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Links und rechts der Langen Brücke: Der Souverän entscheidet

Sabine Schicketanz erklärt, warum der Streit um das Potsdamer Griebnitzsee-Ufer nie nur eine Provinzposse war

Stand:

Manche mögen den Uferstreit am Griebnitzsee bisher für eine leidige Provinzposse gehalten haben. Ein jahrelanges juristisches Gemetzel, bestimmt durch Sturheit, Fehleinschätzungen und Versäumnissen auf beiden Seiten. Auch wenn dies alles eine Rolle spielt: Der Potsdamer Konflikt, in dem nun die Bundespolitik die maßgebliche Vorentscheidung treffen wird, ist von herausgehobener Bedeutung, war es von Beginn an. Wäre Historie immer sichtbar, befände sich am Griebnitzsee-Ufer ein Kondensstreifen der deutschen Geschichte – durchtrennt von Zäunen, die den Kernkonflikt der Gegenwart markieren.

Der Uferweg, der jetzt seit fast einem Jahr von rund einem Dutzend Privatanrainern gesperrt ist, verläuft auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer. Mauerstreifen war das knapp drei Kilometer lange Ufer einst, vor zwanzig Jahren in Besitz genommen von den Menschen des wiedervereinigten Deutschland. Damit wurde das Griebnitzsee-Ufer zum zweiten Mal „wiedergegeben“: In den 1930er Jahren waren zahlreiche jüdische Eigentümer von Ufergrundstücken – damals ohne Uferweg – vom Nazi-Regime enteignet worden. Die Verbrechensherrschaft der Nationalsozialisten, die deutsche Teilung der DDR-Diktatur: Beide Epochen haben direkte Folgen für die heutige Politik im Fall Griebnitzsee. So werden Enteignungen, die nötig werden könnten, um einen Uferweg gegen die Eigentümer durchzusetzen, als Tabu gesehen. Doch welches Signal wäre es, ließe sich der Weg, Symbol eines freien Deutschlands, nicht durchsetzen? Dort paart sich der historische Konflikt mit dem gegenwärtigen: Es steht öffentliches Interesse gegen das Recht auf Eigentum. Für viele entspricht der Streit auch einem Gegenüber von Gemeinsinn und Eigensinn, ausgefochten mit erheblichen finanziellen Mitteln.

Dass jetzt der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestags darüber votiert, ob die Bundesrepublik ihre Uferflächen an die Stadt Potsdam oder  an die Anrainer verkauft, ist die logische Konsequenz. Eine solches Geschäft administrativ abzuwickeln, ist unmöglich. Jetzt entscheidet die einzige Instanz, die jenseits der Judikative entscheiden kann: die vom Souverän gewählten Abgeordneten.

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