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Seelsorger. Matthias Amme sieht sich als „Resonanzraum“.

© Katie Simpson

Landeshauptstadt: Der Seelendoktor

Seit fast zehn Jahren arbeitet Pfarrer Matthias Amme als Seelsorger im Oberlinhaus

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Werde ich mich je wieder selbst versorgen können? Wer kümmert sich um meinen Garten? Muss ich vielleicht sogar ins Altersheim? Das sind Fragen, die Pfarrer Matthias Amme immer wieder zu hören bekommt. Fragen, die sich die Patienten des Babelsberger Oberlinhauses selbst stellen und auf die es wenige Tage nach einer Operation häufig noch keine klaren Antworten gibt. In dieser oftmals quälenden Zeit von Unsicherheit und körperlichem Schmerz steht Klinikseelsorger Amme den Patienten bei.

Wer als Patient in das Oberlinhaus kommt, findet auf seinem Bett eine Postkarte mit der Telefonnummer des Seelsorgers vor. Doch Amme drängt seinen Beistand niemandem auf. Meist zweimal in der Woche kommt er in die Oberlinklinik. An diesen Tagen geht Amme zunächst in das Schwesternzimmer und fragt nach Patienten, die er besuchen solle. Dann beginnt er seinen Rundgang von Zimmer zu Zimmer und schaut nach Menschen, denen ein seelsorgerliches Gespräch oder auch nur ein kurzer Moment der Zuwendung helfen könnte. Einige Patienten sind manchmal wohl etwas unsicher im Umgang mit dem Seelsorger: „Manche sagen, ich bin nicht in der Kirche“, erzählt Amme. Und plötzlich entwickelt sich hieraus zuweilen doch ein Gespräch, denn „die spirituellen Themen sind unsere menschlichen Themen“, sagt Amme. Die Patienten würden hier oft über ihr Leben nachdenken. „Da kann ich manchmal ein Bild finden für die Leute“, zum Beispiel eine Geschichte aus dem Neuen Testament, berichtet der Seelsorger von seiner Arbeit. In diesem Bild gehe er dann „Schritt für Schritt möglichst aufwärts“.

Ein Therapeut sei er jedoch nicht. Daher kenne er auch nicht die Krankengeschichten der Patienten. „Ich frage nach, aber ohne zu bewerten“, so Amme. Er sehe sich als „Resonanzraum, auf den sich der Patient einstimmen kann“. Die Zeichen christlichen Glaubens im Oberlinhaus sind für Amme „kein barockes Beiwerk“. „Wir sind von der Tradition nicht abgerückt, wir wollen das weiterführen“, so der evangelische Klinikseelsorger. „Spiritualität gehört zur Heilung dazu“, ist Amme überzeugt.

In der Klinik gibt es einen Raum der Stille. Hier hat Amme erst neulich ganz allein mit einer Frau, die vor einer Operation stand, das Abendmahl gefeiert. Neben dem Raum hat Amme ein kleines Büro. Hier kann er sich mit Patienten zum Gespräch zurückziehen, sofern deren körperliche Verfassung es zulässt. Ein Gespräch, ungehört von den anderen Patienten im Krankenzimmer. In einem Schrank seines Büros hat Amme seinen Seelsorgerkoffer deponiert. Er enthält eine Bibel, eine Kerze, Liederhefte, Gebetstexte, zwei kleine Kruzifixe, ein Tuch und Taschentücher.

Manchmal wird der Seelsorger auch zu sterbenden Patienten gerufen. Dann ist er mit seinem Koffer im Einsatz. Allerdings: Im Oberlinhaus als orthopädischer Fachklinik würden seltener als in Krankenhäusern mit medizinischer Vollversorgung Menschen versterben, so Amme. Jeder im Oberlinhaus versterbende Patient werde ausgesegnet.

Unterstützt wird der 51-jährige Amme in seiner Arbeit von ehrenamtlichen Helfern. Sie stehen bereit für Gespräche mit den Patienten, begleiten sie auf kleinen Spaziergängen oder lesen ihnen etwas vor. Zur Zeit seien fünf ehrenamtliche Mitarbeiter in diesem Besuchsdienst tätig, so Amme. Er sähe es gern, wenn sich weitere Menschen für diese wichtige Arbeit begeistern könnten. Man müsse nicht Mitglied einer Kirche sein, um im Besuchsdienst mitwirken zu können. Allerdings sollte man ein Gefühl dafür haben, „etwas geben zu können“, sagt Amme. Und die nötige Zeit müsse man freilich auch mitbringen: Möglichst einmal in der Woche drei bis vier Stunden.

Amme betreut die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Besuchsdienstes. Aber auch er selbst holt sich regelmäßig Hilfe: Einmal im Monat besucht er eine Gruppensupervision. Unter Anleitung eines Supervisors werden dann die Eindrücke des eigenen Arbeitsalltags reflektiert.

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