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Von Jana Haase: Der Opa der Branche

Fernsehchefs, Klimakatastrophen und die Römer: Ralph Stock erfindet seit den 1980ern PC-Spiele

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Seinen ersten Computer hat er sich selbst zusammengelötet. Anfang der 1980er Jahre war das, Ralph Stock war zwölf Jahre alt und den Rechner ZX81 gab es damals neben der fertigen Version auch zum reduzierten Preis als Bausatz. Spiele hatte der Teenager für seinen Rechner nicht. „Deswegen musste ich dann diesen Computercode lernen“, erzählt er. Sein erstes „Pong“, ein einfaches Computerspiel, bei dem ein Ball mit beweglichen Balken zwischen beiden Bildschirmseiten hin- und hergespielt wird, tippte er selbst. Und zwar immer wieder. „Ich hatte keine Speichermedien“, erinnert sich Stock: „Immer, wenn ich den Computer ausgeschaltet habe, war das Spiel wieder weg.“

Von solchen Kinderkrankheiten aus der digitalen Frühzeit und der Skepsis seiner Mutter lies sich der Computerfreak nicht einschüchtern. Mit 15 Jahren verkaufte er sein erstes eigenes Spiel und verdiente damit einen fünfstelligen Betrag. Nach dem Abitur wurde er von einer großen Spieleentwickler-Firma in Düsseldorf eingestellt. Heute, mit 42 Jahren, kann Stock eine Liste von mehr als 150 eigenen Computerspielen vorlegen. Darunter Bestseller wie „Mad TV“, bei dem der Spieler in die Rolle eines Fernsehdirektors schlüpft und seinen Sender zwischen Anspruch, Quote und Werbung in die Gewinnzone manövrieren muss.

Mit seiner Babelsberger Firma „Quadriga Games“ ist Stock jetzt für den Deutschen Computerspielpreis nominiert: „Willi wills wissen - Bei den Römern“ zur gleichnamigen Fernsehserie im Kinderkanal geht in der Kategorie „Bestes Kinderspiel“ ins Rennen. Der Preis, der am kommenden Mittwoch in München verliehen wird, ist mit 75 000 Euro dotiert.

„Die Nominierung ist eine große Ehre“, sagt Stock. Zum Gesprächstermin in den Quadriga-Räumen im Guido-Seeber-Haus in der Medienstadt Babelsberg ist er nur virtuell erschienen: Weil er geschäftlich unterwegs ist, meldet er sich per Videokonferenz. Mit dem lässigen Kapuzenpullover hat er immer noch etwas von dem Computer-Kid, das er gewesen sein muss. Dabei ist er längst „der absolute Opa“ in der Branche, wie er lachend erzählt. Gerade anspruchsvolle Kinderspiele hätten es noch relativ schwer auf dem Markt, sagt er. Dabei ist er von „Willi wills wissen“ überzeugt: „Das zieht die Kinder wirklich in die Welt der Römer hinein.“ Dass es funktioniert, erlebt er bei seinen Neffen.

Erst vor gut einem Jahr ist seine Firma nach Potsdam gezogen, bis heute hat Stock ein weiteres Unternehmen in Tübingen, wo er sich 1993 selbstständig machte. In Babelsberg gebe es eine gute Infrastruktur, sagt er. Das nahegelegene Berlin mache es einfach, neue Mitarbeiter zu finden. Acht Angestellte hat Stock in Babelsberg, dazu freie Projektkräfte.

Tatsächlich hat sich die Hauptstadtregion in den letzten Jahren zum wichtigen Standort der Computerspielbranche – Fachleute reden von „Games“ – entwickelt. Rund 130 Firmen gibt es hier laut dem Medienboard Berlin-Brandenburg, das nicht nur die Filmwirtschaft, sondern auch die Games-Branche mit Landesmitteln fördert. Eine Million Euro steckt das Medienboard pro Jahr in sogenannte „innovative audiovisuelle Inhalte“ – der Großteil davon geht in die Games-Branche. Veranstaltungen wie der Animationspreis „Animago“, der 2009 nach Babelsberg gezogen ist, oder die „Deutschen Gamestage“ in Berlin Anfang Mai sind Branchentreffpunkte. An Hochschulen wie der HFF „Konrad Wolf“ Babelsberg oder der Uni Potsdam, die ein „Zentrum für Computerspielforschung“ eingerichtet hat, lernt der Nachwuchs.

Es wird eine wachsende Branche bleiben, glaubt Ralph Stock. Vor allem bei den sogenannten „Serious Games“, also Spielen, bei denen es um mehr geht als das reine Vergnügen. Die entwickelt Stock zum Beispiel für Krankenkassen. Auch ein Spiel zu den Auswirkungen des Klimawandels hat er erdacht. Das Vorurteil, dass Computerspiele grundsätzlich „böse“ seien, werde verschwinden, hofft Stock. Schließlich wächst eine Generation heran, die das Leben ohne Internet gar nicht mehr kennt. Seine Mutter allerdings, sagt Stock, die ist bis heute skeptisch geblieben.

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