer Küchenchef in Potsdams einzigem Fünf-Sterne-Hotel

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Der 28-jährige Leipziger Thomas Linke ist neuer Küchenchef in Potsdams einzigem Fünf-Sterne-Hotel Von Sabine Schicketanz Er war sechzehn, die Mauer gerade gefallen. Das Tor zur Welt stand weit offen. Thomas Linke schritt hindurch, oder besser, er fuhr. Mit dem Motorrad von Leipzig in Richtung Süden. Acht Stunden auf der Autobahn, bis nach Oberstotzingen, einem baden-württembergischen Dorf mit nur tausend Einwohnern. Dass dem 16-Jährigen für das Vorstellungsgespräch buchstäblich kein Weg zu weit war, beeindruckte den Küchenchef des Oberstotzinger Schlosshotels. So sehr, dass er den jungen Mann aus dem Osten gleich als Kochlehrling einstellte. „Es gibt Leute, die wissen, was sie wollen“, sagt Thomas Linke. Er gehört mit Sicherheit dazu. Denn dass er Koch werden will, ein sehr guter noch dazu, wusste er schon, als er mit Fünfzehn zum ersten Mal in einem Gourmetrestaurant stand. Nicht als Gast wohlgemerkt, sondern als Teller waschende Küchenhilfe. Wer mit dem heute 28-Jährigen über seinen Beruf sprechen will, der wird sogleich korrigiert. Eine Berufung sei das Koch-Sein für ihn. Worauf es ankommt, sagt er auch gleich: harte Arbeit, lange Arbeitstage. Und viel Kreativität. Dass es so ist, hat Linke in leidvollen ersten Ausbildungsmonaten gelernt. „Das war schon hart.“ Doch er hatte Glück. Das Schlosshotel Oberstotzingen ist ein kleiner Betrieb, man ließ ihn sofort mitkochen und entdeckte das „starke Verantwortungsbewusstsein“ des jungen Mannes. „Dann wird man natürlich gefördert.“ Mit 19 gewann Linke einen wichtigen Nachwuchs-Kochwettbewerb, bekam drei Flaschen edlen Champagner und 3000 Mark – plus noch einmal dieselbe Summe vom Hotelchef. „Da muss man aufpassen, dass man nicht einen Überflug kriegt“, sagt er. Denn wer glaube schließlich nicht, dass er etwas Besonderes sei, nachdem das eigene Bild in zwölf Zeitungen erschienen ist? Der Überflieger kochte weiter an der Karriere, allerdings schnell wieder mit beiden Beinen auf der Erde. Nach der dreijährigen Ausbildung wechselte er ins baden-württembergische Schloss Hofingen. 15 Stunden pro Tag stand er dort am Herd, im Romantik-Hotel „Lennhof“ in Dortmund waren es oft nicht weniger. Dort bekochte Linke regelmäßig die Bundesliga-Fußballprofis von Borussia Dortmund. Die Dresdner Bülow Residenz war die nächste Station, zwei Jahre arbeitete der Leipziger dort und erkochte im Team einen Michelin-Stern. „Das ist wie ein Olympiasieg.“ Nur eine Zwischenstation war dann das Restaurant „First Floor“ im Berliner Palace-Hotel, denn der Jahresvertrag bei Sternekoch Harald Wohlfahrt im Hotel „Traube Tonbach“ in der Schwarzwald-Stadt Baiersbronn war bereits unterschrieben. Im Nu wurde Linke dort Poissonnier – also Fischkoch. Doch obwohl Wohlfahrt ihn behalten wollte, kehrte Linke dem Gourmettempel nach einem Jahr den Rücken. „Erstmal ist die Arbeit dort sehr kräftezehrend und außerdem wollte ich unbedingt meine erste Küchenchef-Stelle.“ Er bekam sie – im Schloss Hubertushöhe im brandenburgischen Storkow. Kanzler, Bundesregierung, G8-Gipfel, an hochrangigen politischen Gästen mangelte es dort nicht. Doch nach nicht einmal einem Jahr zeichnete sich ein Eigentümer-Wechsel ab. Für Linke Zeit zu gehen. Job-Angebote hatte er genug, doch er folgte dem Ruf ins einzige Potsdamer Fünf-Sterne-Hotel, dem Bayrischen Haus. „Ich bin hier auf den Parkplatz gefahren und habe gewusst: Das ist es.“ Denn wie es sich für einen Koch gehört, entscheidet Linke „mit dem Bauch“. Am Montag hatte er seinen ersten Arbeitstag in Potsdam, schon werkelt er an der neuen Speisekarte mit französischen und regionalen Gerichten. Ein neues Zuhause hat er auch gefunden: Ein Dachgeschoss direkt am Großen Zernsee. Doch die Küche in der Wohnung mit Ausblick wird ungenutzt bleiben. „Ich koche nie zuhause.“

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