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Landeshauptstadt: Der neue Tambour

Schauexerzieren der Langen Kerls mit Soldatenkönig und „Altem Dessauer“

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Mit dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (Mike Sprenger) als Regimentschef und Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau, dem „Alten Dessauer“ (Klaus Brucker), als Stammvater der preußischen Infanterie zogen die Langen Kerls am Samstag zum Schauexerzieren im Krongut Bornstedt auf. Hunderte von Interessenten verfolgten das vierstündige Spektakel, bei dem die Mitglieder bis an die Grenze ihrer körperlichen Leistungskraft gehen. Kurze Pausen ermöglicht ihnen der „Alte Dessauer“ mit seinen historischen Erläuterungen, denn die Langen Kerls sind keine Showtruppe, sondern ein ernsthafter Geschichtsverein.

Kommandiert wurden sie diesmal von ihrem 3. Offizier, Kapitän Gerhard Schulze (53). Der Rheinländer legt hin und zurück mit dem Auto jedes Mal 1130 km zurück, um im Krongut dabei zu sein. Im brandenburgischen Bad Saarow zu Hause, verließ seine Familie 1953 die DDR, weil sie mit ihrem Bauernhof in die LPG gezwungen werden sollte. Von Kindesbeinen an interessierte sich der spätere Berufssoldat und Leistungsklassenboxer für die preußische Militärgeschichte und hat dazu eine Sammlung von 6500 Zinnfiguren zusammengetragen. Dieses Interesse war ausschlaggebend dafür, dass er 1990 den Langen Kerls als „einem der ersten gesamtdeutschen Vereine“ beitrat. All die schönen Erlebnisse, so Auftritte zur Steuben-Parade in New York, in Japan und Brasilien, möchte er nicht missen.

Solche Erlebnisse hat der Landesbeamte Bert Vogt (47) noch vor sich. Der Potsdamer war erst zum zweiten Mal beim Schauexerzieren dabei. Ihm fehlen zehn Zentimeter zum vorgeschriebenen Gardemaß von 1,883 Meter, aber die braucht er auch nicht, denn er ist nicht als Grenadier, sondern als Tambour zur Truppe gestoßen. „Ich trommle leidenschaftlich gern, hier bekomme ich Gelegenheit dazu“, begründet Vogt seinen Vereinseintritt. Darüber freut sich der Vereinsvorsitzende Matthias Leyer sehr, denn der Riesengarde fehlen noch Tamboure und Querflötenspieler.

Ansonsten kann der 1,91 lange gebürtige Sachse, beruflich als Hauptkommissar und Leiter der technischen Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei tätig, einen kräftigen Zuwachs registrieren. Statt 36 gehören der Riesengarde inzwischen 43 Aktive an, dazu rund 20 fördernde Mitglieder. Die Ausrüstung wurde erneut verbessert. Von den im Studio Babelsberg nach historischen Vorlagen geschneiderten Uniformen, je Stück um 5550 Euro teuer, über die Bewaffnung, die Waffenmeister Achim Riedel aus Bausätzen montiert, reicht sie bis zu originalgerecht gestalteten Biwakzelten. In diesem Jahr sollen „Gewehrmäntel“ (zum Unterstellen der Waffen) und ein Küchenzelt hinzukommen. Eine achtköpfige Gruppe von zünftig eingekleideten „Soldatenfrauen“ begleitet die Truppe.

Rund 90mal wird sie in diesem Jahr wieder auftreten, so beim Leopoldsfest in Dessau, beim Fest „Leben im 18. Jahrhundert“ in Krefeld oder beim 400. Kuhschwanzfest im thüringischen Eisfeld, das an die demokratischen Traditionen der Selbstverteidigung durch eine Bürgerwehr erinnert. Auch ein Besuch bei den „Preußischen Grenadieren“ im norditalienischen Pianezza ist wieder vorgesehen. Anlass ist der Jahrestag der Schlacht von Turin, in der 1706 brandenburgisch- preußische Truppen unter dem „Alten Dessauer“ die Region vor französischer Fremdherrschaft bewahrten. Die Langen Kerls verkörpern dabei die siegreichen Brandenburger. Interessenten können Riesengrenadiere auch für private oder Unternehmensfeiern buchen. Die Erlöse kommen ausschließlich dem Verein zugute. Dafür wurde eine GmbH ausgegründet.

In Potsdam wird sich die Truppe 2008 rar machen. Das alljährliche Herbstbiwak im Krongut fällt wegen Terminüberschneidungen aus. Am 9. September ist aber in der Bornstedter Kirche und auf dem Friedhof eine Gedenkfeier zum 250. Todestag des Grenadiers Heinrich Wilhelm Wagenführer vorgesehen. Dort hat sich Wagenführers letzte Ruhestätte als einziges Grabmal eines Soldaten der Elitetruppe erhalten.

Ansonsten sind die Langen Kerls jeden ersten Sonnabend im Monat von 11 - 15 Uhr im Krongut beim öffentlichen Schauexerzieren zu sehen. Dort können sich auch Interessenten für den Verein melden. Ein Grenadier muss mindestens 1,88 Meter groß sein. Die Altersspanne reicht von 18 bis 56 Jahren.

www.lange-kerls.de

Erhart Hohenstein

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