Landeshauptstadt: Der Schlüssel ist da
Fünf Frauen für den Schilfhof 20 / Am Schlaatz wächst die Mietergemeinschaft zusammen und kann einen Clubraum ausbauen
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An die schlechte Presse werden die fünf Frauen, die die Leitung des Mieterclubs vom Schilfhof 20 übernommen haben, nicht gern erinnert. Ärger habe es schon gegeben, gesteht Gudrun Stachowitz, die seit zwei Jahren im Haus wohnt. Aber man habe das Image des Hochhauses schon erheblich aufgebessert. Die Vorsitzende des neugegründeten Mieterclubs sprüht nur so vor Einfällen, was man alles unternehmen kann, um die Hochhausgemeinschaft noch besser zusammenzuschweißen. Nicht ganz einfach, denn die Mieter kommen von drei Kontinenten aus 17 Nationen.
Seit es wegen der vielen baulichen Mängel, des latenten Vandalismus und der unterschiedlichen Ansichten über Nachbarschaft und Gemeinschaftssinn die erste Hauskonferenz im Juni 2008 gab, ist eine Menge passiert. Zum Beispiel auf der baulichen Seite: Die zugigen, schlecht schließbaren Fenster sind gegen neue ausgetauscht worden. Auch an der Heizung wurde gewerkelt, um ein besseres Verhältnis von Energieverbrauch und Wärme herzustellen. „Zufrieden sind wir damit nicht“, meint Gudrun Stachowitz. Aber das alte Rohrsystem gibt offensichtlich nicht mehr her und die Installation einer neuen Heizungsanlage ist nicht geplant.
Auch in einem anderen Punkt war die Clubleitung mit dem Vermieter bisher unzufrieden. Denn einen Raum im Haus als Treffpunkt gibt es immer noch nicht. Der Mieterclub, am 10. Oktober 2008 gegründet, hat den Vorschlag gemacht, als Provisorium erst einmal einen Trockenraum zu nutzen. Für die Einrichtung wollen einige handwerklich begabte Männer sorgen und sie haben zudem angeboten – sozusagen als unentgeltliche Gegenleistung für die Bereitstellung des Raumes – die Rasenfläche am Haus zu pflegen. „Für uns ist ein Treffpunkt im Haus das A und O, um in der Arbeit weiterzukommen“, meint die Frontfrau des Mieterclubs. Und sie erzählt das Beispiel vom Frauentag. Mangels Treff habe man ins Café nebenan eingeladen und keine der ausländischen Frauen sei gekommen. „Ich habe nachgefragt und die Antwort erhalten: Ein Treff im Café ist zu teuer.“ Die Frauen hätten selbst backen und Kaffee kochen wollen. Dazu waren sowohl die Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion wie die Frauen aus Afrika bereit. Da auch die PNN bei der Gewoba nachhakten, liegt nun endlich der Schlüssel für den Trockenraum in den Händen des Mieterclubs. Die Gewoba verweist lediglich darauf, dass sich Club und Nutzer des Trockenraums abstimmen müssten. Kein Problem, findet Stachowitz, allerdings bleibe der Raum auch wenn man ihn herrichte ein Provisorium.
„Seit es den Mieterclub gibt“, erzählt Petra Sell, die von Anfang an im Hochhaus wohnt, „ist die Atmosphäre hier viel freundlicher geworden. Wir grüßen uns nicht nur im Hausflur, sondern auch auf der Straße. Der Mieterclub wird um Rat gefragt, wenn es um die Betriebskostenabrechnung, um auszufüllende Formulare oder andere Probleme geht.“ Es wurden einige Veranstaltungen wie Mieterfest, Nikolaus für die Kinder und eine zweite Hauskonferenz organisiert und das hat die 92 Mietparteien, die es im Hochhaus gibt, einander näher gebracht. Als nächstes gibt es eine Beteiligung am Stadtteilfest und es wird der Kindertag gefeiert.
Mit dem Haus der Generationen und Kulturen, das als Nachbar über die Straße zu erreichen ist, besteht zudem eine enge Zusammenarbeit. Das Kulturhaus hat die Hochhausbewohner nicht nur bei ihrer Mieterclub-Gründung unterstützt, es war auch oft Veranstaltungstreffpunkt. Als die Afrikaner dort feierten, luden sie zum Beispiel die Hausbewohner als Gäste ein. Auch der Vandalismus habe nachgelassen, sagt Hannelore Szelong, die ebenfalls zur Clubleitung gehört. „Es wird genauer hingeschaut.“ Die „Ausländer-Fraktion“ wird in der Clubleitung durch Nadja Yessaulova, die vor acht Jahren mit ihrem Mann aus Kasachstan kam, und Natalia Bystrowa aus der Ukraine vertreten. Noch finden alle Treffen des Mieterclubs in den Wohnungen der Mitglieder statt, zumeist bei Gudrun Stachowitz.
Als Petra Sell am 23. April vor 26 Jahren als eine der ersten Mieterinnen in das Hochhaus am Schlaatz einzog, war sie froh, für ihre Familie eine fernbeheizte Wohnung ergattert zu haben. „Wir waren fast alles Familien mit zwei und mehr Kindern“, erzählt sie. Die Kinder sind nun inzwischen flügge geworden. Nach der Wende kam es vermehrt zu Auszügen. Dafür kamen Mieter aus anderen Ländern und die taten sich schwer in der neuen Heimat, nicht zuletzt mit der deutschen Sprache. „Wenn alle den Kopf runtermachen und nur übereinander statt miteinander reden, kommt es schnell zu Missverständnissen und Frust“, meint Gudrun Stachowitz. Und Nadja Yessaulova bestätigt, dass viele Ex-Russinnen noch immer kaum deutsch sprechen. „Aber das ändert sich schneller, wenn wir aufeinander zugehen“, sagt sie.
Die Männer, die sich in der Clubleitung so vornehm zurückhalten, sind bei praktischen Dingen übrigens auch mit dabei und einer, Klaus Jurek, will sogar Geschichten aus dem Treppenhaus schreiben, nicht zuletzt die aus dem Hochhaus Schilfhof 20. Hella Dittfeld
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