SAUNA, STRAND, SOLARIUM: Potsdamer Sommerorte – eine Spurensuche: Der perfekte Hahnenschwanz
Cocktails haben keine Saison, sagen die Barleute. Dafür sorgen sie selbst – als Seelsorger und auch als Butler
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SAUNA, STRAND, SOLARIUM: Potsdamer Sommerorte – eine SpurensucheCocktails haben keine Saison, sagen die Barleute. Dafür sorgen sie selbst – als Seelsorger und auch als Butler Von Sabine Schicketanz Hasis Ruf eilt ihm voraus. Er trage immer Fliege und weißes Hemd, heißt es. Er arbeite mit unendlicher Akkuratesse und perfektem Stil, sagt man. Er mache schlicht die besten Cocktails Potsdams, meinen viele. Allem mag Hasi, der eigentlich Hans-Jürgen Heinze heißt, nicht widersprechen. Zehn Jahre hat er investiert in diesen Ruf, der die Stammgäste in einen versteckten Hinterhof in der Gutenbergstraße, eine steile Treppe hinunter in das kleine Gewölbe der „Bar-O-Meter“ lockt. Nur neunzehn Sitzplätze gibt es in dieser ältesten Cocktailbar Potsdams, die Musikanlage spielt dezent vor sich hin, die sommerliche Hitze verabschiedet sich an der Tür. „Ich wünsche, meine Gäste glücklich zu machen“, sagt Hasi. Und greift dazu zuweilen zu ungewöhnlichen Methoden. „Ich bin ein geborener Butler“, sagt er. Doch dienen tut er nicht jedem. „Er muss die Priorität haben.“ Wer dem „Charakter“ der Bar nicht entspricht, sich nicht manierlich benehmen mag, den setzt Hasi vor die Tür. Ansonsten hat er seinem Personal das Nachfragen, ob es nicht noch etwas sein dürfte, streng verboten. „Wir möchten unserem Gast von den Augen ablesen, ob und wann er noch einen Drink möchte.“ Dass einer sich von Hasi keinen zweiten mixen lässt, dürfte allerdings eine Seltenheit sein. Mehr als 170 Cocktails, viele auch ohne Alkohol, finden sich auf der „Bar-O-Meter“-Karte, gute 200 verschiedene Spirituosen sind virtuos hinter der kleinen Bar verstaut. „Jeder kann den perfekten Cocktail finden“, meint Hasi. Auf dem Weg dahin bietet er gern umfangreiche Beratung. Fragt nach Ingredienzien, die der Gast nicht oder gerade schmecken will, ob das Getränk süß, fruchtig, herb sein soll, mit oder ohne Sahne. Und Kunden, die ihm versichern, besonders trinkfest zu sein und am nächsten Morgen niemals unter Kopfschmerzen zu leiden, serviert Hasi den „Besserwisser“. Eine nahezu explosive Mischung, die bisher noch niemand ohne anschließendes Katergefühl genossen haben soll. Doch dass seine Gäste einen über den Durst trinken, mag der Barmann am liebsten nicht zulassen. Es ärgert ihn, wenn jemand seine Alkoholgetränke „nicht über den Genuss, sondern über das Endprodukt, betrunken zu sein“ definiert. Da können die Kollegen Hasi nur zustimmen. „Erdbeeren, gut Alkohol, keine Sahne“ lautet die Gastorder, die Christian Lauzat von seinem Keller übermittelt bekommt. Der junge Barmann aus der „Bar Gelb“ schüttelt den Kopf. „Zu viel Alkohol verfälscht den Geschmack.“ Cocktails seien doch zum Genießen da, „nicht zum Saufen“. Was das Publikum der Bar offensichtlich nicht immer so sieht. Auf den Bierbänken, die draußen auf dem Bürgersteig der Dortustraße aufgestellt sind, sitzen fast nur Frauen und Männer im Studentenalter. Jeder duzt jeden, es wird leger über die Tische hinweg geschwatzt. Gefragter Gesprächspartner ist aber auch Christian Lauzat. „Psychologe ist man schon ein bisschen als Barmann“, sagt er. „Zumindest muss jeder das Talent zur Kommunikation haben.“ Und sich in der „Bar Gelb“ trotz Shakerschütteln, Flaschenjonglage und manchmal Arbeit im Akkord nicht vom Thema ablenken lassen. „Man erfährt bisweilen mehr als ein Beichtvater“, sagt Rüdiger Stark. Der Mann, dessen Aussehen je nach Gesichtsausdruck irgendwo zwischen gefährlich und gemütlich schwankt, steht im noblen „Seeblick“ am Nauener Tor hinter der Bar. Sehen und gesehen werden lautet hier zwar für diejenigen, die sich draußen an die einzigartige und eigens konstruierte Außenbar in Form eines Boots setzen, die Devise. Doch wer gezielt nach drinnen kommt, vielleicht Stammgast ist, der möchte auch reden. Oder kommt mit Rüdiger Stark ins Gespräch, spätestens, wenn der mit den Worten „Wollen Sie einen Blick in die Akte werfen?“ die mehr als 100 Cocktails aufzählende Karte bringt und die Lacher auf seiner Seite hat. Eine Mischung zwischen „Arroganz und nur Dienstleister sein“ nennt er seinen Job, der beginnt, wenn andere Feierabend haben. Dass jedoch Barmann oder -frau auf Bestellung einen neuen Cocktail erfinden könnten, ist ein Trugschluss. „Es gibt keinen, den es nicht schon gibt“, meinen die Männer vom Fach unisono. Es ist schließlich auch schon länger her, seit der erste Cocktail gemixt wurde. Denn der Name der Mischgetränke stammt, so weiß Rüdiger Stark, ursprünglich von den einst im Wilden Westen der USA veranstalteten Hahnenkämpfen. Dort bekam der Sieger jeweils den Hahnenschwanz – den „Cocktail“ – als Trophäe überreicht. Und weil während der Kämpfe ordentlich Whiskey ausgeschenkt wurde, der damals aber noch nicht besonders geschmackvoll war, sollen die Männer am Ausschank einfach hinter sich gegriffen und das nächstbeste in den Drink geschüttet haben – auf das er besser schmecke. Heute ist der Cocktailgenuss perfektioniert, jahreszeitenabhängig ist er aber nicht. „Unsere Devise ist: Der Cocktail hat keine Saison“, sagt Christoph Gügold, Chef des „Seeblick“. Allein die Art der Getränke variiere. Ist es heiß draußen, gehen vor allem Pina Coladas, Mojitos, Cuba Libres über die Theken. Großen Einfluss auf das Bestellverhalten könne aber auch das Fernsehen haben. Die legendäre TV-Serie „Sex and the City“ sei dafür verantwortlich, dass der „Cosmopolitan“ – gemixt aus Wodka, Cointreau, frischem Limettensaft und Cranberrysaft – Hochkonjunktur habe. Und den „Godfather“ mit Whiskey und Amaretto bringe „Der Pate“ immer wieder zurück auf die Cocktailkarten. Geschüttelt, nicht gerührt sei dagegen fast gar nicht zu hören, sagt Rüdiger Stark. Und was bringt Männer und Frauen dazu, bis früh in den Morgen hinter der Bar zu stehen, dabei Seelsorge zu betreiben und Drinks zu mixen? Das weiß am besten Hasi. „Der Dank, den ich dafür bekomme“, sagt er. „Und die Würde meiner Person. Woanders wird nach den Kellnern geschnipst. In einer Bar nicht.“
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