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Sagenumwoben. Bis heute ist unklar, wie das Pokhara-Tal entstanden ist.

© dpa

Homepage: Der schwarze Schwan von Pokhara

Der Professor für Geohazards, Oliver Korup, erforscht an der Uni Ursachen und Hintergründe der Verschiebungen von Erdmassen

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Pokhara lässt Oliver Korup keine Ruhe. Die in Neapel, im Himalaja, gelegene Region gibt nicht nur dem Geologen an der Universität Potsdam noch immer Rätsel auf. Wie das Tal entstand und wie sich der nahe See und die fruchtbare Ebene inmitten der zerklüfteten Berglandschaft geformt haben, darüber sind sich Wissenschaftler auch heute nicht einig. „Nirgendwo ist der Punkt, an dem sich das Ganze klärt“, stellt Oliver Korup fest. Deshalb plane er weitere Expeditionen nach Pokhara.

Die Region Pokhara sei wie ein „schwarzer Schwan“. Dieser trete zwar extrem selten auf, aber er zerstöre Gewissheiten, die bisher als unumstößlich galten. Das habe schon der Philosoph Karl Popper erkannt. Gleiches könnte über die geologischen Ereignisse gesagt werden, deren Erforschung sich der 43 Jahre alte Geologe verschrieben hat. Korup beschäftigt sich mit Geohazards, also Naturgefahren. Das sind plötzliche, unvorhersehbare Vorfälle in Bergmassiven, Gesteinsschichtungen oder Flussverläufen, wie Erdbeben oder Erdrutsche, die massive und für den Menschen gefährliche geologische Veränderungen mit sich bringen können. Die sind gar nicht so selten: Auch Tsunamis, Monsterwellen, die viele Tausend Menschenleben kosten können, werden meistens durch die Verschiebung tektonischer Platten ausgelöst. Der Tsunami im Indischen Ozean aus dem Jahre 2004, der mehrere Hunderttausend Menschen das Leben kostete, machte deutlich, wie wichtig entsprechende Frühwarnsysteme sind.

In den Bergregionen Tibets rutschen häufiger Erdmassen aus höher gelegenen Regionen ins Tal. Korup berichtet von 100 Millionen Kubikmetern Gesteinsmassen, die am 9. April 2000 im östlichen Tibet innerhalb von nur zehn Minuten ins drei Kilometer tiefer gelegene Tal rumpelten und dort unverzüglich den Yigong River stauten. Der Strom hatte das Tal zuvor durchflossen. Die von einer Minute zur anderen entstandene Staumauer und der Stausee kostete nicht nur mehr als hundert Menschen das Leben. Der Bergrutsch warf auch die bange Frage auf, was mit dem Wasser geschehen würde, wenn das Tal vollgelaufen sei. Deshalb wurde ein Kanal gestochen. Der sollte den Damm entlasten, provozierte aber eine Flutwelle. Die kostete am unteren Flussverlauf noch einmal mehr als hundert Menschen das Leben. Hatten die chinesischen Behörden es verpasst, ihre indischen Kollegen auf die heranrauschenden Wassermassen hinzuweisen?

Derartige Instabilitäten von natürlichen Staumauern und ihre Folgen fänden häufiger statt, so Korup. Im vergangenen Jahrhundert seien mehr als eine Viertelmillion Menschen durch Verschiebungen von Erdmassen ums Leben gekommen. Die Kenntnis über die Ursachen und die Vorhersagbarkeit dieser geologischen „schwarzen Schwäne“ lasse dennoch zu wünschen übrig. Deshalb will sich Korup in den kommenden Jahren weiterhin in Pokhara durch Gesteinsschichten bohren, Proben entnehmen und Geländeformationen am Bildschirm analysieren.

„Es gibt verschiedene Thesen, wie das Tal entstanden sein könnte“, sagt der Forscher. Das malerisch gelegene, sehr fruchtbare Tal könne durch viele kleine Katastrophen oder auch durch ein gewaltiges Beben entstanden sein. Niemand wisse bisher etwas Konkretes. Nicht sehr wahrscheinlich sei, dass die bis zu hundert Meter mächtigen Schwemmflächen sich gemächlich über die Jahrtausende angelagert hätten. Auch lokale Mythen ließen anderes vermuten. „Um dem Bhim Kali ranken sich einige Legenden“, so Korup. Der gewaltige Gesteinsblock solle bei einer Flut ins Tal von Pokhara getragen worden sein, als die Stadt dem Mythos zufolge vor 500 Jahren zum Sündenpfuhl mutierte. Jedenfalls liege der Felsbrocken nun auf dem Campus der Universität, 50 Meter über dem ursprünglichen Flussbett, wo er hingehört hätte. Erkenntnisse, die er mit seinen Studenten in Nepal gewinne, könnten beispielhaft auf andere Regionen angewandt werden, hofft der Potsdamer Professor.

In Neuseeland promovierte der aus Ansbach stammende Oliver Korup nach dem Studium in Würzburg, um dann in einer schweizerischen Forschungsanstalt als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Naturgefahren der Alpen zu untersuchen. Das stärkste Argument, eine Stelle in der brandenburgischen Landeshauptstadt anzunehmen, wäre die Möglichkeit der „Double Career“ gewesen, stellt Korup heute fest. Seine Frau erforsche die Folgen der Veränderungen der Nutzung von Land, erklärt der Vater von zwei Kindern. An einem Institut in Potsdam und an der Universität könne nun auch seine Partnerin ihre wissenschaftliche Arbeit fortsetzen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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