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Sport: Der Stolz des Herrn

Putin kam nach Sotschi, um sich feiern zu lassen

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Sotschi -Wladimir Putin, der am Dienstag in Sotschi einschwebte, um beim Finale seines Prestigeprojekts Olympia selbst die Regie zu übernehmen und die Hauptrolle gleich mit dazu, ist nicht mehr der Mann, der um Gunst und Verständnis wirbt. Er kam, um Glanz und Ruhm zu ernten.

Das wurde selbst Unbedarften klar, als er sein Grußwort an die 126. Tagung des Internationalen Olympischen Komitees IOC richtete, die Dienstagabend im neuen Luxus-Ressort Radisson Blue begann. Die Vorbereitungen der Spiele, sagte Putin, hätten gezeigt, dass Russland „beliebig große Projekte“ realisieren kann. Noch bei der Vergabe 2006 hätte Sotschi bestenfalls über fünfzehn Prozent der für die Winterspiele nötigen Infrastruktur verfügt. Schwierigkeiten würden die Nation jedoch nur zusammenschweißen und seien Ansporn, den Beweis dafür anzutreten, dass Russland in der Lage ist, die ambitioniertesten Ziele zu erreichen. In Sotschi seien in nur fünf Jahren Sportstätten von Weltklasse und eine städtische Infrastruktur entstanden, für deren Bau normalerweise Jahrzehnte nötig sind.

Die Winterspiele in den Subtropen – unten am Schwarzen Meer zeigte das Thermometer gestern Mittag 14 Grad plus und im mit vielen Neubauten aufgeblasenen Skidorf Krasnaja Poljana schmolz der wenige Schnee unter der gleißenden Sonne – würden ein Fest für alle Sinne werden, versprach Putin. „Russland ist mit einer sehr jungen Mannschaft vertreten und hat gute Medaillenchancen“, so Putin. Das hofft auch der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kyrill I., der Mittwoch nicht nur die russische Mannschaft, sondern auch Sportler aus Weißrussland, der Ukraine und Moldawien in ihren Quartieren besuchte.

Seine Heiligkeit trug dabei die dunkelblaue, mit Schneekristallen verzierte Uniform offizieller Sponsoren, einschließlich Strick-Pudelmütze. Auf der prangte indes nicht das orthodoxe Kreuz mit einem zweiten Querbalken, sondern das einfache der Ökumene. Die Bauarbeiter, so Kyrill in einem Exklusivinterview für das russische Staatsfernsehen, hätten eine Leistung vollbracht, die weltweit einmalig sei. Sogar ihn suche daher der Stolz heim: eine Eigenschaft, die zu den sieben Todsünden zählt, die der Herr nur in Ausnahmefällen vergibt. Sotschi gehört offenbar dazu.

Russland, sagte IOC-Präsident Thomas Bach, habe alle eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Die getroffenen Vorbereitungen würden keinen Zweifel daran lassen, dass die Spiele auf höchstem Niveau stattfinden. Am Vortag war Bach von russischen Medien sogar mit den Worten zitiert worden, die Spiele in Sotschi seien womöglich die besten, die es bisher gab.

Wer sich kritisch äußert, kriegt es mit der mehrfachen Stabhochsprung-Weltmeisterin und Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa zu tun. Sie ist die Bürgermeisterin des Olympischen Dorfs an der Küste. Von angeblichen Mängelrügen westlicher Olympioniken sei ihr nichts bekannt, die Sportler seien happy über Unterkunft, Essen und Freizeitangebot.

Auch Putins Pressechef zeigte Kritikern prophylaktisch die Gelbe Karte. Einige Länder im Westen würden tagtäglich Kübel von Schmutz auskippen und versuchen, die Spiele in Sotschi politisch zu diskreditieren, rügte Dmitri Peskow in einem Interview für das linientreue Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“. „Starke, Erfolgreiche, Reiche und Gesunde werden nicht immer gemocht“, legte er nach und meinte damit offenbar auch einheimische Umweltschützer, die versucht hatten, die Endphase des olympischen Fackellaufs zu stören. Sicherheitskräfte – sogar offiziell ist inzwischen von 70 000 die Rede – „neutralisierten“ sie so schnell, dass kaum jemand etwas davon mitbekam. Weder in der Regionalhauptstadt Krasnodar noch in Sotschi, wo das olympische Feuer am Mittwochmorgen eintraf.

Gerüchte, wonach Alina Kabajewa, Olympiasiegerin der Rhythmischen Sportgymnastik und angeblich Putins Flamme, am Freitag das Olympische Feuer entzünden werde oder gar er selbst, dementierte der Kremlchef kategorisch. Ob man das glaubt, ist eine andere Frage.E. Windisch

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