zum Hauptinhalt

Urteil zur Bertinistraße: Der Poller bleibt stehen

Die Anwohner der Bertinistraße scheiterten am Potsdamer Verwaltungsgericht mit Klagen gegen die Stadt Potsdam. Bürger hätten kein Recht darauf, dass eine Straße vor ihrer Tür für den Verkehr offen bleibe, so der Vorsitzende Richter.

Stand:

Nauener Vorstadt - Richter Jürgen Steiner fand klare Worte: „Im Publikum muss Ruhe herrschen!“ Sonst drohe ein Saalverweis. „Wir sind hier nicht auf dem Marktplatz“, sagte er am Donnerstag während einer Verhandlung in einem schmucklosen Saal des Potsdamer Verwaltungsgerichts in der Friedrich-Ebert-Straße. Der Anlass für seine Schelte: Zwischenrufe aus dem Publikum gegen Argumente von Anwalt Remo Klinger. Und allgemeine Unruhe, einige Journalisten waren zugegen – und nicht zuletzt der Potsdamer Filmstar Nadja Uhl.

Die Szenerie war also nicht alltäglich – doch auf den ersten Blick war das Thema der Verhandlung am Vormittag profan: Konkret ging es um einen Poller und ein Durchfahrtsverbot in der Bertinistraße – beides kann nach dem Urteil von Richter Steiner aber bestehen bleiben.

Anwalt Klinger vertrat dabei mehrere Anwohner der Bertinistraße, unter anderem den Architekten Stefan Ludes, der dort die Villa Jakobs wiederaufgebaut hat. Der Anlass für ihren Ärger: Seit mehr als drei Jahren können die Kläger ihre Häuser nur noch über einen Umweg über die Nedlitzer und die Fritz-von-der-Lancken-Straße erreichen. Denn mit einem massiven Betonpoller hat die Stadtverwaltung die Straße auf Höhe der Villa Gutmann gesperrt, offen ist der Weg an dieser Stelle nur für Fußgänger und Radfahrer. Ludes und die anderen Anwohner hatten deswegen die Stadt Potsdam verklagt, fochten ebenso den von der Stadt gebauten Wendekreis zwischen der Straße und dem weiterführenden Bertiniweg an. Dagegen warb etwa Nadja Uhl - die in der Villa Gutmann wohnt - öffentlich für ein Durchfahrverbot, um einen Fuß- und Radwanderweg in der Bertinistraße als Ausflugsziel am Jungfernsee zu schaffen. Die Nachbarschaftsinitiative Am Neuen Garten hatte gewarnt, eine offene Bertinistraße könnten gestresste Autofahrer als Schleichweg nutzen, um Ampeln in der Allee- und der Nedlitzer Straße zu umfahren.

Dass die Klagen von Ludes und anderen Anwohnern scheitern würden, zeichnete sich während der Verhandlung frühzeitig ab. So habe kein Bürger das Recht, dass eine Straße vor seiner Tür für den Verkehr offen bleibe. Für so eine Entscheidung besitze eine Behörde Ermessensspielraum, sagte der Richter. Daher sei die Klage sogar unzulässig – dies habe er bereits frühzeitig in dem Verfahren deutlich gemacht. Auch durch den umstrittenen Wendekreis sehe er kein Recht verletzt, so Richter Steiner.

Remo Klinger, dessen Berliner Kanzlei unter anderem die siegreichen „Bombodrom“-Gegner vertreten hat, hielt dagegen und berief sich auf eine „diametral andere Entscheidung“ des Cottbusser Verwaltungsgerichts in einer ähnlichen Angelegenheit. Richter Steiner erklärte jedoch: Dieses Urteil habe ihn auch überrascht, er halte es für falsch. Klinger erklärte, seit der Sperre müssten seine Mandanten lange Umwege in Kauf nehmen, um zu ihren Häusern zu kommen. Die Sperre verstoße auch gegen den geltenden Bebauungsplan. Und: Seit der Sperrung der Straße hätten in zwei Fällen Rettungswagen auf dem Weg zu seinen Mandanten umdrehen und einen Umweg nehmen müssen. Daher bestünden sogar Gesundheitsgefahren für die Kläger, so Klinger. Einen entsprechenden Beweisantrag dazu lehnte Steiner ab, er unterstelle die Wahrheit dieser Tatsache. Doch komme es auf diese Frage im Verfahren nicht an. Vielmehr berief er sich auf das brandenburgische Straßengesetz, wonach eine Baubehörde die Einziehung der Straße verfügen kann, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Ob Berufung gegen das Urteil eingelegt wird, blieb offen.

Die Stadt will am Jungfernsee einen Uferweg anlegen. Er soll unterhalb des geplanten Wohn- und Gewerbe-Campus von Software-Milliardär Hasso Plattner entstehen und bis zur Nedlitzer Straße verlaufen. Am Zugang zu dem Weg beim Ulmenhof in der Bertinistraße soll laut der Stadtverwaltung eine öffentliche Grünfläche entstehen. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })