Landeshauptstadt: Der Ostcharme ist weg
Die Südkolonnade der Glienicker Brücke ist rekonstruiert. Hollywood-Regisseur Steven Spielberg soll nicht begeistert davon sein
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Die Südkolonnade der Glienicker Brücke sieht wieder aus wie neu. Als Drehort für einen finsteren, im Kalten Krieg angesiedelten Thriller ist der Standort nun weniger gut geeignet. Steven Spielberg will hier demnächst die Kernszenen für „St. James Place“ drehen, es geht um den ersten Agentenaustausch auf der „Brücke der Einheit“. Regelmäßig hatten sich seine Locationscouts in den vergangenen Monaten bei den Bauleuten erkundigt, ob die Rekonstruktion des baufälligen Säulengangs rechtzeitig fertig wird und die Baugerüste den Drehablauf nicht gefährden.
Die Crew ist schon hier und bis Anfang Dezember sollen alle Filmszenen an deutschen Originalschauplätzen abgedreht sein. Tom Hanks kann man kaum warten lassen. Die Rekonstruktionsarbeiten sind gestern zwar rechtzeitig abgeschlossen geworden. Die gereinigten und mit Kupferschlacke geschliffenen Sandsteinsäulen strahlen aber bis auf ein paar Stockflecken frischfröhlich, als wären sie neu aufgestellt worden. Vom verwitterten Ostcharme ist nichts mehr zu spüren, die Locationscouts sollen sich enttäuscht geäußert haben.
„Allen kann man es eben nicht recht machen“, kommentierte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern bei einem Vor-Ort-Termin. Dass Spielberg hier drehen will, habe man erst kurz vor dem Baustart erfahren. Immerhin hätte der Regisseur noch die Möglichkeit, auf der anderen Straßenseite zu drehen, die Rekonstruktion der Nordkolonnade steht aus. Dringend angezeigt ist sie auch dort.
Das Eingangsensemble nach Potsdam steht seit über 100 Jahren. Als im Jahr 1906 die neue Glienicker Brücke als Strahlträgerkonstruktion errichtet wurde, wurden auch die neobarocken Säulengänge aufgestellt, angelehnt an die Ringerkolonnade des Stadtschlosses. An der Nordkolonnade wird deutlich, wie vergänglich Potsdams Schönheit ist, wenn man sie nicht pflegt: Netze schützen an mehreren Säulen davor, dass den fotografierenden Touristen Sandsteinbrocken auf den Kopf fallen.
Die Säulen werden durch eine nicht legierte, innere Stahlkonstruktion gehalten, die völlig verrostet ist. Durch den Rost dehnt sich der Stahlkern aus und sprengt den Wünschelburger Sandstein. Die Nordkolonnade sei nicht mehr standsicher und müsse regelmäßig kontrolliert und gebenenfalls mit weiteren Netzen gesichert werden, sagte Enrico Bötcher von der Firma Fuchs+Girke, die den Auftrag für die erste Rekonstruktion bekam.
Das Problem sei nicht der Sandstein, sondern der Stahl, sagte Rekonstrukteur Thomas Bolze. In die Südkolonnade wurde nun Edelstahl eingebaut, das halte mindestens nochmal 100 Jahre. Der Sandstein musste nur gereinigt und an ganz wenigen Stellen ergänzt werden. Die Südkolonnade wurde komplett abgebaut und mit den neuen Edelstahlstützen neu errichtet. 280 000 Euro hat die Stadt Potsdam dazu beigesteuert, außerdem bezuschusste die Deutsche Stiftung Denkmalschutz aus Bonn das Projekt mit 50 000 Euro, die über einen Spendenaufruf eingesammelt wurden. Auch für die Nordkolonnade habe man inzwischen gesammelt, 17 000 Euro seien zusammengekommen, so die Potsdamer Stiftungsmitarbeiterin Heidi Gerber.
Seit 1990 gehört das Ensemble zum Weltkulturerbe. Oberbürgermeister Jakobs wollte zwar keine Prognose abgeben, wann einmal Geld für die Nordkolonnade vorhanden ist. „Wenn schon ein Etatposten da ist, dann fällt die Kofinanzierung aber immer leichter“, sagte er mit Seitenblick auf den Spendentopf der Denkmalstiftung.
Montagabend werden an der „Agentenbrücke“ die Potsdamer Feierlichkeiten zum Mauerjubiläum stattfinden. Früher und Heute sind dann plastisch an den Kolonnaden zu vergleichen. Spielberg dreht kurz darauf – und wird in seine Trickkiste greifen müssen.
nbsp;Henry Klix
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